Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2011 > Haushaltsdebatte: Schlussrunde
Die Regierung legt einen "historisch einmaligen Haushaltsentwurf vor": Norbert Barthle (CDU/CSU) eröffnete am Freitag, 9. September 2011, die Schlussrunde der ersten Lesung des Haushaltsgesetzes 2012 mit der Feststellung, dass der Ausgabenanstieg für den Etat 2010 auf ganze 0,7 Prozent limitiert wurde. Das habe noch keine Bundesregierung vorher geschafft. "Dieser Weg wird weiterhin eingeschlagen", sagte er zufrieden. Der über die Woche vorgebrachten Kritik der Opposition hielt er entgegen, sie habe bisher wenig Substanzielles beigetragen. "Net gschimpft isch gnuag globt", zitierte Barthle eine schwäbische Weisheit.
"Heute hätten wir bereits einen ausgeglichenen Haushalt, wäre nicht die Wirtschaftskrise dazwischen gekommen", so der Abgeordnete weiter. Dennoch sei der Entwurf des Haushaltsgesetzes 2012 (17/6600) gut, weil die Nettokreditaufnahme gesenkt und die Umsetzung des Zukunftspakets für Subventionsabbau sorgen werde.
Zusätzlich würden Änderungen in der Sozialgesetzgebung und geplante Einsparungen in der Verwaltung grundlegende Beiträge leisten. Dennoch stehe der Haushalt mit über 50 Prozent der Ausgaben im Bereich der Sozialpolitik für sozialen Ausgleich ein.
Als historischen Entwurf bezeichnete auch die Opposition den Regierungsetat. "Sie legen trotz guter Konjunktur die dritthöchste Neuverschuldung in der Geschichte des Bundesrepublik vor", sagte Carsten Schneider (SPD). Wie die Regierung die Haushaltsdebatte führe, werde der kritischen weltwirtschaftlichen Situation nicht gerecht. Während Vertrauensverlust und Nervosität in der Wirtschaft zunähmen, gebe die Bundesregierung keine Antworten darauf und halte an zu optimistischen Wachstumsprognosen fest.
"Die Regierungskoalition handelt fahrlässig in den besten wirtschaftlichen Zeiten und schafft es nicht, die Kreditaufnahme zu senken, um in schlechten Zeiten agieren zu können", sagte Schneider. So habe die Bundesregierung mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz am Anfang ihrer Regierungszeit den Länderhaushalten zur einseitigen Förderung der Hoteliers Geld entzogen und dafür bei den Arbeitslosen gekürzt: "Das ist ungerecht." Die SPD wolle den Spitzensteuersatz ab einen Einkommen von 65.000 Euro sukzessive anheben. "Das ist gerecht", sagte der Sozialdemokrat.
Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz habe zum guten Konjunkturergebnis beigetragen, stellte Dr. Jürgen Koppelin (FDP) fest. "Leistungsbereitschaft wird nicht durch Steueranhebungen angereizt", sagte er in Richtung SPD. Die Koalition spare, ohne auf Investitionen zu verzichten.
Koppelin dankte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für einen "realistischen Haushaltsentwurf", der bestätige, dass der bereits eingeschlagene Weg richtig sei, "weil die Nettokreditaufnahme geringer ausfällt als geplant.“ Deutschland müsse mit Blick auf Europa ein Vorbild in der Haushaltspolitik sein. "Das ist Deutschland", sagte er und warf der Opposition vor, nur in Polemik auszuweichen.
Dr. Dietmar Bartsch (Die Linke) kritisierte den Kabinettsbeschluss als unverantwortlich. "Die Ausgangslage ist dramatisch", sagte er im Hinblick auf die EU-Schuldenkrise. "Was passiert, wenn festgestellt wird, dass Griechenland kein neues Geld bekommen soll?", fragte Bartsch und warf der Regierung vor, die "Risiken der Schattenhaushalte nicht zu berücksichtigen".
Von einem Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent über die nächsten fünf Jahre auszugehen, sei unseriös. "Regulieren wir nicht die Finanzmärkte, werden wir weiterhin hinterherlaufen", sagte Bartsch. Passiert sei aber nichts: "Die Verursacher sind nicht zur Kasse gebeten worden." Finanzminister Schäuble bleibe Schuldenkönig, und die Regierung habe keine Maßnahmen zur Verbesserung der Einnahmeseite vorgelegt. "Die Bilanz der schwarz-gelben Regierung ist schlecht", so Bartsch. "Das Versprechen 'Mehr Netto vom Brutto' wurde nicht umgesetzt - im Gegenteil."
Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/Die Grünen) sieht die Koalition im Kampf um den Machterhalt in den eigenen Reihen. "Der Bundeshaushalt vergrößert die Verschuldung und profitiert von konjunkturellen Mitnahmeeffekten - konsolidiert wird aber nicht", monierte er. Für die gute Wirtschaftslage sei aber nicht die Koalition verantwortlich. Stattdessen würden sich CDU/CSU und FDP um den Abbau umweltschädlicher Subventionen drücken.
„Die sozial Benachteiligten zahlen die Zeche für die Krise“, befand der Grüne wegen geplanter Kürzungen im Bereich der Arbeitsmarktprogramme und Langzeitarbeitslosen. Hingegen sollten Vermögende eine einmalige Abgabe über zehn Jahre zur Haushaltskonsolidierung beitragen, schlug er vor. „Es wird Zeit, dass die Koalition abgewählt wird.“
Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) erinnerte daran, dass das Land "aus einer schweren wirtschaftlichen Krise besser herausgekommen ist, als wir es zu hoffen gewagt hätten". Unstreitig sei, dass es dem Land gut gehe. Bei der Rückführung der Neuverschuldung seien mehr Fortschritte erzielt worden als viele zu hoffen gewagt hätten. "Das ist ein großer Erfolg", so der Finanzminister. "Wir haben die höchste Zahl von Erwerbstätigen und die niedrigste Zahl von Arbeitslosen seit der Wiedervereinigung."
Die Regierung halte die Schuldenbremse ein und setze den Kurs der soliden Rückführung der Schulden fort, zählte Schäuble Erfolge auf. "Doch die Entwicklung der Weltkonjunktur ist an einem kritischen Punkt", gestand er ein. Der Minister warnte aber zugleich vor unangemessener Dramatisierung, denn der Haushalt stehe auf solider Grundlage.
Mit der Fortsetzung der "maßvollen Defizitreduzierung" wolle die Regierung die Hauptursache der Krise und des allgemeinen Vertrauensverlustes begegnen. "Die Bundesregierung ist entschlossen, Kurs zu halten", versprach er. Nur solide Finanzen stünden für wirtschaftlichen Wohlstand und soziale Gerechtigkeit.
Das Plenum beschloss im Anschluss der Debatte die Überweisung des Haushaltsgesetzentwurfs (17/6600) und des Finanzplans des Bundes bis 2015 (17/6601) an den Haushaltsauschuss. (eis)