Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2011 > Grünen gegen Massentierhaltung im Außenbereich
Bündnis 90/Die Grünen halten den Bau von riesigen Anlagen zur industriellen Massentierhaltung für eine "Fehlentwicklung“ und für nicht zukunftsfähig. Mit einem Gesetzentwurf (17/1582) zur Veränderung des Baurechts, der den Bau dieser Anlagen erschweren sollte, konnte sich die Fraktion aber am Donnerstag, 24. Februar 2011, im Bundestag nicht durchsetzen. Bei der namentlichen Abstimmung stimmten 291 Abgeordnete gegen das Gesetz, 65 dafür, 178 Abgeordnete enthielten sich. Die Grünen hatten gefordert, dass im Baugesetz klargestellt werde, "dass die industrielle Massentierhaltung nicht zu den im Außenbereich privilegierten Vorhaben“ gehöre.
Der Außenbereich sei vor Zersiedlung durch das Baurecht geschützt, der Ausnahmetatbestand zur gewerblichen Tierhaltung habe aber zu gravierenden Fehlentwicklungen geführt, sagte Friedrich Ostendorff, Obmann der Grünen im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Massentierhaltung habe "nichts mit Bauernhöfen zu tun“ und dürfe im Außenbereich nicht genehmigungsfähig sein; Tierhaltung müsse an die Fläche des Bauernhofs gebunden sein. Die Ställe seien eine "erhebliche Belastung“ für Natur und Menschen und beeinträchtigten die Lebensqualität und Gesundheit der Anwohne rund Nachbarn.
Die Kommunen seien "absolut machtlos“; die Investoren hätten die Planungshoheit. Man sei in der Sache nicht weit auseinander, stellte Ostendorff fest und forderte die Fraktionen des Bundestags zu einem gemeinsamen Vorgehen auf. Durch eine kleine Weiterentwicklung des Baugesetzbuches werde eine "wichtige Weichenstellung für den ländlichen Raum“ vorgenommen.
Der kommunalpolitische Sprecher der Union, Peter Götz, stellte fest, dass sich das geltende Bau- und Planungsrecht bewährt habe. Daher seien bei seiner anstehenden Novelle große Veränderungen nicht zu erwarten. Götz warf den Grünen vor, mit vielen Einzelanträgen zum Baurecht, die "kleckerweise“ auf die Tagesordnung gehoben würden, "puren Aktionismus“ zu betreiben, und rief sie dazu auf, sich konstruktiv an der Reform des Baugesetzbuches und der Baunutzungsverordnung zu beteiligen.
Götz räumte ein, dass "Anlagen der Intensivtierhaltung“ zu "Nutzungskonflikten“ in den Gemeinden führen. Seiner Ansicht nach aber haben die Gemeinden nach geltender Rechtslage ausreichend baurechtliche Steuerungsinstrumente, um diese Konflikte zu regeln.
Petra Müller, Sprecherin für Stadtentwicklung der FDP-Bundestagsfraktion, warf Bündnis 90/Die Grünen vor, eine „krasse Grenze“ zwischen traditioneller Landwirtschaft und moderner intensiver Tierhaltung zu konstruieren. Die Liberalen stünden „zu jedem Arbeitsplatz in diesem Berufszweig“, während die Grünen die Abschaffung der Intensivtierhaltung „durch die Hintertür“ anstrebe.
Aus Sicht der Stadtplanung seien Eingriffe in das Genehmigungsverfahren nicht nötig; die Gemeinden hätten genügend Möglichkeiten der Steuerung. Man könne den Tierschutz nicht über das Baurecht steuern.
Der SPD-Bauexperte Hans-Joachim Hacker sagte, die Bundespolitik dürfe nicht wegschauen, wenn es um die Tierhaltung gehe – dass sich die Zahl der Vegetarier in den vergangenen beiden Jahrzehnten vervielfacht habe, liege nicht zuletzt an dem Wissen der Verbraucher um die Bedingungen der Tierhaltung, die zum Teil "schockierend“ seien. Baurechtliche Lösungen allein reichten jedoch nicht; die Anlagen müssten kontrolliert und besser überwacht werden. Hacker forderte die Einführung eines Tierschutz-TÜV.
Der Entwurf der Grünen greife die Problematik der Massentierhaltung "zu einseitig“ auf und thematisiere Fragen des Tierschutzes und der Hygiene nicht. Dies "greift zu kurz“. Zudem enthalte der Entwurf "juristische Unschärfen“. Die SPD enthalte sich daher – das Thema sei damit jedoch "längst nicht beendet“ und werde von der Fraktion weiter verfolgt.
Für die Fraktion Die Linke sagte ihr Sprecher für den ländlichen Raum und Tierschutzbeauftragte Alexander Süßmair, er teile die Intention der Grünen, die Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe über das Baurecht einzuschränken. Der Antrag drücke sich aber um die Definition der Massentierhaltung.
Eine Einschränkung der Massentierhaltung könne nicht über das Baurecht erfolgen, sondern werde vor allem über rechtliche Regelungen im Bereich des Immissionsschutzes erreicht. Die industrielle Tierhaltung sei Ergebnis eines "marktradikalen Denkens“, bei die Kosten zu Lasten der Tiere, Menschen und Umwelt gedrückt würden. (suk)