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Die Spitzen des deutschen und französischen Parlaments wollen gegenüber den Regierungen darauf dringen, dass ein Mechanismus vereinbart wird, der künftig eine größere Haushaltsdisziplin in den Euro-Ländern erzwingt. Die Präsidien der Deutschen Bundestages und der französischen Nationalversammlung stellten bei ihrer zwölften gemeinsamen Sitzung "ein hohes Maß an Übereinstimmung“ in diesen Fragen fest. Mit Blick auf den geplanten "Europäischen Stabilitäts-Mechanismus“ (ESM), der noch von den Parlamenten ratifiziert werden muss, wies Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert darauf hin, dass es für die Regierung "keine Generalermächtigung“ geben könne.
Eine breite Mehrheit des Deutschen Bundestages bestehe darauf, dass es Unterstützung für notleidende Länder aus dem ESM nur dann geben könne, "wenn der Bundestag in jedem Einzelfall mitwirkt“. Auch müsse das Parlament vor der rechtsverbindlichen Zusage einer solchen Unterstützung beteiligt werden. Zudem, so Lammert, müsse die Entscheidung durch den Bundestag als Ganzes erfolgen, und nicht etwa durch den Haushaltsausschuss oder ein anderes Gremium. "Das wird nicht reichen“, sagte Lammert.
Bernard Accoyer, Präsident der französischen Nationalversammlung (Assemblée nationale), bezeichnete die Beziehungen zwischen beiden Parlamenten als "von einzigartiger Natur“. Mit Blick auf Sanktionen gegenüber Ländern, die die Konvergenzkriterien nicht einhalten, betonte Accoyer den gemeinsamen Willen beider Häuser, hier eine Lösung für "diese Frage historischer Tragweite“ zu finden.
Mit Lammert zeigte sich Accoyer darin einig, dass Finanz- und Wirtschaftskrisen neben einer wirtschaftlichen immer auch eine politische Dimension haben und Lösungen dementsprechend immer beide Ebenen beachten müssten.
Die gemeinsame Sitzung der Parlamentspräsidien Deutschlands und Frankreichs ist seit 1997 fester Bestandteil der intensiven Beziehungen beider Parlamente. So ist die deutsch-französische Parlamentariergruppe eine der ältesten und die viertgrösste bilaterale Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag.
An der gemeinsamen Sitzung der Präsidien nahmen auch Yves Bur, Abgeordneter aus Straßburg und Vorsitzender der Französisch-Deutschen Parlamentariergruppe, und Gunther Krichbaum, Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union im Bundestag, teil.
Deutscher Bundestag und französische Nationalversammlung pflegen seit Jahrzehnten enge Beziehungen. Es hat sich im Laufe der Jahre ein breites Geflecht an Arbeitsbeziehungen und persönlichen Kontakten entwickelt. Dies umfasst neben dem jährlichenTreffen der Präsidien des Bundestags und der Nationalversammlung auch gemeinsame Sitzungen der Ausschüsse, insbesondere der Auswärtigen Ausschüsse, und intensive Beziehungen der Finanzausschüsse beider Parlamente. Ebenso gehören dazu das jährliche Parlamentarier-Kolloquium "Paris-Berlin“ sowie ein Austauschprogramm für Parlamentsmitarbeiter.
Im Rahmen der Begegnung beider Präsidien am Bodensee verliehen Lammert und Accoyer den Deutsch-Französischen Parlamentspreis an die Kulturhistorikerin Anne Kwaschik vom Frankreich-Zentrum der Freien Universität Berlin, die für ihr Werk "Auf der Suche nach der deutschen Mentalität. Der Kulturhistoriker und Essayist Robert Minder“ ausgezeichnet wird.
Kwaschiks Buch widmet sich dem elsässischen Germanisten und Essayisten, der aufgrund seines Werkes und seiner Aktivitäten zu Lebzeiten zu den bedeutenden Mittlern zwischen Deutschland und Frankreich und zu den wichtigen Vorbereitern einer deutsch-französischen Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg gehört. Lammert bezeichnete die Arbeit Kwaschiks als "idealtypischen Beitrag“ zum Wettbewerb, da sie an Minders Biografie deutlich mache, dass Deutsche und Franzosen gemeinsame Themen aus unterschiedlichen Perspektiven angehen und lösen.
Die französischen Preisträger sind die Eheleute Evelyne und Victor Brandts, die in ihrem Werk "Aujourd’hui l’Allemagne“ mit 37 zum Teil provokativen Fragen einem breiten französischen Publikum das heutige Deutschland und seine Geschichte zu erschließen suchen.
Bernard Accoyer würdigte das Werk der Eheleute Brandts als Beweis für die Möglichkeit, auch nach Jahrzehnten enger Beziehungen noch immer Neues und Überraschendes am Nachbarland zu entdecken.
Bundestagspräsident Lammert wies bei der Veranstaltung darauf hin, dass der Preis, der 2004 ins Leben gerufen und in diesem Jahr zum fünften Mal verliehen wurde, sich zunehmender Aufmerksamkeit erfreut, die sich in Anzahl und Qualität der Bewerbungen niederschlägt.
Der Deutsch-Französische Parlamentspreis ist mit je 10.000 Euro dotiert und wird alle zwei Jahre von den Präsidenten der beiden Parlamente verliehen. Mit ihm werden deutsche und französische wissenschaftliche Leistungen ausgezeichnet, die zur besseren gegenseitigen Kenntnis beider Länder beitragen. (hei)