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Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes wird unter Experten in einer Reihe von Fragen kontrovers diskutiert. Dies wurde am Montag, 23. Mai 2011, in einer öffentlichen Sachverständigenanhörung des Innenausschusses zu mehreren Vorlagen zum Beschäftigtendatenschutz deutlich. Dabei handelte es sich neben dem Regierungsentwurf (17/4230) unter anderem um je einen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion (17/69) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/4853) sowie je einen Antrag der Grünen (17/121) und der Fraktion Die Linke (17/779).
Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Dr. Reinhard Göhner, sagte, das Ziel, beim Arbeitnehmerdatenschutz "Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu schaffen“, sei richtig. Er problematisierte zugleich das Vorhaben, hierbei Betriebsvereinbarungen "zu Ungunsten des Arbeitnehmers“ auszuschließen.
Wenn etwa in einer Betriebsvereinbarung ein Unternehmen seinen Mitarbeitern die private Nutzung des Internets ermögliche, könnte die Vereinbarung auch "die Kontrolle und Einsichtnahme durch die Regelung der Betriebspartner vorsehen“. Es stelle sich dann die Frage, ob dies zu Gunsten oder zu Ungunsten der Arbeitnehmer sei.
Göhner plädierte ferner dafür, "zumindest für betriebsratslose Betriebe und Arbeitnehmer“ wie nach bisherigem Recht eine freiwillige Einwilligung in eine Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung zu ermöglichen.
Der Vorsitzende der Hamburger Datenschutzgesellschaft, Dr. Philipp Kramer, sagte, ein absolutes Verbot von Einwilligungen widerspreche dem Gedanken, dass das Datenschutzrecht ein "Abwägungsrecht“ sei. Prof. Dr. Gregor Thüsing vom Bonner Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit wandte sich dagegen, eine freiwillige Einwilligung ganz zu verhindern.
Wenn gesagt werde, es könne nie eine Freiwilligkeit im Arbeitsverhältnis geben, sei dies "ein Glaubensbekenntnis“, argumentierte er. Zugleich wertete er den Entwurf als eine Verbesserung des Arbeitnehmerdatenschutzes.
Dagegen betonte Helga Nielebock, Abteilungsleiterin beim Deutschen Gewerkschaftsbund, der Regierungsentwurf entspreche nicht den Anforderungen an einen modernen Arbeitnehmerdatenschutz und werde den Abhängigkeiten im Arbeitsverhältnis nicht gerecht. Auch sichere er den Persönlichkeitsschutz nicht hinreichend.
Andreas Jaspers, Geschäftsführer der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit, sprach mit Blick auf eine freiwillige Einwilligung von einer "Scheinfreiwilligkeit“. Wenn man etwa Sicherheitsüberprüfungen über sich ergehen lassen müsse, sei dies eine Bedingung für das Arbeitsverhältnis.
Sönke Hilbrans von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz bezeichnete die "Einwilligungsfreiheit“ des Arbeitnehmers als "Fiktion“. Es gebe "in der Arbeitswelt keine Autonomie des Einzelnen über seine personenbezogenen Daten“, argumentierte er. Zugleich kritisierte er, effektive Sanktionen zum Schutz der Beschäftigten vor Datenschutzverstößen suche man im Entwurf "im Wesentlichen vergebens“.
Prof. Dr. Gerrit Hornung von der Universität Passau warb dafür, den Entwurf um ein Verbandsklagerecht zu ergänzen. Den weitgehenden Ausschluss der Einwilligung hält er für europarechtlich zulässig. Prof. Dr. Peter Wedde von der Europäischen Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt am Main begrüßte diesen Ausschluss ebenfalls. (sto)