Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2011 > Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Die menschenrechtliche Verantwortung internationaler Unternehmen war Thema einer öffentlichen Expertenanhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Mittwoch, 6. April 2011. In der Anhörung unter Vorsitz von Tom Koenigs (Bündnis 90/Die Grünen) informierten sechs Fachleute die Abgeordneten unter anderem über Risiken für international agierende Unternehmen, Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Beleuchtet wurde auch die Verantwortung der Bundesregierung in Fällen der Außenwirtschaftsförderung sowie eine angemessenen Balance zwischen Regulierungsversuchen (Compliance-Misstrauensmanagement) und unternehmerischen Selbstverpflichtungen (Integrität, Vertrauensmanagement).
Brigitte Hamm vom Institut für Frieden und Entwicklung der Universität Duisburg-Essen führte aus, dass bei über 80.000 internationalen Unternehmen, das Thema immer wichtiger werde. Sie sagte, dass die meisten Skandale und Probleme im ersten Glied der Kette auftreten würden.
Die Wissenschaftlerin mahnte, dass Unternehmen bereits im Ansatz ihre Verantwortung in Menschenrechtsfragen wahrnehmen müssten, so zum Beispiel mit der Überprüfung ihrer Einkaufspraxis im Ausland.
In ihrer Stellungnahme bezog sie sich, wie auch die anderen Experten, auf den UN-Sonderbeauftragten für Wirtschaft und Menschenrechte, John Ruggie, dessen Rahmenwerk auf drei Säulen basiert: der staatlichen Schutzpflicht, der menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen und dem Zugang zu Rechtsmitteln und Wiedergutmachung.
Albert Löhr (Internationales Hochschulinstitut Zittau) plädierte für eine angemessene Balance zwischen Regulierungsversuchen und unternehmerischer Selbstverpflichtungen. Für ihn ging es auch darum, positive Ansätze und Beispiele zu unterstützen und nicht nur Abweichungen bei der Umsetzung von Menschenrechten oder Arbeitsstandards zu bestrafen.
Miriam Saage-Maaß, Programmdirektorin Wirtschaft und Menschenrechte beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), führte aus, in welcher Form typischerweise Unternehmen Menschenrechte verletzen können. Zu diesen Risikolagen gehörten die mögliche Teilnahme an internationalen Straftaten wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Folter oder sonstiges staatliches Unrecht.
Es könne zur Verletzung internationaler Kernarbeitsnormen (zum Beispiel Verbot der Zwangsarbeit oder Kinderarbeit, Diskriminierungsverbot) oder anderer grundlegender Sozialstandards kommen sowie zu der möglichen Verletzung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte (insbesondere das Recht auf Wasser, Nahrung, angemessenes Wohnen).
Katharina Spiess (Amnesty International) sprach die Verantwortung der Bundesregierung an. Diese müsse sicherstellen, dass bei Investitionen im Ausland und in Fällen der Außenwirtschaftsförderung menschenrechtliche Aspekte berücksichtigt werden. Opfer von Menschenrechtsverletzungen deutscher Unternehmen könnten bisher kaum an Informationen gelangen, um ihr Recht einklagen zu können, sagte Spiess.
Sie mahnte, dass eine Möglichkeit geschaffen werden müsse, diesen Menschen den Zugang zu deutschen Gerichten zu verschaffen. Ebenso forderte sie, jedes Unternehmen müsse sicherstellen, dass es seiner menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommt.
Der Ausschuss hatte auch zwei Mitarbeiter von international agierenden Unternehmen geladen: Michael Inacker (Metro Group) und Norbert Otten (Daimler AG).
Inacker führte aus, dass sein Arbeitgeber Anfang des Jahres dem UN Global Compact beigetreten sei, dem Netzwerk der Vereinten Nationen für unternehmerische Verantwortung. ”Unternehmen können zwar nicht direkt die politischen Rahmenbedingungen für Freiheit und Demokratie schaffen. Wir können aber mit unserer internationalen Präsenz die Grundlagen von politischer Partizipation und Teilhabe an Wohlstand legen“, sagte er. ”Westliche Werte, Lebensweisen und die mit ihnen verbundenen Produkte sind gefragte Güter in der heutigen Welt."
Norbert Otten betonte: ”Wir erwarten von unseren Zulieferern, dass sie die Standards auch in ihrer eigenen Wertschöpfungs- und Lieferkette sicherstellen.“ Doch er sagte auch: ”Klar muss jedoch sein: Wir lassen uns nicht für Missstände verantwortlich machen, die wir nicht beeinflussen können.“
Explizit sprach Otten von ”politischen und grundlegenden Konflikten". Er sprach sich gegen die Verknüpfung der Menschenrechtsthematik mit Handelsabkommen aus. (ah)