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Vor allem das sogenannte Konzept der vernetzten Sicherheit, nach der Bundeswehr und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan zusammenarbeiten sollen, kritisierte die Opposition scharf.
"Wer heute an den Hindukusch kommt, der sieht: Die Kinder lassen wieder Drachen steigen. Es ist gut, dass die Lebensfreude in Afghanistan wieder Fuß fasst“, sagte Niebel zu Beginn seiner Regierungserklärung. Als Erfolge beim zivilen Aufbau bezeichnete der Minister unter anderem die Senkung der Kindersterblichkeit, den Rückgang der Kinderheiraten und die Zunahme der Grundschulbildung bei Mädchen.
Solche Erfolge zeigten, dass der Strategiewechsel der Bundesregierung hin zu einem sehr viel stärkeren Engagement für den zivilen Aufbau richtig gewesen sei.
Dem stimmte auch Dr. Gernot Erler zu. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion für die Bereiche Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik begrüßte, dass die Bundesregierung der Forderung der Sozialdemokraten weitgehend gefolgt sei, die Mittel für den zivilen Aufbau in Afghanistan zu verdoppeln.
Trotzdem müsse seine Fraktion feststellen, "dass wir mit der Aufwertung und Ausweitung des zivilen Aufbaus noch längst nicht da sind, wo wir hin müssen“, fügte der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt hinzu. Vor allem die "Doktrin“ der vernetzten Sicherheit stoße bei den Beteiligten auf breite Ablehnung.
"Hören Sie auf, Druck zu machen auf die Entwicklungshelfer vor Ort, sich in den Dienst militärischer Ziele zu stellen“, rief er Niebel zu. "Akzeptieren Sie die jahrzehntelangen Erfahrungen dieser Organisationen und lassen Sie sie selbst entscheiden, wie sie ihre Arbeit machen wollen.“
Unterstützung für das Konzept der vernetzten Sicherheit kam hingegen von der Unionsfraktion. Christian Ruck erinnerte daran, dass die Nato-Mission in Afghanistan auf die Terroranschläge vom 11. September 2011 zurückgehe. Der zivile Aufbau des Landes solle dazu beitragen zu verhindern, dass Afghanistan zum Nährboden für den internationalen Terrorismus werde.
"Damit ist Entwicklungspolitik zum wesentlichen Bestandteil unserer Sicherheitspolitik geworden“, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion. 30 Jahre Bürgerkrieg hätten Afghanistan fast vollständig ruiniert, doch zehn Jahre Aufbauhilfe hätten zu spürbaren Verbesserungen geführt. Die Ansätze, die dabei für die zivilmilitärische Zusammenarbeit gefunden worden seien, halte er für sehr wichtig, so Ruck.
Das sah Heike Hänsel ganz anders. Nach neun Jahren Krieg könne von Fortschritten in Afghanistan keine Rede sein, so die entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke. Das Land liege heute auf dem vorletzten Platz, was den Index der menschlichen Entwicklung angehe.
Der Krieg in Afghanistan habe eine Entwicklung des Landes unmöglich gemacht, sagte die Abgeordnete weiter und verwies darauf, dass sich 2.8 Millionen Afghanen und Afghaninnen aufgrund des Nato-Einsatzes auf der Flucht befänden.
Der Bundesregierung warf Hänsel vor, mit der zivil-militärischen Zusammenarbeit die Erfolge der Entwicklungshelfer und diese selbst zu gefährden. Daher forderte sie ein Ende dieser Zusammenarbeit. "Eine aktive Friedenspolitik ist für uns die beste Entwicklungspolitik“, so Hänsel.
Für Harald Leibrecht (FDP) hingegen gehen "Sicherheit und Wiederaufbau Hand in Hand“. Ohne Sicherheit gebe es keinen zivilen Aufbau und ohne zivilen Aufbau keine Sicherheit. Mit der Verdopplung der Mittel für den zivilen Aufbau sei der Wiederaufbau deutlich gestärkt worden, sagte der Liberale und verwies darauf, dass sich etwa die Einschulungsraten in den letzten Jahren um 52 Prozent erhöht hätten.
"Dirk Niebel kann hier zu Recht von einer Entwicklungsoffensive sprechen“, lobte Leibrecht den Minister. Die Entscheidung, dem zivilen Aufbau Vorrang einzuräumen, sei richtig gewesen.
Dem stimmte auch Ute Koczy, Sprecherin für Entwicklungspolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, zu. Zugleich aber übte sie deutliche Kritik an Niebel, der in seiner Regierungserklärung "nichts Wegweisendes“ gesagt habe. Was fehle, sei eine Agenda, eine Strategie für den zivilen Aufba
Koczy beklagte zudem, dass sich immer noch nicht objektiv beurteilen lasse, wie erfolgreich die vermehrten Anstrengungen um den zivilen Aufbau wirklich seien. Und forderte eine unabhängige externe Evaluation.
Wie die Redner der anderen Oppositionsfraktionen forderte auch die Grüne ein Ende der zivil-militärischen Zusammenarbeit, die "überflüssig wie ein Kropf“ sei. (nal)