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Die Opposition hat der Bundesregierung nach Schikanen für wechselwillige Versicherte der insolventen City BKK gesundheitspolitisches Versagen vorgeworfen. In einer von der Linksfraktion beantragten Aktuellen Stunde mit dem Titel "Pleiten von gesetzlichen Krankenkassen und die Folgen für Versicherte" verlangten Redner von SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen am Donnerstag, 26. Mai 2011, ferner die Rücknahme von Kernelementen der jüngsten Gesundheitsreform. In seiner ersten Rede als Bundesgesundheitsminister wies der FDP-Abgeordnete Daniel Bahr die Vorwürfe und Forderungen zurück. Die schwarz-gelbe Koalition habe mit der Möglichkeit zu unbegrenzten Zusatzbeiträgen die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherun (GKV) "erst wieder auf gesicherte Füße gestellt", sagte Bahr. Alle Redner der Debatte geißelten die Reaktionen zahlreicher Krankenkassen nach der Insolvenz der City BKK in scharfen Worten.
Viele der rund 170 000 Versicherten der bankrotten City BKK waren von anderen Kassen abgewimmelt worden, obwohl diese zur Aufnahme verpflichtet sind. Das Verhalten dieser Krankenkassen sei "rechtswidrig, böswillig und gefährlich", betonte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn. Es sei "inakzeptabel und skandalös", fügte die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Dr. Carola Reimann (SPD), hinzu.
Als "nicht nur rechtswidrig, sondern unanständig" bezeichnete Bahr das Abwimmeln von nach Aufnahme in einer neuen Kasse suchenden Versicherten. Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer kündigte an, dass Kassen, die Versicherte abwimmeln, "nicht ungeschoren davonkommen". Die Vorstände dieser Kassen würden künftig in Haftung genommen. Sie müssten mit Sanktionen von Geldstrafen bis hin zur Absetzung rechnen, ergänzte Spahn. Der FDP-Gesundheitsexperte Heinz Lanfermann lobte in diesem Zusammenhang das "energische Eingreifen" des neuen Gesundheitsministers.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Fritz Kuhn, wandte hingegen ein, dass eine Bundesregierung die Rechtslage umsetze, sei ja wohl das Mindeste: "Das erwarten wir von der Regierung." Die Koalition rede aber nicht "über die Ursachen".
Kuhn sagte voraus, "dass mehr Kassen pleitegehen werden". Schwarz-Gelb habe die Arbeitgeberbeiträge eingefroren und bürde sämtliche Kostensteigerungen im Gesundheitswesen den Versicherten über ungedeckelte Zusatzbeiträge auf. Diese führten zu "sehr einseitigen Wettbewerb um Preise".
Auch der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Prof. Dr. Karl Lauterbach, kritisierte, der Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen drehe "sich nur noch um die Vermeidung eines Zusatzbeitrages", damit sie nicht junge und gesunde Mitglieder verlören. Das sei "ein kranker Wettbewerb", für den die schwarz-gelbe Koalition die Verantwortung trage.
"Die FDP warnt mit Krokodilstränen vor den Folgen ihrer eigenen Reform", sagte Lauterbach und forderte die Regierung auf: "Nehmen Sie die Zusatzbeiträge zurück!" Der Wettbewerb müsse wieder um Vorsorge und Qualität gehen. Wenn die Zusatzbeiträge vom kommenden Jahr an stiegen, komme es zu "massenhaften Pleiten von Krankenkassen", warnte der SPD-Abgeordnete.
Für die Linksfraktion forderte Diana Golze die Wiederherstellung der paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanzierten GKV.
"In der schleichenden Aushebelung der paritätischen Finanzierung liegt eines der Probleme, das den gesetzlichen Krankenkassen zu schaffen macht und nun die erste in die Insolvenz getrieben hat", betonte die Parlamentarierin.
Gesundheitsminister Bahr widersprach den Vorwürfen aus der Opposition. Es liege im Interesse der Versicherten, dass eine Kasse aus finanziellen Gründen geschlossen werden könne, sagte er. Die Kassen müssten mit den Beiträgen der Versicherten sorgsam umgehen.
Auch bei den Zusatzbeiträgen sieht er keine Notwendigkeit für Korrekturen. Diese sorgten für Transparenz, sagte der Minister. Jens Spahn kritisierte den Umgang der Opposition mit dem Chaos nach der BKK-City-Pleite. "Sie versuchen, daraus politisch Kapital zu schlagen", sagte er in der Aktuellen Stunde. (mpi)