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Experten fordern einhellig Nachbesserung beim Aufenthaltsrecht im Zuge der Ratifizierung des Übereinkommens des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels. Vor dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unter Vorsitz von Sibylle Laurischk (FDP) betonten die sieben geladenen Sachverständigen am Montag, 19. März 2012, in einem öffentlichen Expertengespräch über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ratifizierung des Abkommens (17/7316), das Hauptanliegen der Europaratskonvention sei die Stärkung der Rechte von Opfern von Menschenhandel und Ausbeutung.
Opfern müsse deshalb unabhängig davon, ob sie aus einem EU-Mitgliedstaat oder einem Nicht-EU-Staat stammen, ein „humanitäres Aufenthaltsrecht“ eingeräumt werden. Dieses Aufenthaltsrecht sei zudem von der Frage abzukoppeln, ob das Opfer bereit sei, in einem Strafprozess auszusagen oder anderweitig mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren.
Es gehe in erster Linie um die Umsetzung eines Menschenrechts, nicht darum, die Strafverfolgung von Tätern zu gewährleisten, sagte der Strafrechtler Prof. Dr. Joachim Renzikowski von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Die Opfer hätten einen Schutzanspruch an die Bundesrepublik Deutschland fügte Naile Tanis, Geschäftsführerin des bundesweiten Koordinationskreises gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess, an. In diesem Sinne äußerten sich auch die Berliner Rechtsanwältin Regina Kalthegener, Heike Rabe vom Deutschen Institut für Menschenrechte, Özlem Dünder-Özdogan von der „Zentralen Koordinierungs- und Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel“, Jae-Soon Joo-Schauen von der Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung und Schwester Dr. Lea Ackermann von „Solidarität mit Frauen in Not“.
Die Experten widersprachen mit ihren Ausführungen der Auffassung von Bundesregierung und Bundesrat (17/7368), dass die aus der Europaratskonvention entstehenden Verpflichtungen Deutschlands bezüglich Aufenthalts- und asylrechtlicher Bestimmungen bereits im nationalen Recht verwirklicht seien. Auch die SPD-Fraktion fordert in einem Antrag (17/8156) eine Reihe von Nachbesserungen im deutschen Recht zugunsten der Opfer.
Nachbesserungen wurden von den Experten übereinstimmend auch bei der sogenannten Alimentierung von Opfern gefordert – vor allem bei der medizinischen und therapeutischen Betreuung. Auch könne es nicht ausschlaggebend sein, ob das Opfer aus einem EU-Staat oder einem Nicht-EU-Staat stamme. Dies sei eine „weitere Diskriminierung“ der Opfer, kritisierte Dünder-Özdogan.
Auch Kalthegener argumentierte, dass der Zugang zu therapeutischer und medizinischer Versorgung nicht abhängig gemacht werden dürfe von der voraussichtlichen Länge eines Strafverfahrens und eines daran gekoppelten Aufenthaltsrechts.
Rabe plädierte zudem dafür, die Entschädigung von Opfern von Ausbeutung zu verbessern. Gerade Opfer aus Nicht-EU-Staaten könnten ihre Ansprüche, die ihnen wegen der zwangsweise geleisteten Arbeit zustehen, schon deshalb nicht einklagen, weil sie Deutschland wieder vorzeitig verlassen müssten.
Die Sachverständigen wiesen zudem auf die Probleme in der Praxis hin. Zum einen würden die Opfer von den Behörden zu spät oder unzureichend über ihre rechte informiert, beklagte Schwester Ackermann. Zudem fehle es bei vielen Ermittlungsbeamten aber auch Richtern an der nötigen Sensibilität im Umgang mit Opfern von sexueller Ausbeutung. (aw)