Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2011 > Menschenrecht Trinkwasser
Über das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitätsversorgung wird am Donnerstag debattiert. © ZB - Fotoreport
Das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung (MRWS) steht am Donnerstag, 27. Januar 2011, voraussichtlich von 13.35 Uhr an im Mittelpunkt einer 45-minütigen Debatte des Bundestages. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen (17/1779) sowie die Fraktionen von CDU/CSU und FDP (17/2332) und SPD (17/3652) haben zu diesem Thema jeweils einen Antrag vorgelegt, die abschließend beraten werden. Der Menschenrechtsausschuss hat empfohlen, den Koalitionsantrag anzunehmen und die Oppositionsanträge abzulehnen (17/4526).
Für eine Weiterentwicklung der Anerkennung des Menschenrechts auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung spricht sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aus. In ihrem Antrag (17/1779), der erstmals am 10. Juni 2010 im Parlament debattiert wurde, fordert sie die Bundesregierung auf, dieses Thema unter anderem im Europäischen Rat und im Rat der Europäischen Union anzusprechen und sich in diesen Gremien für eine gemeinsame Position der Anerkennung des MRWS einzusetzen. Denn bislang stehe auf EU-Ebene eine einheitliche Anerkennung des MRWS noch aus.
Außerdem solle sich die Regierung im Ministerkomitee des Europarates für eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten engagieren, den Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitärversorgung als Menschenrecht anzuerkennen.
Des Weiteren fordern die Abgeordneten die Regierung auf, sich für einen eigenen Allgemeinen Kommentar des UN-Menschenrechtskomitees zur Sanitärversorgung und für die Kodifizierung des MRWS in einem Zusatzprotokoll zum sogenannten UN-Sozialpakt einzusetzen.
Zur Begründung führt die Fraktion an, dass der Zugang zu sauberem Wasser und Sanitärversorgung von einigen Staaten noch immer nicht als Menschenrecht anerkannt, sondern nur als Grundbedürfnis betrachtet werde. Eine Anerkennung als Menschenrecht würde nach Ansicht der Abgeordneten aber "entscheidend zu einer Verbesserung der prekären Versorgungssituation“ beitragen.
Denn dadurch würden alle Menschen als individuelle Rechtsträger eine konkrete Anspruchsgrundlage erhalten. Staaten hätten dann nicht nur die Pflicht, einen angemessenen rechtlichen und administrativen nationalen Rahmen zu schaffen. Durch internationale Zusammenarbeit müssten sie auch dazu beitragen, dass das MRWS in anderen Ländern gewährleistet werde.
In dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen von CDU/CSU-Fraktion und FDP (17/2332), der Ende Juni 2010 in den Bundestag eingebracht wurde, heißt es, die Versorgung von Menschen mit sauberem Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen gehöre zu den zentralen Herausforderungen im 21. Jahrhundert.
Die Bundesregierung habe dies seit langem erkannt und kämpfe "entschlossen“ gegen die unzureichende Trinkwasser- und Sanitärversorgung in den betroffenen Regionen und Staaten.
Die Koalitionsfraktionen fordern die Bundesregierung unter anderem auf, diese Bemühungen fortzusetzen und zu einem Schwerpunktthema der Humanitären Hilfe zu machen. Dabei solle sie die Potenziale der Privatsektorbeteiligung insbesondere von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) aus Entwicklungsländern angemessen berücksichtigen.
Außerdem solle sie sich weiterhin für die Anerkennung des Menschenrechts auf Trinkwasser und Sanitärversorgung einsetzen und auf zwischenstaatlicher und internationaler Ebene stets auch auf die volkswirtschaftlichen Effekte einer verbesserten Infrastruktur für sauberes Trinkwasser und Sanitäranlagen hinweisen sowie in der Entwicklungszusammenarbeit in den Zielländern darauf achten, dass entsprechende Investitionsanreize gesetzt werden.
Die SPD hält in ihrem Antrag (17/3652) vom 10. November 2010 fest, dass der UN-Menschenrechtsrat das Menschenrecht auf Wasser- und Sanitärversorgung am 30. September 2010 anerkannt habe. Damit bestehe eine einheitliche Grundlage und für eine weitere Kodifizierung des Rechts, zum Beispiel über ein Zusatzprotokoll, keine Notwendigkeit.
Vielmehr gelte es nun, dieses Menschenrecht konsequent in die Praxis umzusetzen. Denn Wasser- und Sanitärversorgung seien der Schlüssel zu einer nachhaltigen ökonomischen und sozialen Entwicklung und zu einem Leben in Würde.
Die Abgeordneten fordern daher die Bundesregierung unter anderem dazu auf, als nicht ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates ab 2011 für die weltweite Durchsetzung des Rechts auf Wasser- und Sanitärversorgung zu werben, die Arbeit der UN-Beauftragten für sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung, Catarina de Albuquerque, nachdrücklich zu unterstützen und im Ministerkomitee des Europarates für die konsequente Umsetzung des Menschenrechts auf Trinkwasser und Sanitärversorgung einzutreten.
Außerdem solle die Regierung über „geeignete Maßnahmen im In- und Ausland“ darauf hinwirken, dass bei der Privatisierung von Wasserdienstleistungen staatliche Kontrollmechanismen vereinbart werden. Damit solle sichergestellt werden, dass alle Bürger Zugang zu bezahlbarem Wasser in guter Qualität und ausreichender Menge erhalten und dass dabei niemand diskriminiert werde.
Das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser und Sanitärversorgung ist in Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Recht auf Wohlfahrt) angelegt und aus den Artikeln 11 und 12 des UN-Sozialpakts (Recht auf angemessenen Lebensstandard und Gesundheit) ableitbar.
Am 30. September 2010 hat der UN-Menschenrechtsrat in einem Mehrheitsentscheid eine Resolution mit dem Titel „Menschenrechte und Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitäranlagen“ angenommen. Diese stützt sich auf die Resolution 64/292 der UN-Generalversammlung vom 28. Juli 2010, welche das Recht auf sauberes Trinkwasser und Sanitäranlagen als Menschenrecht anerkennt.
Derzeit haben fast 900 Millionen Menschen (17 Prozent der Weltbevölkerung) keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, 2,6 Milliarden Menschen (40 Prozent der Weltbevölkerung) leben ohne sanitäre Basisversorgung. (nal)