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"Der Kampf gegen vernachlässigte Krankheiten hat auch eine Schlüsselfunktion im Kampf gegen die Armut“, sagte der Vorsitzende Uwe Kekeritz (Bündnis 90/Die Grünen) während der öffentlichen Anhörung des Unterausschusses "Gesundheit in Entwicklungsländern" des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am Mittwoch, 26. Januar 2011, im Bundestag. Dabei mühten sich die geladenen Experten um Lösungen beim Thema "Forschung zu vernachlässigten und armutsbedingten Krankheiten“ und stellten sich den Fragen der Abgeordneten.
Angesichts der komplexen Ausgangssituation keine leichte Aufgabe: Zum einen gibt es zu wenige Medikamente gegen "vernachlässigte“ und armutsbedingte Krankheiten, die vor allem in armen Ländern auftreten.
Zum anderen sind existierende Medikamente für die Patienten oft finanziell außer Reichweite.
Da Forschungsanreize für Pharmaunternehmen fehlen, wenn die Menschen, die ein Medikament benötigen, nur über eine geringe Kaufkraft verfügen, wird zu wenig in Forschung und Entwicklung von Medikamenten gegen vernachlässigte Krankheiten investiert.
Als vernachlässigte Krankheiten bezeichnen Gesundheitsexperten Krankheiten, die vor allem in ärmeren Ländern auftreten und zu deren Bekämpfung Forschung und Entwicklung unzureichend sind.
Ein zentraler Punkt in der Erörterungen der Runde zu möglichen Lösungsansätzen bildete die Frage nach der Bedeutung von sogenannten Produktentwicklungspartnerschaften (PDPs), die als Non-Profit-Organisationen den Auftrag haben, Erforschung, Entwicklung und Verbreitung neuer Gesundheitstechnologien gegen die sogenannten vernachlässigten Krankheiten zu fördern.
Hierfür mobilisieren sie Fördermittel und kooperieren mit privaten Unternehmern sowie mit öffentlichen Einrichtungen.
Nadia Rozendaal von der International AIDS Vaccine Initiative (IAVI), einer der ersten international gegründeten PDPs, betonte, ein globales Problem brauche eine globale Lösung. Daher gelte es, im Kampf gegen vernachlässigte Krankheiten zwischen den verschiedenen internationalen Akteuren auf allen Ebenen die Kräfte zu bündeln.
In diesem Zusammenhang begrüßte Rozendaal den Beschluss des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), erstmalig die Förderung von PDPs in sein neues Förderkonzept zur Forschung von vernachlässigten und armutsbedingten Krankheiten aufzunehmen.
Gleichzeitig appellierte sie an die Bundesregierung, eine zweite Ausschreibung, die auch Aids- und Tuberkulose-Forschungsunterstützung beinhaltet, zu realisieren und die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen.
Ellen ´t Hoen vom Medicine Patent Pool betonte, dass es gerade für HIV-infizierte Kinder an Medikamenten fehle, da es diese Fälle in den Industriestaaten kaum gebe.
Daher sei Aids unter diesem Blickwinkel ebenfalls eine vernachlässigte Krankheit. 't Hoen appellierte daher an Deutschland, mehr in Innovationen gegen diese Krankheiten zu investieren.
Oliver Moldenhauer von Ärzte ohne Grenzen bemängelte ebenfalls, dass die Tuberkulosebekämpfung noch nicht in die Förderung des Forschungsministeriums aufgenommen worden sei und hob insbesondere die Probleme in der Diagnostik hervor.
Insbesondere in ländlichen Regionen der ärmeren Länder fehle es an einfacher Technologie, die zeitnahe Diagnosen erstelle. Der Grund hierfür sei, dass die finanziellen Anreize für Unternehmen eher im Bereich der High-Tech-Lösungen bestünden.
Daher schlug Moldenhauer die Ausschreibung einer Prämie vor, die Unternehmen für die erfolgreiche Präsentation von entsprechenden Lösungen belohne. Immerhin sei Tuberkulose die häufigste Todesursache für HIV-Infizierte in der Dritten Welt, so Moldenhauer.
Dr. Christian Wagner-Ahlfs von der BUKO Pharma-Kampagne sagte, es sei bisher nicht verbindlich geregelt, Forschungsergebnisse möglichst vielen zugänglich zu machen. Dies fehle in der Verwertungsinitiative des Forschungsministeriums aus dem Jahr 2001.
Eine Umfrage unter 40 Patentverwertungsagenturen öffentlicher Forschungseinrichtungen, ob diese Erfindungen zur Lizenzierung anbieten, die für Entwicklungsländer von Bedeutung sein könnten, habe ergeben, dass dies durchaus der Fall sei. Aber: Stets stand dabei die ökonomische Gewichtung im Vordergrund.
Daher habe keine Agentur einen Vertrag mit einem Unternehmen geschlossen, das die Versorgung von Entwicklungsländern berücksichtige, erklärte Wagner-Ahlfs und forderte daher von der Politik, den Handlungsauftrag für die Verwertungsagenturen zu ändern und ihnen "mehr Spielraum zu gewähren“.
Harald Zimmer vom Verband der Forschenden Arzneimittelunternehmen (VFA) wandte sich gegen Behauptungen, dass beispielsweise Präparate für HIV-infizierte Kinder nicht entwickelt würden. Es bleibe festzuhalten, dass "die Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen für HIV, Tuberkulose und Malaria bereits einen erheblichen Umfang erreicht haben“.
Allerdings befänden sich viele dieser Projekte noch im Frühstadium. Die zentrale Herausforderung bestehe darin, alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen. Dabei sei die Förderung von PDPs ein wichtiger Schritt.
Karin Roth (SPD) sah dies genauso. "Es war höchste Zeit, in Deutschland eine Struktur für PDPs einzuführen. Es war schon fünf nach zwölf“, sagte sie.
Dennoch gebe es einen Teufelskreis, der im System selbst begründet sei und die Frage aufwerfe: "Wie bekommen wir Dynamik in das System, solange die Verkaufserlöse durch Medikamente gegen vernachlässigte Krankheiten nicht den Ausgaben der Unternehmen für Forschung und Entwicklung entsprechen?“
Helga Daub (FDP) sprach sich dafür aus, bei der Betrachtung der einzelnen Länder zu differenzieren, da die Situationen in den ärmeren Ländern stark variierten.
So komme es in den Schwellenländern darauf an, ein funktionierendes Krankenversicherungssystem aufzubauen, in ärmeren Ländern stünde dagegen vor allem die Versorgung mit den wichtigsten Medikamenten im Vordergrund.
Niema Movassat von der Linksfraktion sprach sich generell für mehr Geld für die öffentliche Forschung aus.
"Deutschland ist hier nicht gerade Spitze und hat deutlichen Nachholbedarf“, kritisierte Movassat.
Sabine Weiss (CDU/CSU) sagte demgegenüber, mehr Geld wäre sicher erforderlich. Dies reiche aber nicht als Alleinstellungsmerkmal. Sie sei schon des Öfteren aus ergiebigen Anhörungen gegangen und in der Praxis sei dann anschließend "nicht wirklich etwas passiert“.
Die Frage sei daher, ob es endlich gelinge, eine übergreifende Arbeitsgemeinschaft mit Akteuren aus allen Ebenen hinzubekommen. (jmb)