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"Parteien sind nur so gut wie diejenigen, die sich in Parteien engagieren": Das ist die zentrale Botschaft, die Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert 312 Nachwuchsparlamentariern am Dienstag, 7. Juni 2011, mit auf den Weg gab. Nach langen Debatten unter anderem über Pressefreiheit und Energiewende endete das viertägige Planspiel "Jugend und Parlament 2011" im Plenum des Deutschen Bundestages. Das Planspiel wird alljährlich vom Besucherdienst des Deutschen Bundestages ausgerichtet. Die Teilnehmer werden von Bundestagsabgeordneten vorgeschlagen.
In der Großsimulation unter realen Plenumsbedingungen erfahren Jugendliche im Alter von 16 bis 20 Jahren, wie der Bundestag und der Weg der Gesetzgebung funktionieren. Die Jungparlamentarier kamen aus ganz Deutschland und nahmen seit 4. Juni an einer Großsimulation teil. Sie bildeten Fraktionen, schlüpften in die Rolle eines fiktiven Politikers mit neuem Namen, neuer Biografie und neuer politischer Gesinnung.
Ziel des Planspiels ist es, komplexe Planungs-, Verhandlungs- und Entscheidungsprozesse nachvollziehbar zu machen.
Bundestagspräsident Lammert kritisierte in seiner Abschlussrede die vorschnelle und bequeme Politikschelte, unter der Regierung und Parlament im Ansehen leiden würden und stellte mit Bedauern fest: "Besonders unpopulär sind die politischen Parteien." Mit der Konsequenz für jüngere Generationen, dass es ihnen dadurch nicht nicht leichter falle, sich zu engagieren.
Aber: "Alle funktionierenden Demokratien der Welt sind Parteiendemokratien." Was nur schwerlich Zufall sein könne. "Denn ohne ein konkurrierendes Parteiensystem gibt es keine überzeugende Willensbildung", vergegenwärtigte Lammert. "Wer für Parlamentarismus ist, muss wissen, dass Parlamentarismus ohne Parteien nicht zu haben ist."
Nachdem am Dienstagvormittag im Planspiel erarbeitete fiktive Gesetzentwürfe beschlossen und die zweite und dritte Lesung absolviert worden waren, bot sich den Nachwuchspolitikern die Gelegenheit, ihre gewonnenen Erfahrungen an der Realität zu messen. ZDF-Moderatorin Bettina Schausten lud zur Podiumsdiskussion mit den echten Fraktionsvorsitzenden oder deren Stellvertretern ein.
Eine Erkenntnis der Nachwuchspolitiker lautete: "Politik ist schwer." Die fiktiven Fraktionsvorsitzenden gestanden ein, dass es nicht immer einfach war "die ganze Truppe bei Abstimmungen zusammenzuhalten". Dass sich zu wenig junge Frauen, obwohl sie ein Drittel der Teilnehmer des Planspiels stellten, in Ämter wählen ließen oder nicht gewählt wurden, sorgte für eine weitere überraschende Erkenntnis.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Michael Kretschmer, betätigte einige Erfahrungen der Jungparlamentarier: "In der Koalition muss man sich abstimmen, denn ein Gemeinschaftswerk kann nur gemeinsam erfolgreich sein und hängt auch davon ab, dass Personen miteinander können." Doch dafür brauche es immer den Kompromiss.
Florian Toncar, FDP-Vizefraktionsvorsitzender, räumte ein, dass die kleinen Koalitionspartner in einem Bündnis schon eine starke Position innehätten, weil eine Regierungsmehrheit oft auf alle Stimmen angewiesen sei. "Denn am Ende muss im Parlament die Koalition stehen." Jürgen Trittin, neben Renate Künast Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, pflichtete bei, dass eine Koalition am Ende nur funktionieren könne, "wenn man etwas gemeinsam auf den Weg bringt".
Ob es erforderlich ist, auch die Fraktionen zu disziplinieren, fragte Bettina Schausten den SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier: "Vertrauensfragen , wenn sie an bestimmte politische Vorhaben gebunden sind, können zwar ein Mittel der Disziplinierung sein, sind aber auch wichtig für eine Regierung, um festzustellen, ob sie überhaupt in der Lage ist, eine Mehrheit zusammenzubekommen", erklärte er. "Nur ist es kein Mittel, dass über die Maßen genutzt werden sollte, sonst nutzt es sich ab."
Dass grundsätzlich jeder Abgeordnete in seiner Entscheidung frei ist, sei aber Voraussetzung: "Doch Disziplin innerhalb einer Fraktion ist auch wichtig, damit eine Linie zu erkennen ist", sagte Dr. Gregor Gysi, Vorsitzender der Linksfraktion. "Wenn alle wild abstimmen, kann der Wähler nicht erkennen, wofür man steht."
Im Anschluss mahnte Bundestagspräsident Lammert die Jungparlamentarier, dass niemand die Wahrheit gepachtet habe - auch nicht die Mehrheit. "Wenn eine Mehrheit entscheidet, gilt etwas, aber es ist nicht unbedingt richtig." Lammert erinnerte an den Beschluss des Bundestages vor knapp neun Monaten, den ursprünglichen Plan, aus der Atomenergie auszusteigen, rückgängig zu machen, der in den nächsten Wochen durch eine neue Mehrheit wiederum abgeändert werde.
Eine Mehrheit sei nicht der Nachweis für die Richtigkeit einer Position, denn im Wesentlichen habe man sich nur darauf verständigt, durch Mehrheiten Beschlüsse zu fassen.Wesentlich hingegen sei aber: "Dass die einen wie die anderen das Recht haben müssen, für ihre Entscheidung werben zu können", sagte Lammert und verwies auf die mühevolle Kleinarbeit des politischen Alltags.
Aus diesem Grund sei Politik manchmal auch anstrengend, jedoch immer von Bedeutung. "Man darf nicht frustriert sein, wenn im Alltag neben den seltenen großen Richtungsentscheidungen eine Vielzahl von Kleinarbeiten zu erledigen sind." Denn jeder Tagesordnungspunkt behandele Interessen und Anliegen, die Menschen betreffen. Insofern sei es keine gemütliche Beschäftigung, ein Mitglied eines Parlaments zu sein, aber dafür spannend und lebensnah.
Ein Grund für engagierte junge Menschen, irgendwann wieder zurück in die Bundeshauptstadt zu kommen. "Ich würde mich freuen, wenn ich in Zukunft den einen oder anderen mit einem offiziellen Mandat begrüßen kann", sagte der Bundestagspräsident. Mancher Politprofi sei schließlich auf diese Weise schon seine ersten Schritte gegangen. (eis)