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Im zweiten Teil seiner Zeugenvernehmung hat der langjährige CDU-Bundestags- abgeordnete und Kommunalpolitiker Kurt-Dieter Grill am Donnerstag, 24. Februar 2011, Vermutungen zurückgewiesen, in den siebziger Jahren Gorleben als möglichen Standort für ein Endlager radioaktiven Mülls ins Gespräch gebracht zu haben. "Ich verwahre mich dagegen, zum Erfinder von Gorleben gemacht zu werden“, sagte Grill im zweiten Teil seiner Zeugenvernehmung durch den Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestages unter Vorsitz von Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU).
Bei Gesprächen mit dem Leiter der Interministeriellen Arbeitsgruppe Entsorgungszentrum (IMAK), Klaus Stuhr, habe er sich lediglich generell für Themen der Endlagerung interessiert. "Ich habe mich seit 1969 mit Umweltpolitik beschäftigt.“
Dass Gorleben Ende 1976 erstmals als möglicher Standort genannt worden sei, habe einer Planung unterlegen, "für die ich nicht verantwortlich war“. Sylvia Kotting-Uhl, Obfrau von Bündnis 90/Die Grünen im Ausschuss, hatte Grill Passagen aus der Dissertation des Historikers Anselm Tiggemann vorgehalten, wonach Stuhr dem Verfasser mit Blick auf Grill gesagt habe, Kommunalpolitiker hätten ihm unablässig "im Genick gesessen".
Der Gorleben-Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, ob es bei der Entscheidung der Bundesregierung im Jahr 1983, sich bei der Suche nach einem Endlager für radioaktiven Müll auf Gorleben zu beschränken, zu politischen Einflussnahmen auf Wissenschaftler und zu Manipulationen gekommen ist. Ebenso prüft der Ausschuss die Umstände der Entscheidung in Hannover in den siebziger Jahren, Gorleben vorzuschlagen.
Grill wurde auch ein Schreiben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) an das Bundesumweltministerium vorgehalten, in dem die Behörde von einem Gespräch mit Grill am 2. Februar 1988 geschrieben habe. Hintergrund war ein Schachtunfall in Gorleben gewesen - mit einem Toten und sechs Verletzten.
Für eine anschließende Anhörung im Umweltausschuss des niedersächsischen Landtags hatte die SPD-Landtagsfraktion einen Fragenkatalog entworfen. SPD-Obfrau Ute Vogt wollte von Grill wissen, warum er den Fragenkatalog der PTB vorgelegt habe und nach Aussagen des PTB-Mitarbeiters Henning Rösel im erwähnten Schreiben eine restriktive Haltung bezüglich der Herausgabe von Akten empfohlen habe.
"Das ist eine Bewertung von Herrn Rösel“, erwiderte Grill vor dem Aausschuss. Zu den angeforderten Akten sagte er: "Ging es um eine Anhörung oder um einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss?“ Auch habe es keinerlei Beschwerden von Seiten der SPD-Landtagsfraktion gegeben.
Grünen-Obfrau Kotting-Uhl hielt Grill vor, er habe der PTB eine Frist von sechs Tagen zur Entscheidung gesetzt, welche Akten der SPD-Landtagsfraktion freiwillig übergeben werden sollten. "Ich weise diese Interpretation aufs Schärfste zurück“, antwortete Grill. "Ich habe nichts verhindert.“
Fragen nach einer Mitgliedschaft im Deutschen Atomforum oder einer Mitgliedschaft in dessen Verwaltungsrat beantwortete Grill abschlägig. Zu entsprechenden Schriftstücken von den Christlichen Demokraten gegen Atomkraft (CDAK) bis hin zu einem Jahresbericht und einem Mitgliederverzeichnis des Atomforums sagte Grill: "Das sind Fehlinformationen.“
Im ersten Teil seiner Befragung hatte der langjährige Kommunalpolitiker aus der Region Lüchow-Dannenberg mehrmals darauf verwiesen, das Projekt eines nuklearen Entsorgungszentrums samt Endlager in den siebziger Jahren sei keines der niedersächsischen Landesregierung unter Ernst Albrecht (CDU) gewesen, sondern ein Ziehkind der sozialliberalen Bundesregierung.
"Die Bundesregierung wollte eine Standortentscheidung, während das Land Niedersachsen erst Prüfungen abschließen wollte.“ Standpunkt des Kabinetts Albrecht sei gewesen, vor dem Beginn einer konkreten Suche strittige Fragen zu klären.
Über das Gespräch dreier Bundesminister bei der 1976 neu gewählten niedersächsischen Landesregierung sei es, so erzählte Grill, "beinahe zum Eklat und Rauswurf der Bundesminister“ gekommen. Hintergrund sei die Forderung aus Bonn gewesen, eine Zusage des früheren SPD-Ministerpräsidenten Alfred Kubel einzuhalten, einen Standort als Kandidat für ein Endlager zu benennen - und dies binnen zwei Wochen.
Grill sagte, schon 1976 habe es in Niedersachsen Erkundungen gegeben. "Aber den Leute wurde gesagt, man suche nach Gas.“
Grill stand auch bis 1991 der Gorleben-Kommission vor. Dieses Gremium sollte Fragen der Endlagererkundung in Gorleben kritisch begleiten. Zur Gründung im Jahr 1977 sei es gekommen, sagte Grill, weil Lokalpolitiker in Lüchow-Dannenberg sich nicht gut genug eingebunden gefühlt hätten.
Die Endlager-Kritiker Marianne Fritzen von der Bürgerinitiative und Graf von Bernstorff seien zu mehreren Gesprächen mit Ministerpräsident Ernst Albrecht geladen worden - die Kommunalpolitiker dagegen nicht. "Sie hatten den Eindruck, sie stehen daneben.“
Grill bezeichnete die Gorleben-Kommission als die offenste Einrichtung, die es zu dem Thema gegeben habe. "Jeder konnte dort vortragen, wir waren kein closed shop“, sagte er mit Blick auf die Gespräche zwischen Fritzen und von Bernstorff mit Albrecht.
Die Kommission sei 1991 aufgelöst worden, um Informationen nicht mehr laufen zu lassen, sagte Grill. "Denn Informationen schaffen Akzeptanz, und das wollte man nicht.“
Zur Frage, warum der Norddeutsche Rundfunkt (NDR) sich die Teilnahme an den Kommissionssitzungen gerichtlich erstreiten musste, sagte Grill: "Eine Aufnahme des NDR hätte bedeutet, auch andere überregionale Medien zuzulassen. Wir waren aber für die Information der Bürger unseres Landkreises zuständig, nicht für ganz Deutschland.“ So sei ein Vertreter der lokalen Elbe-Jeetzel-Zeitung bei den Sitzungen dabei gewesen.
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg hatte in den vergangenen Jahrzehnten von Fördergeldern im Rahmen der Endlagersuche profitiert. Dazu erklärte Grill, die Idee dieses Lastenausgleichs sei nicht vor der eines nuklearen Entsorgungszentrums geboren worden.
Nach neun Stunden unterbrach der Ausschuss die Zeugenbefragung. Kurt-Dieter Grill wird zur Fortsetzung der Zeugenvernehmung noch ein weiteres Mal vor den Gorleben-Untersuchungsausschuss treten. (jr)