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In Deutschland herrscht derzeit kein flächendeckender Fachkräfte- mangel, dennoch besteht aufgrund der angespannten Situation in einigen Regionen und Berufsfeldern Handlungsbedarf. Darin herrschte bei den Sachverständigen der öffentlichen Anhörung zum Fachkräftemangel im Ausschuss für Arbeit und Soziales am Montag, 21. Februar 2011, weitgehend Einigkeit. Wie sich die Lage in Zukunft entwickeln wird, ist laut der Experten schwierig einzuschätzen. Es müsse jedoch schon jetzt verstärkt um Frauen, Ältere und Menschen mit Migrationshintergrund als Arbeitnehmer geworben werden. Gegenstand der Anhörung waren je ein Antrag der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen (17/3198) und Die Linke (17/4615).
Besonders bei den Ingenieursberufen sowie im Gesundheitsbereich hätten Betriebe bereits Besetzungsprobleme, erklärte Ulrich Walwei vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Zudem verließen schon heute etwas mehr Hochschulabsolventen Deutschland, als aus anderen Ländern einwanderten. Die Abwanderung sei „permanent, temporär oder konzernintern“, sagte Walwei. Als Gründe nannte er unter anderem bessere Arbeitsbedingungen, Aufstiegschancen oder persönliche Gründe.
Zu- und Abwanderung seien ein „globales Phänomen“, sagte Achim Dercks vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. „Wir müssen unsere Grenzen öffnen“, betonte er. Sonst verliere Deutschland den Wettbewerb um qualifizierte Arbeitnehmer.
„Bei uns ist das Thema Fachkräftemangel schon jetzt aktuell“, sagte Prof. Friedrich Hubert Esser vom Zentralverband des Deutschen Handwerks. Das Problem komme besonders in den Bereichen auf, in denen die Qualifikationsansprüche stiegen.
Als Beispiel nannte Esser die Berufe der Elektrotechniker und Kfz-Handwerker. Während dort früher Hauptschüler gesucht worden seien, seien heute Absolventen mit höherem Schulabschluss gefragt. Diese haben laut Esser jedoch „immer weniger Interesse“ an derartigen Tätigkeiten.
16 Prozent der Erwerbstätigen seien dauerhaft ohne Ausbildung, sagte Johannes Jakob vom Deutschen Gewerkschaftsbund. „Das System grenzt offensichtlich eine große Gruppe aus.“ Zudem seien Teilzeitmodelle ein großes Problem, auch hätten Flexibilisierung, Leiharbeit und befristete Beschäftigung die „Dequalifizierung“ vorangetrieben. Außerdem müssten die Minijobs abgeschafft werden, sagte Jakob. „Das sind wir uns ausnahmsweise mal mit fast allen Ökonomen einig.“
Eine Neubewertung des Alters sei die „zentrale Herausforderung in der Arbeitsmarktpolitik“ in den kommenden 20 Jahren, sagte der Einzelsachverständige Jürgen Pfister. „Wir haben die Menschen zu lange in Frührente geschickt.“
Der Altersforscher Prof. Andreas Kruse sprach er sich für eine „lebenszyklusorientierte Personalpolitik“ aus, die unter anderem Qualifizierungs und Gesundheitsförderungsprogramme enthalten soll. Zudem dürfe die Weiterbildung „nicht einfach irgendwann stehen bleiben“, Wissen müsse auch im Alter systematisch erweitert werden.
Im Gesundheitsmanagement müssten Risiken chronischer Erkrankungen, etwa durch einseitige Arbeitsabläufe, gemindert werden.
Frauen seien auf dem Arbeitsmarkt noch immer benachteiligt, sagte die Einzelsachverständige Claudia Weinkopf. So gebe es im internationalen Vergleich eine „beispiellose Benachteiligung“ bei der Entlohnung, Frauen würden häufiger in Teilzeit oder Minijobs gedrängt und hätten es schwerer, in Führungspositionen zu kommen.
„Wir brauchen die Frauenquote, um den gut ausgebildeten Frauen den Einstieg zu ermöglichen“, sagte Weinkopf. (tyh)