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Praktische Erfahrungen sind für Tijana Roso sehr wichtig. Das Internationale Parlaments-Stipendium (IPS), in dessen Rahmen 115 Teilnehmer aus 27 Ländern vom 1. März bis 31. Juli ein Praktikum in Abgeordnetenbüros des Deutschen Bundestages absolvieren, schätzt die 23-Jährige aus Mazedonien daher auch höher ein als einen Masterstudiengang. "An der Uni hört man doch bloß die Theorie", sagt sie. Ohne Arbeitserfahrungen sei dies jedoch nicht viel wert.
Um diese zu erlangen, hat sich Tijana Roso für ein Praktikum im Bundestag beworben. Beim ersten Mal vor zwei Jahren noch erfolglos. "Da wurde ich noch nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen", erzählt sie. Im zweiten Mal klappte es: Seit März absolviert sie nun im Büro der SPD-Abgeordneten Ute Kumpf ein Praktikum. "Hier kann ich nun hautnah erleben wie Parlamentarismus abläuft", freut sich Tijana Roso. Der Masterstudiengang folgt dann später.
In Mazedonien hat sie schon Erfahrungen vor allem als Dolmetscherin und Übersetzerin bei der Arbeit für Nichtregierungsorganisationen und die Auslandsvertretung der Deutschen Industrie- und Handelskammer gemacht. Dazu kommt ein zehntägiger Vorbereitungskurs auf das IPS, den sie im mazedonischen Parlament absolvierte.
Zu dieser Zeit, so sagt sie, protestierte die Opposition mit einem Boykott des parlamentarischen Betriebs gegen die Regierung. Im April schließlich wurde das Parlament aufgelöst. Vor wenigen Tagen wurde neu gewählt. "Wir sind eben noch eine junge Demokratie", erklärt Roso das Hin und Her in ihrer Heimat.
In Deutschland hätten politische Werte einen ganz anderen - höheren - Stellenwert. Dass hierzulande der Parlamentarismus so gut funktioniere, liege auch daran, dass die Abgeordneten "auch nach der Wahl nicht vergessen, warum sie gewählt worden sind". In ihrer Heimat sei dies nicht immer so, räumt sie ein.
"Die Menschen auf dem Balkan sind vielleicht warmherziger als die Deutschen", sagt Tijana Roso. "Was Politik und politische Werte angeht, müssen wir aber noch viel lernen." Dazu wolle sie beitragen, auch wenn ihr bewusst ist: "Ich kann nicht nach dem Praktikum nach Mazedonien gehen und sagen: Ich ändere mal eben den Parlamentarismus."
Kleine Schritte seien da nötig, doch sei sie - wie im Grunde alle IPS-Stipendiaten - eine Enthusiastin. Es liege an jedem einzelnen, etwas zu verändern. "Wer es nicht versucht, dem kann es auch nicht gelingen", lautet ihr Credo.
Mit ihrem Enthusiasmus kommt sie auch im Büro Kumpf gut an. "Ich fühlte mich dort von Anfang an gut aufgehoben", sagt sie. Ohnehin sei sie erstaunt gewesen, dass sich Abgeordnete so "alltäglich" benehmen, obwohl sie doch "sehr wichtige Menschen sind".
Frau Kumpf, so sagt Tijana Roso, nehme sich immer wieder die Zeit, mit ihr zu sprechen. Auf manche Veranstaltungen außerhalb des Bundestages gehe sie sogar als Vertretung von Ute Kumpf hin. "Das ist für mich eine große Ehre", betont die Mazedonierin.
An der SPD-Abgeordneten aus Stuttgart schätzt sie zudem, dass sie sich sehr stark um die Menschen aus ihrem Wahlkreis kümmere. "Sie sagt nie: 'Das ist nicht mein Thema,’ sondern erkundigt sich dann bei Kollegen und dringt auf Beantwortung der Anfragen."
Ein weiterer Grund, warum sie sich bei Kumpf gut aufgehoben fühlt, ist deren Einsatz für das Thema Elektromobilität, sagt Tijana Roso, die sich ihrerseits für den Ausbau erneuerbarer Energien einsetzt. "Das ist für Mazedonien sehr wichtig", sagt sie.
Ihr Heimatland kaufe viel Strom ein, obwohl das im Grunde nicht nötig sei. "Wir haben 330 Sonnentage im Jahr und könnten eigentlich von Photovoltaik leben." Doch fehle es dafür an "Bewusstsein unter den Menschen und Unterstützung durch die Politik".
Interessante Neuigkeiten über Photovoltaik und Windenergie hat Tijana Roso bei einer Stiftungsreise im Rahmen des Praktikums erfahren. "Wir waren in einem Solarzentrum in der Nähe von Wismar", erzählt sie. Klar, dass dabei auch die Frage nach dem Atomausstieg diskutiert wurde. "Das geht natürlich nicht mit einem Mal, aber wir müssen es versuchen", lautet ihre Einschätzung.
Besonders beeindruckt habe sie die Aussage eines Experten, wonach es möglich wäre, dreimal soviel Energie wie gebraucht wird zu erzeugen, wenn jedes Dach in Deutschland ein Photovoltaikanlage hätte. "Das zeigt doch: Wir müssen ehrgeizig sein und schon heute mit dem Umdenkungsprozess beginnen", schlussfolgert Tijana Roso.
Mit der derzeitigen Botschafterin Mazedoniens in Deutschland haben Tijana Roso und die beiden anderen mazedonischen IPS-Stipendiaten eine prominente Vorgängerin. Im Jahre 2003 hatte Kornelija Utevska-Gligorovska im Büro der Unionsabgeordneten Ursula Heinen - heute Staatsekretärin im Bundesumweltministerium - ihr IPS-Praktikum absolviert.
"Ich bin dem Deutschen Bundestag dankbar für das inhalts- und abwechslungsreiche Programm, an das ich mich sehr gerne zurückerinnere" sagt die Botschafterin.
Ihrer Überzeugung nach biete das Stipendium "für jeden einzelnen, egal welcher Generation, eine unheimlich große Chance zu lernen, Kontakte zu knüpfen, sich ein Bild von der deutschen Politik und den Abläufen zu machen, internationale Kontakte mit seinen Mitstreitern zu knüpfen und seinen Horizont zu erweitern".
Bei ihrer Rückkehr als Botschafterin nach Berlin habe Kornelija Utevska-Gligorovska erfahren, "wie groß die Bedeutung eines Netzwerks ist". Den heutigen IPSlern rät sie daher: "Pflegt eure Kontakte, um sie zu nutzen, nicht um sie auszunutzen." (hau)