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Christos Pourgourides, Vorsitzender des Rechtsausschusses der Parlamentarischen Versammlung des Europarats © Europarat/Denier
Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat während ihrer Sommersession in Straßburg vom 20. bis 24. Juni 2011 die nationalen Volksvertretungen in den 47 Mitgliedsnationen aufgerufen, sich stärker für die Beachtung der in der Menschenrechtskonvention des Staatenbunds verankerten Freiheitsrechte in ihren Heimatländern zu engagieren. Als vorbildlich lobt ein vom Rechtsausschuss des paneuropäischen Abgeordnetenhauses erstellter Bericht über die Rolle der Parlamente in der Menschenrechtspolitik ausdrücklich die Arbeit des Bundestages und dessen Menschenrechtsausschusses auf diesem Gebiet.
Mit Zehntausenden von Klagen ist der Straßburger Menschenrechtsgerichtshof hoffnungslos überlastet. Das hat auch damit zu tun, dass die Bearbeitung eingereichter Beschwerden trotz innerer Reformen der höchsten juristischen Instanz auf dem Kontinent oft nach wie vor viel Zeit beansprucht. Manche Verfahren ziehen sich Jahre hin.
Das Hauptproblem aber ist ein anderes: In vielen Ländern werden die freiheitlich-rechtsstaatlichen Standards der Menschenrechtscharta nur unzureichend beachtet, weshalb viele Bürger die Europaratsrichter wegen Verletzungen ihrer Grundrechte anrufen.
Wiederholt hat die Volksvertretung des Europarates einen speziellen Missstand gerügt: Verurteilt der Straßburger Gerichtshof eine Regierung wegen der MIssachtung von Grundrechten, dann zahlen die betroffenen Länder zwar in der Regel den von den Europaratsrichtern angeordneten Schadensersatz an erfolgreiche Kläger, doch nicht alle Staaten lösen die solchen Fällen zugrundeliegenden Probleme.
Dies hat zur Folge, dass stets neue Beschwerden gleicher Art in Straßburg landen. Zu den am häufigsten verurteilten Ländern gehören Russland und die Türkei. Gegen die Bundesrepublik richten sich nur selten Entscheidungen des Gerichtshofs, ein markantes Beispiel aus jüngerer Zeit sind Urteile, welche die in Deutschland praktizierte Sicherungsverwahrung für unzulässig erklären.
Die von Christos Pourgourides im Namen des Rechtsausschusses erarbeitete und im Plenum des Europaratsparlaments debattierte Expertise appelliert nachdrücklich an die nationalen Volksvertretungen, in ihren Staaten auf die rasche Umsetzung der Straßburger Gerichtsurteile zu dringen.
Die Abgeordneten sollen ihre Regierungen zu regelmäßig vorgelegten Berichten über die Beachtung dieser Entscheidungen verpflichten, verlangt der zypriotische Christdemokrat und Vorsitzende des Rechtsausschusses. Gesetzentwürfe müssten von den Parlamenten systematisch überprüft werden, ob sie mit internationalen Menschenrechtsnormen wie der Straßburger Konvention vereinbar sind.
Pourgourides ruft die nationalen Volksvertretungen auf, eigenständige Menschenrechtsausschüsse mit verbrieften Kompetenzen einzurichten und eng mit der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zusammenzuarbeiten.
Als "positives Beispiel" verweist der Berichterstatter auf die Arbeit des Bundestages und dessen Menschenrechtsausschusses. Gelobt werden in dem Dokument außer Deutschland namentlich nur noch Großbritannien, die Niederlande, Finnland und Rumänien. Pourgourides unterstreicht, dass der Bundestag einen "entscheidenden Einfluss" auf die Menschenrechtspolitik der Regierung ausübe. Letztere sei gehalten, dem Abgeordnetenhaus und dessen zuständigem Ausschuss mehrere Berichte zur Politik auf diesem Gebiet vorzulegen.
Die deutsche Volksvertretung habe erreicht, so der Zypriote, dass die Regierung mit den Abgeordneten nicht nur über ihre Menschenrechtspolitik auf internationaler Ebene, sondern auch im Inneren debattiere. Bundestag und Justizministerium würden bei allen Gesetzesprojekten deren Vereinbarkeit mit den Menschenrechtsstandards des Europarats wie auch der EU kontrollieren.
Lob zollt das Europaratsparlament dem Bundestag nicht zuletzt deshalb, weil sich dessen Mitglieder intensiv mit der Umsetzung von Urteilen des Straßburger Gerichtshofs befassen, die Deutschland betreffen. "Ganz besonders begrüße ich es", so Pourgourides, dass sich Regierung und Abgeordnete zudem mit Straßburger Entscheidungen beschäftigen, die Grundrechtsverletzungen in anderen Staaten rügen, jedoch auch Konsequenzen für die deutsche Rechtsordnung nach sich ziehen könnten.
Pourgourides würdigt die "präventive" Wirkung eines solchen Vorgehens: Derart werde vermieden, dass deutsche Bürger den Straßburger Gerichtshof wegen Verstößen gegen die Menschenrechtscharta anrufen, die von den Europaratsrichtern bereits in einem anderen Staat sanktioniert wurden. (kos)