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In einer hitzigen Debatte haben Regierungs- und Oppositionsfraktionen am Donnerstag, 10. Februar 2011, im Bundestag über die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes gestritten. Die Fraktionen von SPD und Bündnis90/Die Grünen befürchten mit Umsetzung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU zum 1. Mai 2011 noch mehr Druck auf Niedriglöhne. “Es ist Zeit zum Handeln”, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil in der rund 90-minütigen Debatte. Es gehe um Anstand, Leistungsgerechtigkeit und einen fairen Wettbewerb zwischen den Unternehmen.
Redner von CDU/CSU und FDP blieben bei ihrer ablehnenden Haltung in Bezug auf eine festgelegte Lohngrenze. "Die Regierungsfraktionen sind der Auffassung, dass ein gesetzlicher Mindestlohn die Situation auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert“, sagte der CSU-Arbeitsmarktexperte Paul Lehrieder.
In eigenen Anträgen verweisen SPD (17/4665) und Bündnis90/Die Grünen (17/4435) darauf, dass es in 20 europäischen Ländern einen gesetzlichen Mindestlohn und in sechs anderen Ländern Mindestlohnregelungen gebe. "Nur Beschäftigte in Deutschland werden bislang nicht flächendeckend durch eine Lohnuntergrenze vor Sozialdumping geschützt“, schreiben die Bündnisgrünen.
Gleichzeitig zähle Deutschland zu den europäischen Ländern mit dem höchsten Anteil an Niedriglohnbeschäftigung. Über fünf Millionen Menschen arbeiteten für weniger als acht Euro pro Stunde, mindestens 1,2 Millionen für weniger als fünf Euro pro Stunde. Weit über eine Million Menschen müssten ihr Einkommen durch staatliche Leistungen aufstocken. Die SPD schlägt einen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto vor. Die Grünen plädieren für mindestens 7,50 Euro pro Stunde.
Es seien die Steuerzahler, die dafür sorgen, dass Armutslöhne aufgestockt werden, sagte Heil. "Das ist nicht nur unwürdig, es ist ökonomischer Unsinn.“ Ein Stück aus dem Tollhaus nannte er es, dass die Regierungskoalition nicht bereit sei, etwas im Bereich Leih- und Zeitarbeit zu machen.
"Wir wollen den Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit durchsetzen“, sagte Heil. CDU/CSU und FDP hielt er vor, aus "Unwilligkeit und Unfähigkeit“ die Verhandlungen über eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze scheitern haben zu lassen. Er betonte, dass die SPD nach wie vor auf begleitender Schulsozialarbeit im Bildungspaket bestehe. “Wir wollen eine Lösung im Streit von Hartz IV“, versicherte Heil, der auch Mitglied der Verhandlungskommission ist.
Auch die arbeitsmarktpolitische Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen, Brigitte Pothmer, sagte: "Die Zeit des Mindestlohns ist längst gekommen.“ Mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit drohe weitere Niedriglohnkonkurrenz. "Deshalb bauchen wir einen weiteren ordnungspolitischen Rahmen.“
Pothmer verwies auf die hohe Akzeptanz eines gesetzlichen Mindestlohnes in der Bevölkerung. Auch die Führungskräfte in Deutschland wollten eine gesetzliche Lohnuntergrenze, sagte sie. In ihrem Gesetzentwurf plädieren die Grünen für eine Mindestlohnkommission zur Festlegung einer Lohnuntergrenze, die einen Stundenlohn von 7,50 Euro nicht unterschreiten dürfe.
"Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz wird für alle Branchen geöffnet, um auch Mindestlöhne deutlich oberhalb der gesetzlichen Lohnuntergrenze zu ermöglichen“, heißt es in dem Antrag weiter.
Der Arbeitsmarktexperte der FDP-Fraktion, Pascal Kober, verwies auf die seiner Meinung nach existierenden Ungereimtheiten in den von SPD und Grünen vorgelegten Gesetzentwürfen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Mindestlohnkommission nicht entscheiden dürfe, wie hoch der Ausgangs-Mindestlohn ist, monierte Kober.
"Sie misstrauen Ihrer eigenen Kommission“, sagte er an die Adresse der Opposition. Die Aufstockung von Niedriglöhnen verteidigte Kober als ersten Schritt zurück ins Erwerbsleben aus der Arbeitslosigkeit.
"Man erkennt, hier soll Wahlkampf geführt werden“, sagte der CDU-Arbeitsmarktexperte Dr. Johann Wadephul. Er verwies auf den Wirtschaftsaufschwung als Ergebnis einer ausgewogenen Politik und kritisierte einen "Überbietungswettbewerb“ über die Mindestlohn-Höhe.
Der CSU-Abgeordnete Lehrieder betonte, dass mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit etwas gegen Billiglöhne aus dem Ausland getan werden müsse. Er zeigte sich zuversichtlich, dass im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat doch noch ein Kompromiss in der Zeit- und Leiharbeit gefunden werde.
Für die Fraktion Die Linke verteidigte der Parteivorsitzende Klaus Ernst die Forderung nach Einführung eines Mindestlohnes in Höhe von zehn Euro. "Für die Armut in Deutschland ist diese Regierung mitverantwortlich“, sagte er. Kinderarmut sei immer Armut der Eltern, weil diese Armutslöhne bekämen.
Der SPD hielt er vor, dass jeder Stundenlohn unter 9,46 Euro bei 45 Versicherungsjahren zur Grundsicherung im Alter führe, weil die Rente zu niedrig sei. (sn)