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Die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" unter Vorsitz von Axel E. Fischer (CDU/CSU) hat die Abstimmung über die von ihren Projektgruppen "Netzneutralität“ und "Datenschutz“ vorgelegten Zwischenberichte und die darin enthaltenen Handlungsempfehlungen auf September verschoben. In der öffentlichen Sitzung am Montag, 4. Juli 2011, stimmte eine knappe Mehrheit einem Antrag auf Vertagung der Abstimmung zu, den der durch die FDP benannten Sachverständige Prof. Dr. Hubertus Gersdorf gestellt hatte.
Gersdorf hatte geltend gemacht, dass die in der Kommission praktizierte "unterschiedliche Abstimmung über Spiegelstriche“ die Gefahr in sich berge, dass das Gesamtergebnis für Außenstehende "nicht nachvollziehbar“ werde. "Hier ist verfahrensmäßig sehr viel aus dem Ruder gelaufen“, sagte Gersdorf. So könne es nicht sein, dass über Textpassagen abgestimmt werden solle, "die in der zuständigen Projektgruppe gar nicht bearbeitet wurden“.
Der ebenfalls von der FDP-Fraktion benannte Sachverständige Wolf Osthaus unterstütze die Verlegungsforderung. Ziel der Enquete-Kommission müsse es sein, lesbare Texte zu schaffen, die widerspruchsfrei seien, um "etwas abzuliefern, was andere klüger macht“. Das sei mit dem derzeitigen Prozedere nicht erreichbar.
Aus den Reihen der Opposition gab es heftigen Widerspruch zu dem Verlegungsantrag. Unter dem Vorwand der "Unverständlichkeit des Textes“ solle nun die Arbeit bis in den Herbst verschoben werden, kritisierte Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen). Hintergrund sei, so vermutete von Notz, dass es der Koalition trotz 40-minütiger Unterbrechung nicht gelungen sei, "einen Sachverständigen zu drehen“.
Im Falle einer erneuten Vertagung stehe die Enquete-Kommission "unrettbar dämlich“ da, warnte von Notz. Der von den Grünen benannte Sachverständige Markus Beckedahl sagte, mit der Verschiebung wolle die Koalition verhindern, dass es eine Mehrheit für die Forderung nach der gesetzlichen Festschreibung der Netzneutralität im Zwischenbericht gibt.
Der Unionsabgeordnete Thomas Jarzombek forderte wiederum, die Entscheidung der Sachverständigen, die Abstimmung zu verschieben, zu akzeptieren. Das sei "die andere Seite der Medaille“, wenn man fordere, dass jeder nach seiner Meinung entscheiden solle.
Ziel müsse es sein, über einen konsistenten Sachverhalt abzustimmen, sagte der von der Union benannte Sachverständige Harald Lemke. "Die Glaubwürdigkeit der Enquete-Kommission hängt mehr vom Ergebnis ab als vom Zeitplan“, machte er deutlich.
Der größte Teil des Zwischenberichts sei unstrittig, sagte der durch die SPD-Fraktion nominierte Sachverständige Alvar Freude. Bei einigen Sachen habe man sich nicht einigen können, räumte er ein. Daran, so Freude, werde sich aber auch im Herbst nichts geändert haben.
Der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs erinnerte daran, dass man sich auf das praktizierte Verfahren vorher gemeinsam geeinigt habe. Kaum laufe es für die Koalition nicht wie gewünscht, solle dies nun anders gemacht werden, kritisierte er.
Auch das Abstimmen über Spiegelstriche gehöre zu einem "ganz normalen parlamentarischen Verfahren“, sagte Halina Wawzyniak (Die Linke). Man habe sich im Vorfeld darüber geeinigt, über Sachen, die in der Projektgruppe zu keinem Konsens zu führen waren, in der Enquete-Kommission abzustimmen. Auf diesem Weg sollte nun weiter verfahren werden, forderte Wawzyniak. Die von ihrer Fraktion benannte Sachverständige Constanze Kurz bezeichnete die Verlegung als Farce. Kurz kündigte an, sich angesichts dessen an der Projektgruppenarbeit nicht mehr beteiligen zu wollen.
Zuvor hatte sich die Kommission für eine Vereinfachung der urheberrechtlichen Vorschriften ausgesprochen. Das geht aus dem am 4. Juli verabschiedeten Zwischenbericht der Projektgruppe "Urheberrecht" hervor. Darin heißt es, digitale Inhalte würden im Internet weltweit, zu jeder Zeit und mit zahlreichen unterschiedlichen Endgeräten genutzt.
"Die Enquete-Kommission empfiehlt dem Deutschen Bundestag, das sich wandelnde Nutzungsverhalten zum Anlass zu nehmen, die urheberrechtlich relevanten Bestimmungen verstärkt daraufhin zu überprüfen, ob sie für Rechteinhaber, Anbieter und Nutzer klar und verständlich formuliert sowie möglichst einfach anwendbar sind.“
Für eine Konstruierung des Urheberrechts aus der Perspektive des Nutzers gebe es "auch angesichts der Umwälzungen, die das Internet mit sich bringt“, keinen Anlass, urteilt die Projektgruppe.
Der notwendige Schutz der ideellen und wirtschaftlichen Interessen des Schöpfers kreativer Güter müsse beibehalten werden, heißt es in den vorgelegten Handlungsempfehlungen.
Aus Sicht der Kommission gibt es keinen Grund, das Konzept grundsätzlich infrage zu stellen, Immaterialgüter vor allem durch Ausschließlichkeitsrechte der Urheber marktfähig zu machen und darüber die Anreize, Werke zu schaffen, zu erhöhen.
Allerdings, so heißt es weiter, habe die Bestandsaufnahme gezeigt, dass das Urheberrecht an vielen Stellen durchaus einer systematischen Anpassung bedarf, um in der digitalen Gesellschaft einen angemessenen Ordnungsrahmen für immaterielle Güter zu erhalten.
Die Verbesserung des allgemeinen Bewusstseins für die Bedeutung des Urheberrechts wird von der Enquete-Kommission als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet. Die Schaffung von Verständnis für die jeweiligen Bedürfnisse aller Beteiligten müsse angestrebt werden. Dafür sei es unerlässlich, "durch ausgewogene staatliche Aufklärungskampagnen“ Wissen über die gesetzlichen Regelungen zu vermitteln.
Nutzernahe Informationsplattformen könnten aus Sicht der Kommission als Vorbild für Formate dienen, die leicht verständlich über Urheberrechtsfragen informieren. Da insbesondere auch Schüler mit urheberrechtlichen Fragen konfrontiert würden, biete sich zudem eine Vermittlung dieser Inhalte bereits in der Schule an.
Auch die Möglichkeiten lizenzfreier und an jedermann lizenzierter Inhalte, wie sie durch Open-Source-Software und Creative-Commons-Lizenzen verwirklicht sind, seien bekannt zu machen und zu fördern. Projekte wie Linux oder Wikipedia zeigten eindrucksvoll wie dadurch Kreativität gefördert werden kann - "und zwar mit dem Urheberrecht und nicht dagegen“.
Ein weiterer Vorschlag der Enquete-Kommission sieht den Aufbau einer europaweiten Informationsplattform für Lizenzen vor. Die Anbieter urheberrechtlich geschützter Inhalte im Internet würden sich hinsichtlich der Lizenzierung dieser Werke einer komplexen und unübersichtlichen Situation ausgesetzt sehen, heißt es in dem Zwischenbericht. Erfolgreiche und effiziente Geschäftsmodelle benötigten jedoch einen möglichst einfachen Zugang zu Informationen über die für sie notwendigen Rechte. (hau)