Ein Blick auf neue Wohlstandsmodelle

Kompass

Eine Rede Achim Steiners, des Chefs des UN-Umweltprogramms, steht im Mittelpunkt eines Symposiums, mit dem die Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" über ihre interne Gremienarbeit hinaus in die Öffentlichkeit treten will. Die Veranstaltung findet am Mittwoch, 21. März 2012, zwischen 13 und 18 Uhr im Foyer des Berliner Paul-Löbe-Hauses statt. Steiner wird über nachhaltiges Wirtschaften und gesellschaftlichen Fortschritt in der sozialen Marktwirtschaft sprechen. Er berührt damit einen Kernauftrag der Kommission, die mit Hilfe einer Neubewertung des Wohlstandsbegriffs Wege hin zu einem qualitativen Wachstum aufzeigen soll.

Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert und die Kommissionsvorsitzende Daniela Kolbe (SPD) werden das Symposium eröffnen. Neben Steiner kommen bei Forumsdebatten mehrere international renommierte Professoren sowie Vertreter der fünf Fraktionen zu Wort.

Öffnung für Kritik und Denkanstöße

Das Bundestagsgremium demonstriere mit dem öffentlichen Symposium, wie Kolbe im Vorfeld erläuterte, dass man sich nicht abschotten, sondern die Gesellschaft in die Arbeit einbeziehen wolle. Zum Konzept der Enquete-Kommission gehöre es, sich auch der Kritik und den Denkanstößen interessierter Gruppen wie Gewerkschaften, Kirchen, Unternehmern oder Umweltverbänden zu öffnen.

Angesichts der international geführten Debatte über alternative Wohlstandsmodelle seien Impulse etwa durch den Auftritt Steiners besonders gefragt, so die SPD-Parlamentarierin. Die Ergebnisse des Symposiums sollen laut Kolbe nicht nur zu Protokoll gegeben werden, sondern in die Debatten der Projektgruppen und in die Plenumsdiskussionen des Gremiums einfließen.

Frage nach qualitativem Wachstum

Nicht nur das Thema der Rede Steiners, sondern auch die Fragestellungen der Foren sind eng an den Auftrag der Enquete-Kommission angelehnt. Die 17 Abgeordneten und 17 Wissenschaftler sollen das rein ökonomisch und quantitativ ausgerichtete Bruttoinlandsprodukt (BIP) als traditionelle Messgröße für gesellschaftliches Wohlergehen weiterentwickeln und durch ökologische, soziale und kulturelle Kriterien ergänzen.

Das BIP wird inzwischen unter anderem deshalb als unzureichende Kennziffer für Wohlstand kritisiert, weil sich in dieser Kategorie Umweltschäden, die das ökonomische Niveau einer Gesellschaft und die Lebensqualität mindern, nicht niederschlagen. Letztlich soll die Arbeit des Gremiums in die Definition dessen münden, was als qualitatives Wachstum gelten kann und wozu etwa die Entkoppelung des Ressourcenverbrauchs von der Steigerung der Wirtschaftsleistung gehört.

Frage nach Verzicht

Im Rahmen des Symposiums geht es beim Forum I um die Frage, ob Nachhaltigkeit und Wachstum ein Widerspruch sind. Schließlich offenbart ein quantitativ ausgerichtetes Wachstum so manche Schattenseite – etwa ökologische Belastungen, die Ausbeutung von nur begrenzt vorhandenen Ressourcenvorkommen oder in finanzieller Hinsicht die zunehmende Verschuldung samt internationalen Krisen.

Ist es vor diesem Hintergrund vielleicht geboten, ein gewisses Maß an Verzicht zu üben, um negative Auswirkungen des Wirtschaftens einzudämmen oder zu vermeiden? Oder lassen sich nachhaltige Konzepte entwickeln, die ein qualitatives Wachstum ohne negative Konsequenzen ermöglichen? Welchen Beitrag kann dazu die Energieeffizienz leisten, also der sparsame Verbrauch von Energie?

Blick auf die Ressourceneffizienz

Die gleiche Frage stellt sich im Blick auf die Ressourceneffizienz: Ist es machbar, die Wirtschaftsleistung zu erhöhen und gleichzeitig den Konsum von wertvollen Ressourcen wie Rohstoffen oder Wasser zu vermindern? Weitreichende Forderungen zielen auf eine Senkung des Ressourcenverbrauchs um 80 Prozent.

Referenten beim Forum I sind Marina Fischer-Kowalski, Professorin für Soziale Ökologie im österreichischen Klagenfurt, und Professor Carl Christian von Weizsäcker vom Max-Planck-Institut für Gemeinschaftsgüter in Bonn.

Kriterien für Wohlergehen und Lebensqualität

Unter der Themenstellung „Warum Wachstum allein nicht glücklich macht“ begibt sich Forum II auf die Suche nach jenen Kriterien, die Wohlergehen und Lebensqualität über das BIP hinaus künftig definieren könnten. Mit dieser Frage beschäftigt sich in der Enquete-Kommission intensiv die Projektgruppe II, die dazu bereits einen Zwischenbericht vorgelegt hat.

Debattiert werden dürfte bei dem Symposium etwa, ob die Verteilungsgerechtigkeit, die viel mit der Einkommensverteilung sowie mit dem Zugang der Bürger zu Arbeit und Bildung zu tun hat, in einen neuen Wohlstandsbegriff einfließen soll.

Alternatives Wohlstandsmodell

Ein anderer Punkt: Beim BIP als Messgröße spielt die medizinische Versorgung der Bevölkerung keine Rolle. Wie lassen sich ökologische und finanzielle Nachhaltigkeit, die sich einerseits in Ressourcenverbrauch und Energieeffizienz sowie andererseits im Maß der Staatsverschuldung niederschlagen, in einem alternativen Wohlstandsmodell berechnen?

Referenten beim Forum II sind Martine Durand, Chefstatistikerin der OECD, und der Volkswirtschaftler Mathias Binswanger, Professor in Olten (Schweiz).  (kos)

Zeit:  Mittwoch, 21. März 2012 von 13.00 bis 17.30 Uhr
Ort: Paul-Löbe-Haus, Eingang Süd, Paul-Löbe-Allee 2, 11011 Berlin

Interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer melden sich bitte einige Tage vor der Anhörung mit folgenden Daten per E-Mail an enquete.wachstum@bundestag.de:Vor- und Zuname, Geburtsdatum, Personalausweis-/oder Reisepassnummer.