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Bundesregierung und alle Fraktionen haben ein klares Bekenntnis zur deutschen maritimen Wirtschaft abgelegt. In einer Bundestagsdebatte am Freitag, 13. Mai 2011, wurden aber unterschiedliche Auffassungen über die künftige Ausrichtung der Branche erkennbar, in der nach Angaben der Bundesregierung mehr als 380.000 Beschäftigte tätig sind, die für ein jährliches Umsatzvolumen von 50 Milliarden Euro sorgen.
Der parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto (FDP), erklärte in der Debatte über den zweiten Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der maritimen Wirtschaft in Deutschland (17/5572), die schwarz-gelbe Bundesregierung habe die Förderung von Forschung und Entwicklung im Schiffbau um 30 Prozent erhöht.
In der mittelfristigen Finanzplanung sei eine Erhöhung um 50 Prozent vorgesehen. Innovationshilfen seien optimiert worden. Die konjunkturellen Rahmenbedingungen würden stimmen. An weiteren Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die maritime Wirtschaft müsse aber gearbeitet werden, empfahl Otto mit Blick auf die in Kürze stattfindende maritime Konferenz in Wilhelmshaven.
Dagegen verwies Uwe Beckmeyer (SPD) auf die in jüngster Zeit gewachsenen Sorgen der Branche. Es gehe dabei nicht nur um die Küstenregion. 40 Prozent des Umsatzes würden aus küstenfernen Regionen kommen. "Wir haben es hier mit einem Wachstumsmotor besonderer Güte zu tun“, sagte Beckmeyer, der der Bundesregierung Versäumnisse vorwarf und von einer "äußerst beunruhigenden Situation“ sprach.
Die Bundesregierung habe die Haushaltsmittel in der Schifffahrtsförderung halbiert, sodass bereits in diesem Jahr die Mittel für das zugesagte Volumen nicht mehr ausreichen würden. Die Regierung sei dabei, das auf der maritimen Konferenz in Emden geschlossene "maritime Bündnis“ aufzukündigen.
Was die Bundesregierung als ihren Erfolg verkaufe, sei in Wirklichkeit ein Erfolg der Branche, die sich um Aufträge gekümmert habe, sagte Beckmeyer zu den wieder wachsenden Auftragsbeständen.
Beckmeyers Vorhaltungen stießen auf Widerspruch bei der CDU/CSU-Fraktion. Deren Wirtschaftsexperte Eckhardt Rehberg erklärte: "Die Politik hat gehandelt.“ Nach dem Auftragseinbruch durch die Wirtschaftskrise seien von den 13 Milliarden Euro des Deutschlandfonds 1,3 Milliarden Euro in die maritime Wirtschaft geflossen.
Mit Unterstützung der staatlichen KfW-Bankengruppe seien 19 Schiffsbauten ausländischer Reedereien auf deutschen Werften in Auftrag gegeben worden. "Der Bund wird hier seiner Verantwortung gerecht.“ Dagegen sei die SPD dagegen gewesen, dass mit Hilfe deutscher Steuergelder Schiffe auf deutschen Werften gebaut würde, sagte Rehberg mit Blick auf einen Fährschiffauftrag aus Indonesien, den die SPD abgelehnt habe.
Dass die maritime Wirtschaft nicht nur für die Küstenländer wichtig sei, bestätigte Dietmar Bartsch von der Linksfraktion. Aber entgegen der Behauptung von Otto und der Bundesregierung befinde sich dieser Wirtschaftszweig weiter in der Krise. "Eigentlich befinden wir uns in einer permanenten Krise“, sagte Bartsch.
Von der Regierung habe es nur Ankündigungen gegeben. Die Zahl der Werftbeschäftigten in Mecklenburg-Vorpommern habe 1990 30.500 Personen betragen. Heute seien noch 2.700 Menschen auf den vier größten Werften beschäftigt, sagte Bartsch zu den Erklärungen der Bundesregierung, es sei gelungen, den Kernbestand der Werftindustrie in Mecklenburg-Vorpommern zu erhalten. Die Kürzung der Haushaltsmittel bezeichnete Bartsch als Fehlentscheidung.
Ein Exportland wie Deutschland sei auf die maritime Wirtschaft angewiesen, stellte Valerie Wilms (Bündnis 90/Die Grünen) fest. Die schönen Bekenntnisse der Koalition rechten aber nicht aus, denn die Zielsetzung fehle. Es gebe Ankündigungen, aber bei der Umsetzung werde nur laviert, sodass niemand wisse, wofür die Koalition eigentlich steht.
"Die einzige Linie, die erkennbar bleibt, ist die standhafte Weigerung, eine umweltfreundliche und klimaschonende Schifffahrt Realität werden zu lassen“, kritisierte Wilms. So forderte sie eine Umstellung auf umweltfreundlichere Treibstoffe: "Die fahrenden Müllverbrennungsanlagen auf See müssen endlich abgelöst werden.“ Die Koalition wisse jedoch offenbar nicht, was sie wolle, schaffe damit Unsicherheit für die maritime Wirtschaft und verhindere Investitionen.
In dem Bericht der Bundesregierung (17/5572) wird die Lage der deutschen Werften auch nach der Wirtschafts- und Finanzkrise als angespannt dargestellt. Bei den deutschen Werften seien die Auftragseingänge 2009 um 90 Prozent im Vergleich zum Boomjahr 2007 gesunken.
2008 und 2009 seien 60 bestellte und teilweise schon im Bau befindliche Schiffsbauten mit einem Auftragswert von 2,2 Milliarden Euro storniert worden. "Zwar wurde in 2010 mit der Akquirierung von Neubauaufträgen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro (22 Schiffe) ein Ergebnis erreicht, das deutlich über dem historischen Tiefstand des Jahres 2009 mit Neubauaufträgen im Wert von nur 0,5 Milliarden Euro (20 Schiffe) lag. Die Auftragseingänge waren aber auch 2010 weit geringer als die Neubauablieferungen (4,6 Milliarden Euro), sodass die Auftragspolster der Werften weiter abnahmen“, schreibt die Bundesregierung und verweist darauf, dass diese Auftragsbestände von 9,6 Milliarden Euro (Ende 2009) auf 7,4 Milliarden Euro zurückgegangen seien. Die Verringerung habe zu einem ”kritischen Niveau“ geführt.
Von den Auftragseinbrüchen seien Werften, die sich vor allem auf den Containerschiffbau konzentriert hätten, am stärksten betroffen gewesen. Sie hätten strukturelle Anpassungen vornehmen müssen, schreibt die Regierung. Als Ergebnis sei es selbst traditionsreichen Containerschiffswerften gelungen, neue Aufträge für den Bau beispielsweise von Windpark-Errichterschiffen und Arctic-Spezialschiffen einzuwerben.
Als Lehre aus der Krise würden die Unternehmen ihre schiffbauliche Forschung mit dem Ziel der stärkeren Positionierung in den Hightech-Segmenten des Passagier-, RoRo- und Spezialschiffbaus intensivieren. Zugleich gab es einen ”schmerzhaften Beschäftigungsrückgang“ bei den Werften. Im September 2010 hätten die deutschen Werften noch 16.760 Direkt-Beschäftigte gehabt. Dies seien 3.800 weniger (minus 18,4 Prozent) als 2008.
Der Bericht wurde ebenso wie zwei Anträge der Koalitionsfraktionen Union und FDP (17/5770) sowie der SPD-Fraktion (17/5237) an die Ausschüsse überwiesen. Darin fordern die Koalitionsfraktionen die Bundesregierung auf, die industriepolitischen Rahmenbedingungen für Schiffbau und Zulieferindustrie so zu gestalten, dass dieser Industriezweig seine Position im internationalen Wettbewerb sichern und weiter ausbauen kann.
Dazu sollen die Finanzierungsbedingungen im Schiffsbau verbessert werden. Außerdem sollen das "Nationale Hafenkonzept“ umgesetzt und die Verkehrsanbindungen der deutschen Häfen ans Hinterland verbessert werden. Zum Schiffsverkehr heißt es, die Fahrt unter deutscher Flagge müsse attraktiver werden. Zur Verbesserung der Verkehrssicherheit in Nord- und Ostsee wird gefordert, die Kompetenzen der auf See tätigen Bundesbehörden mit der späteren Zielsetzung des Aufbaus einer nationalen Küstenwache zusammenzufassen.
Die SPD-Fraktion fordert in ihrem Antrag, die Bundesregierung solle "Flagge zeigen für die maritime Wirtschaft“.
Deshalb solle sie unter anderem die Schiffbaupolitik stärker an der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation und den Erfordernissen der Werftindustrie ausrichten und im Bereich der Seeschifffahrt weiterhin die Vereinbarungen der Partner im "Bündnis für Ausbildung und Beschäftigung in der Seeschifffahrt“ zu einem Schwerpunktthema der Schiffsfahrtpolitik machen. (hle)