Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2011 > Jahresbericht Wehrbeauftragter 2010
In der Debatte um den Jahresbericht 2010 des Wehrbeauftragten (17/4400) am Donnerstag, 24. Februar 2011, hat Hellmut Königshaus auf Mängel und Missstände in der Bundeswehr hingewiesen. In Bezug auf die Vorfälle auf dem Ausbildungsschiff Gorch Fock kritisierte der Wehrbeauftragte, dass manche seine Einlassungen als "Angriff auf die Traditionen der Marine“ gewertet hätten. Tradition finde "dort ihre Grenzen, wo die Rechte von Soldatinnen und Soldaten“ verletzt würden, sagte Königshaus. Grundgesetz und die Prinzipien der Inneren Führung würden durch Traditionen jedoch nicht begrenzt, betonte der frühere FDP-Abgeordnete. Er wandte sich gegen Vorwürfe, dass seiner Kritik an der Bundeswehr eine parteipolitische Strategie zugrunde liege.
In seiner Rede ging der Wehrbeauftragte vor allem auf Mängel in der Kinderbetreuung und beim Sanitätsdienst in der Bundeswehr ein. Obwohl beim Letzteren Verbesserungen "unverkennbar“ seien, sei der Mangel an Ärzten und Pflegepersonal immer noch nicht behoben worden.
Hellmut Königshaus drückte den Angehörigen des Anschlages in der afghanischen Provinz Baghlan sein Beileid aus und wünschte den Verwundeten baldige Genesung. Die Abgeordneten aller Fraktionen und der Bundesverteidigungsminister taten es ihm während der Debatte gleich. Am vergangenen Freitag, 18. Februar, wurden drei Bundeswehrsoldaten getötet und mehrere verletzt, als ein afghanischer Soldat das Feuer auf sie eröffnete.
CDU-Verteidigungspolitikerin Anita Schäfer kritisierte in ihrer Rede den öffentlichen Umgang mit den jüngsten Vorfällen in der Bundeswehr: Im Zusammenhang mit der Gorch-Fock-Affäre hätte sie sich beispielsweise gewünscht, dass nicht das ganze Land über das Körpergewicht der verunglückten Kadettin spekuliert. Sie mahnte Politiker und Presse zu mehr Geduld bei der Untersuchung der Fälle und zum Verzicht auf Vorverurteilungen.
Zum Wehrbeauftragten sagte sie, sie hätte sich als Parlamentarierin in manchen Fällen eine "frühere Einbindung ohne Umwege über die Presse“ gewünscht. Schäfer lobte Verbesserungen bei der Ausstattung bei der Bundeswehr wie 200 weitere Eltern-Kind-Arbeitszimmer, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stärken sollen.
Eine familienfreundlichere Bundeswehr könnte bei der Berufswahl für jüngere Leute ein "wichtiges Argument“ für die Bundeswehr sein, betonte SPD-Verteidigungspolitikerin Karin Evers-Mayer. Sie kritisierte, dass die Bundeswehr bislang nur einen einzigen Betriebskindergarten unterhalte, undzwar beim Verteidigungsministerium in Bonn.
Die bisherige Devise der Bundeswehr, dass Kinderbetreuung kein zusätzliches Geld kosten dürfe, müsse sich ändern, damit die Armee als Arbeitgeberin attraktiv werde, sagte die SPD-Abgeordnete. Nach dem Ende der Wehrpflicht müsse die Bundeswehr jedes Jahr 17.000 Zeit- und Berufssoldaten gewinnen, um ihre Stärke von 180.000 aufrechtzuerhalten, rechnete Evers-Mayer vor.
Der FDP-Verteidigungsexperter Christoph Schnurr schlug vor, auch die Kinderbetreuung an den Hochschulen der Bundeswehr zu verbessern. Nur mit einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ließe sich die erwünschte Steigerung des Frauenanteils in der Bundeswehr von aktuell 9 auf 15 Prozent verwirklichen, sagte Schnurr.
Der FDP-Abgeordnete hob positiv hervor, dass der Jahresbericht 2010 „zeitnah“ im Bundestag beraten werde und forderte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg auf, bald zu den Kritikpunkten des Berichtes Stellung zu nehmen. Der Jahresbericht 2009 des Wehrbeauftragten war erst im Dezember 2010 im Parlament beraten worden.
Linken-Verteidigungspolitikerin Inge Höger kritisierte die Informationspolitik des Verteidigungsministers in Bezug auf die Vorfälle der letzten Zeit. Dadurch sei eine "wirksame parlamentarische Kontrolle der Armee kaum möglich“. Im Gegensatz dazu lobte sie die Arbeit von Hellmut Königshaus. Grundsätzliche Kritik übte Höger an der Bundeswehr:
Im Zusammenhang beispielsweise um die Vorfälle auf der Gorch Fock zeige sich die Armee "nicht als Spiegel, sondern als Zerrbild der Gesellschaft“. Das mache die Vorstellung einer Bundesrepublik ohne Bundeswehr "attraktiv“. Angesichts der Toten und Verletzten forderte die Linken-Abgeordnete, die "deutsche Kriegsbeteiligung“ in Afghanistan "so schnell wie möglich“ zu beenden.
Der Wehrbeauftragte mache seine Arbeit "nicht immer ruhiger“, doch "es eint uns das Ziel“, sagte Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) über Hellmut Königshaus. Der Jahresbericht biete die Möglichkeit, Mängel zu erkennen und Abhilfe zu schaffen. Die Anregungen des Wehrbeauftragten würden bei der Neuausrichtung der Bundeswehr "in die Überlegungen einfließen“, sagte er.
Grünen-Verteidigungspolitiker Omid Nouripour führte hingegen an, dass der zu Guttenberg den Wehrbeauftragten laut einem Pressebericht kürzlich als "wandelnde Defizitanalyse“ bezeichnet habe. Die Aufgabe des Verteidigungsministers sei es nicht, "einen bequemen Job zu machen“, er dürfe Königshaus nicht als "Klotz am Bein“ sehen, mahnte der Grünen-Abgeordnete.
Er schlug dem Wehrbeauftragten vor, in seinem nächsten Bericht die Situation von Menschen mit Migrationshintergrund in der Bundeswehr zu beleuchten. Er begrüßte den Vorschlag, auch in Deutschland lebende Menschen ohne Pass für die Bundeswehr anzuwerben. Dem Minister warf er "Loyalitätsparanoia“ vor, wenn er diesen Vorschlag ablehne. Es gehe um "Kinder dieses Landes“, nicht um fremde Söldner. (ktk)