Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2011 > Aktuelle Stunde: Klonfleisch
Nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen EU-Parlament, Europäischer Kommission und den Mitgliedstaaten über ein Verbot von Fleisch und Milchprodukten geklonter Tiere streitet nun der Bundestag über die Konsequenzen. In einer am Mittwoch, 6. April 2011, auf Verlangen der SPD-Fraktion anberaumten Aktuellen Stunde war es insbesondere die ablehnende Haltung von Bundeswirtschafts- minister Rainer Brüderle (FDP) gegenüber einem Klonfleisch-Verbot, die für Ärger sorgte. Die Opposition hielt der Bundesregierung vor, die Interessen der deutschen Verbraucher denen der US-amerikanischen Lebensmittelkonzerne untergeordnet zu haben und forderte den Rücktritt des Wirtschaftsministers. Die Koalition warf wiederum der Opposition vor, es gehe ihr nicht um das Klonfleisch, sondern darum, Mitglieder der Bundesregierung in Misskredit zu bringen.
Ulrich Kelber, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, hatte eingangs scharf verurteilt, dass die seit drei Jahren auf europäischer Ebene geführten Verhandlungen über ein Klonfleisch-Verbot nun an der Stimmabgabe der Bundesregierung gescheitert seien. Dies führe zu einer Situation, dass die Verbraucher in Deutschland nicht wissen könnten, ob sie "Klonfleisch auf ihrem Teller haben“. Darauf hätten sie aber ein Recht, bekräftigte Kelber.
Gegen das Klonen sprächen gute Gründe: "Es ist Tierquälerei, weil geklonte Tiere meist sehr früh an schmerzhaften Krankheiten und Defekten sterben. Außerdem reduziert Klonen die genetische Vielfalt.“ Ferner sei nicht klar, ob der Verzehr von Produkten, die von geklonten Tieren oder ihrer Nachfahren stammten, nicht doch den Menschen schaden könne.
"„Wirtschaftsminister Brüderle hat mit seiner ablehnenden Haltung nicht nur den deutschen Verbraucherinteressen geschadet, sondern auch den deutschen Wirtschaftsinteressen“, so das Fazit des Sozialdemokraten.
Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU), Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, stellte klar, seine Fraktion sei ebenfalls gegen die künstliche Reproduktion von Tieren. Die Folgen seien schließlich bekannt: "Missbildungen, Krankheiten. Auch ich will auch kein Klonfleisch essen“, sagte Holzenkamp unmissverständlich.
Er bedauere es deshalb, dass EU-Parlament und Ministerrat sich nicht auf ein europaweites Verbot hätten einigen können - zumal ein guter Vorschlag hierfür auf dem Tisch gelegen habe. "Aber dem Parlament ging dieser nicht weit genug“, kritisierte Holzenkamp. Jetzt sei die Situation noch schlechter als vorher.
Der CDU-Abgeordnete forderte die Europäische Kommission auf, einen neuen Vorschlag zu erarbeiten. "Wir brauchen Rechtsvorschriften, um das Klonen zu regeln.“
Karin Binder (Die Linke), wie ihr Vorredner Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, forderte ebenfalls eine Kennzeichnung für Produkte von geklonten Tieren. Die Verbraucher, die in der Mehrheit Klonfleisch ablehnten, müssten die Möglichkeit haben zu überprüfen, welches Fleisch sie kaufen
Dass sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene gegen ein Verbot - und gegen eine Kennzeichnung - stark gemacht habe, geißelte die Linkspolitikerin als "Verbrauchertäuschung XXL“. Deutschland sei vor den USA eingeknickt.
Die Klonfleisch-Kennzeichnung hätte für das Land nämlich faktisch einen "Importstopp“ bedeutet. Diesen Handelsstreit habe aber Brüderle nicht riskieren wollen - zulasten der Verbraucher.
Dr. Christel Happach-Kasan, Vorsitzende der FDP-Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, griff ihrerseits die Opposition - und insbesondere die SPD - scharf an: Ihr gehe es gar nicht darum, über Klonfleisch zu diskutieren. Ziel der Aktuellen Stunde sei allein, "einen erfolgreichen Wirtschaftsminister" zu diskreditieren. "Jeder Wirtschaftsminister hätte so gehandelt wie Rainer Brüderle“, unterstrich die Liberale. Nicht er habe mit seiner Haltung einen Kompromiss auf europäischer Ebene verhindert, sondern das Europäische Parlament.
Happach-Kasan sprach sich klar für eine wissenschaftliche Tierzucht aus, zu der auch die Erforschung und Anwendung neuer Technologien wie das Klonen gehöre. Noch sei das Verfahren aber nicht reif. "Wer behauptet, dass demnächst massenhaft Klonfleisch auf unserem Teller landet, der glaubt auch an den Weihnachtsmann“, rief die Abgeordnete der Opposition zu. "Das wäre viel zu teuer!“
Sie appellierte, Deutschland dürfe sich nicht vom"„wissenschaftlichen Fortschritt abkoppeln“. Den Menschen müsse man "die modernen Methoden begreiflich“ machen.
Friedrich Ostendorff, landwirtschaftlicher Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, berief sich hingegen auf den ethischen Grundkonsens in Deutschland, dem das Klonen von Tieren eindeutig widerspreche. Die "Antiklon-Koalition“ sei groß, sie reiche von Verbraucherschützern und Landwirten über die Kirchen bis hin zu "Food Watch“.
Dass ausgerechnet die deutsche Regierung eine Einigung über ein Klonfleischverbot in Europa zu Fall gebracht habe, verurteilte Ostendorff scharf: "Das ist ein weiteres Desaster für den Tierschutz und Verbraucherschutz.“ Er forderte Bundeskanzlerin Merkel auf, Brüderle wegen dieses "Verrats an den Verbraucherrechten“ zu entlassen und für neue Verhandlungen auf europäischer Ebene zu sorgen. (sas)