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In der Regel öffentlich tagen will die neue Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität", die das rein ökonomisch und quantitativ ausgerichtete Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Messgröße für gesellschaftliches Wohlergehen weiterentwickeln und etwa um ökologische, soziale und kulturelle Kriterien ergänzen soll. Auf diese Marschrichtung verständigten sich die fünf Fraktionsobleute im Vorfeld der konstituierenden Sitzung des neuen Gremiums am Montag, 17. Januar 2011, die von Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert eröffnet werden soll und öffentlich stattfindet. Das Treffen mit anschließender erster öffentlicher Kommissionssitzung sowie einer Pressekonferenz beginnt um 13 Uhr im Europasaal 4.900 im Paul-Löbe-Haus in Berlin und wird live im Parlamentsfernsehen und im Web-TV auf www.bundestag.de übertragen.
Bei dieser Sitzung werden die 17 Abgeordneten die Spitze ihres Ausschusses bestimmen. Als Vorsitzende designiert ist die SPD-Abgeordnete Daniela Kolbe, als Stellvertreter ist Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) vorgesehen. Bereits benannt haben die fünf Fraktionen ihre Obleute. Sprecher der Unionsfraktion ist der CSU-Abgeordnete Dr. Georg Nüßlein. Als Obmann der SPD mit vier Mitgliedern fungiert Peter Friedrich.
Die drei Liberalen haben sich für Claudia Bögel entschieden. Ulla Lötzer tritt als Obfrau der Linksfraktion auf, Kerstin Andreae als Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen. Diese beiden Fraktionen stellen jeweils zwei Volksvertreter. Neben den 17 Abgeordneten gehören dem Gremium noch 17 Sachverständige an, die von den Fraktionen berufen werden und deren jeweilige Zahl sich nach der Fraktionsstärke bemisst.
Ihr Arbeitsprogramm wollen die Kommissionsmitglieder bei einer nichtöffentlichen Klausurtagung am 6. und 7. Februar debattieren, die erste Arbeitssitzung des Ausschusses ist für den 14. März geplant. Das Gremium will einmal im Monat tagen, und zwar jeweils während der ersten Sitzungswoche des Bundestages im betreffenden Monat.
Vorgesehen ist die Einsetzung von Projektgruppen, die sich um einzelne ausgewählte Themen kümmern sollen. Die 17 Abgeordneten werden vermutlich bis zum Ende der jetzigen Legislaturperiode tätig sein und dann ihren Abschlussbericht vorlegen.
Die Einsetzung der neuen Enquete-Kommission war am 1. Dezember vom Parlament beschlossen worden (17/3853). Ziel ist die Entwicklung eines neuen Fortschrittsindikators, der sich zwar weiterhin auch auf das BIP als Messgröße stützt, diese Kategorien jedoch modifiziert und durch neue Kriterien ergänzt.
Anlass für diesen Vorstoß ist eine verbreitete Kritik am BIP als bislang alleinigem offiziellen Maßstab für Wachstum und Wohlstand, der das, was als Lebensqualität gilt, nur unvollständig oder verzerrt abbildet.
So können Faktoren das quantitativ orientierte BIP steigern, die eigentlich einen gesellschaftlichen Schaden anrichten und deshalb den Wohlstand verringern. Beispielsweise führte die Explosion einer Ölplattform im Golf von Mexiko zu Milliardenschäden, doch erhöhten die enormen Summen, die für die Bekämpfung dieser Katastrophe ausgegeben wurden, als Investitionen rein statistisch das BIP der USA.
Als Steigerung des BIP und damit des Wohlstands fungiert, ein anderes Beispiel, auch die Beseitigung der Folgen von Autounfällen, obwohl diese im Grunde gesellschaftliche Werte vernichten, die medizinische Behandlung von Unfallopfern in Kliniken spiegelt sich ebenfalls im BIP als Vermehrung des Wachstums wieder.
Befassen soll sich das neue Gremium auch mit Defiziten der traditionellen BIP-Messung, die bislang eine Reihe von Faktoren außer Acht lässt. So sagt das ökonomisch ausgerichtete BIP nichts über die Qualität des Bildungs- und Gesundheitswesens oder über den Zustand der Umwelt aus.
Außen vor bleibt ebenfalls die Verteilung des Reichtums in der Gesellschaft, wobei die Unterschiede zwischen Reich und Arm sogar größer werden. Die kulturelle Versorgung der Gesellschaft und die ungleichen Chancen zum Zugang zu solchen Angeboten werden im BIP ebenfalls nicht berücksichtigt.
Die kritische Aufarbeitung solcher Fragen in der Enquete-Kommission soll in die Skizzierung dessen münden, was als qualitatives Wachstum bezeichnet wird. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Frage, ob und in welchem Maße sich wirtschaftliches Wachstum und Ressourcenverbrauch dauerhaft voneinander entkoppeln lassen, um so dem Prinzip der ökologischen Nachhaltigkeit künftig besser Rechnung tragen zu können.
Die Arbeit der neuen Enquete-Kommission korrespondiert mit entsprechenden Debatten in anderen Ländern. So hat etwa 2009 ein in Frankreich von Präsident Nicolas Sarkozy einberufenes Gremium unter Nobelpreisträger Professor Joseph Stiglitz einen Bericht zu diesem Thema vorgelegt. (kos)
Zeit: Montag, 17. Januar 2011, 13 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Europasaal 4.900
Interessierte Besucher können sich im Sekretariat der Kommission (E-Mail: enquete.wachstum@bundestag.de) unter Angabe des Vor- und Nachnamens und des Geburtsdatums anmelden. Zur Sitzung muss der Personalausweis mitgebracht werden.
Bild- und Tonberichterstatter können sich im Pressereferat (Telefon: 030/227-32929 oder 32924) anmelden.