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Zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hat die schwarz-gelbe Regierungskoalition im Bundestag für die Verlängerung der Antiterror-Gesetze geworben. Bei der von der Bundesregierung beschlossenen Verlängerung der nachrichtendienstlichen Befugnisse um vier Jahre gehe es darum, "dass wir mit Augenmaß den Sicherheitsbehörden das Notwendige ermöglichen", sagte Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) am Dienstag, 6. September 2011, in der ersten Lesung des Regierungsentwurfs für seinen Haushalt 2012. Verlängert würden nur die Instrumente, die sich in der Praxis als "unabdingbar erwiesen haben". Vertreter der Opposition warnten dagegen vor überzogenen Überwachungsmaßnahmen.
Der Etat des Bundesinnenministeriums soll dem Regierungsentwurf zufolge im kommenden Jahr ein Ausgabenvolumen von fast 5,47 Milliarden Euro aufweisen und damit gut 65 Millionen Euro mehr als der laufende Haushalt. 3,715 Milliarden Euro sieht der Entwurf für den Bereich der inneren Sicherheit vor. Das sind 60 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr und macht rund zwei Drittel des Gesamthaushaltes des Ressorts aus.
Friedrich sagte, der islamistische Terror sei nach wie vor "eine reale Bedrohung für Deutschland, für Europa und für die freie Welt". In den zurückliegenden zehn Jahren sei es den Sicherheitsbehörden gelungen, mehrere ernstzunehmende Anschlagsversuche zu verhindern. Hundertprozentige Sicherheit könne es aber nicht geben.
Dabei sei die Bedrohung "vielfältig" und die Gefährdungslage "weiterhin auf einem hohen Niveau". Die staatlichen Instrumente zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus müssten immer wieder den "wandelnden Bedrohungen" angepasst werden.
Die SPD-Innenexpertin Gabriele Fograscher sagte, neben der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus gebe es auch noch andere "Bedrohungslagen" wie Organisierte Kriminalität und Alltagskriminalität, über die der Minister kein Wort gesagt habe. Die Koalition habe "keinen innenpolitischen Kompass" und kein Arbeitsprogramm.
Die Halbzeitbilanz der Bundesregierung im Bereich der Innenpolitik sei "mehr als dürftig" und geprägt von Meinungsverschiedenheiten und Streitereien zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Bundesjustizministerium. CDU, CSU und FDP blockierten sich bei allen wichtigen Fragen der inneren Sicherheit. Die Koalition trete auf der Stelle und werde den innenpolitischen Herausforderungen nicht gerecht.
Für die Linksfraktion kritisierte ihr Abgeordneter Jan Korte, der Etatentwurf des Innenministeriums gehe "weiter den Weg in den präventiven Überwachungsstaat". Die Alltagssicherheit der Menschen werde aber nicht durch eine Vorratsdatenspeicherung gewährleistet oder durch eine Online-Durchsuchung verbessert.
Korte warf zugleich der FDP vor, sich bei der Verlängerung der "überflüssigen Sicherheitsgesetze" dem "Diktat" der Union zu beugen. Die FDP habe die Kehrtwende in der Sicherheitspolitik nicht geschafft, so dass der "Raubbau an den Bürgerrechten" weiter gehe.
Die Grünen-Parlamentarierin Katja Dörner sagte, zweifellos müssten die Sicherheitsvorkehrungen auf die Bedrohungslage des internationalen Terrorismus ausgerichtet werden. Die Verbesserung der Sicherheit und das Schließen tatsächlicher Sicherheitslücken sowie eine "ordentliche Evaluierung" bestehender Gesetze seien permanente Aufgaben.
Die "Gefahr für die innere Sicherheit" dürfe aber nicht dazu verleiten, Grund- und Bürgerrechte "einfach so über Bord zu werfen". Die Politik der inneren Sicherheit müsse die Bürger sowohl vor Anschlägen als auch vor "überflüssigen, unverhältnismäßigen und diskriminierenden Überwachungsmaßnahmen". Zugleich bemängelte Dörner, die Befugnisse aus dem Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz sollten nicht nur verlängert, sondern sogar verschärft werden "ohne eine ordentliche Prüfung, ob Bürgerrechte unzulässig eingeschränkt wurden".
Unions-Fraktionsvize Dr. Günter Krings (CDU/CSU) betonte, neben einer angemessenen Ausstattung brauche die Polizei auch angemessene Befugnisse. Dies sei gerade im vergangenen Jahrzehnt angesichts neuer terroristischer Herausforderung deutlich geworden.
Auch nach zehn Jahren müsse man weiter gegenüber dem islamistischen Terrors wachsam bleiben. Dabei brauche man auch nachrichtendienstliche Erkenntnisse und sei darauf angewiesen, diese Erkenntnisse "mit europäischen, auch transatlantischen Partnern auszutauschen". Ohne diese Kooperation hätte es in Deutschland wahrscheinlich weitere Anschläge gegeben.
Der FDP-Parlamentarier Hartfrid Wolff mahnte, innere Sicherheit erfordere "eine Politik, in der Freiheit und Sicherheit in eine dauerhaft akzeptierte Balance gebracht werden". Auch müssten die Werte eines demokratischen Rechtsstaates "von allen täglich und selbstbewusst verteidigt werden". Dies könne nicht nur an Polizei und Sicherheitskräfte delegiert werden.
Wolff wandte sich zugleich gegen "Doppelstrukturen", die wenig effektiv seien. Deshalb wolle die FDP die Organisationsstruktur der Sicherheitsbehörden weiterentwickeln. So sei der Militärische Abschirmdienst verzichtbar. (sto)