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Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf soll vereinfacht werden. Am Donnerstag, 20. Oktober 2011, hat der Bundestag einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur sogenannten Familienpflegezeit (17/6000) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen in der vom Familienausschuss geänderten Fassung (17/7387) verabschiedet. Während CDU/CSU und FDP das Gesetz als wichtigen Beitrag zur Vereinbarkeit von Pflege und Erwerbstätigkeit würdigten, bezeichneten es die Oppositionsfraktionen als "reine Makulatur", "ineffektiv" und "arbeitnehmerfeindlich". Hauptkritikpunkt war der fehlende Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit.
Das Gesetz sieht vor, dass Berufstätige ihre wöchentliche Arbeitszeit maximal zwei Jahre lang auf einen Mindestumfang von 15 Stunden pro Woche reduzieren können.
Die Arbeitgeber, die ihren Beschäftigten während dieser Zeit das Gehalt um die Hälfte der Differenz zwischen dem bisherigen Gehalt und dem sich durch die Arbeitszeitreduzierung ergebenden geringeren Gehalt aufstocken, sollen dies durch ein zinsloses Bundesdarlehen über die Kreditanstalt für Wiederaufbau finanzieren können. Der Beschäftigte muss nach der Familienpflegezeit so lange Vollzeit zum geringeren Gehalt arbeiten, bis das Darlehen abbezahlt ist.
Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder (CDU) lobte das Gesetz als "innovatives System", das die Bürger entlaste, ohne das Sozialsystem zu belasten. Zahlreiche Unternehmen hätten bereits angekündigt, die Familienpflegezeit Anfang kommenden Jahres einzuführen. Das gelte nicht nur für Großunternehmen, sondern auch für kleine und mittelständische.
Schröder verwies auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens: Rund 65 Prozent der Berufstätigen hielten es für wünschenswert, dass Angehörige durch Familienmitglieder gepflegt werden. Mit dem Gesetz sollen auch mehr Männer angesprochen werden, betonte Schröder. Der Entwurf sei zugeschnitten auf Vollberufstätige und das seien – in der relevanten Altersgruppe – mehrheitlich Männer. Auch der CSU-Abgeordnete Norbert Geis begrüßte den Gesetzentwurf. Im Jahr 2020 werde es so viele 85-Jährige wie Fünfjährige geben, sagte er. Dies könne der Staat nicht alleine stemmen, deswegen sei es notwendig, die Familien zu stärken.
"Wofür gibt es dieses Gesetz, wenn der Rechtsanspruch fehlt?", wollte Petra Crone (SPD) wissen. Es sei falsch, dass die Auszeit zur Pflege vom "good will des Chefs" abhängt, betonte sie. Zudem kritisierte sie, dass pflegende Nachbarn oder Freunde nicht genannt würden und auch professionelle Pflegedienste nicht ins Spiel kämen. "Es fehlt ein Gesamtkonzept", konstatierte Crone.
Ihre Fraktion hatte einen Entschließungsantrag (17/7390) vorgelegt, in dem sie unter anderem forderte, den bestehenden Rechtsanspruch auf Freistellung von bis zu sechs Monaten für Pflege zu einem zeitlich flexiblen Freistellungsanspruch weiterzuentwickeln. Der Antrag wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
"Mit der Familienpflegezeit hat die Koalition geliefert", sagte die frauen- und seniorenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Nicole Bracht-Bendt. Der Gesetzentwurf sei ein Beitrag dazu, Arbeitnehmer langfristig an die Unternehmen zu binden. Sie wies zudem darauf hin, dass die Rentenansprüche der Pflegenden auf dem Niveau der Vollzeitarbeit blieben.
Es sei ihrer Fraktion wichtig gewesen, keinen Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit einzuführen, betonte Bracht-Bendt. Die unternehmerische Freiheit dürfe nicht angetastet werden. Manch kleines Unternehmen könne unter Umständen nicht auf die Arbeitskraft verzichten, ergänzte ihre Fraktionskollegin und familienpolitische Sprecherin Miriam Gruß.
Für die Fraktion Die Linke geht dagegen "der Pflegenotstand munter weiter". Der fehlende Rechtsanspruch mache das Gesetz "gänzlich überflüssig", sagte Kathrin Senger-Schäfer, pflegepolitische Sprecherin der Linken.
Ihre Fraktion hatte in einem Antrag (17/1754) eine sechswöchige bezahlte Pflegezeit für die Organisation der Pflege gefordert. Er wurde im Plenum abgelehnt.
Auch ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/1434) scheiterte an den Stimmen der Koalitionsfraktionen. In ihm hatten sich die Abgeordneten für eine maximal dreimonatige Pflegezeit mit steuerfinanzierter Lohnersatzleistung ausgesprochen.
Der von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf sei ein "einziges Fiasko" – vor allem wegen des fehlenden Rechtsanspruchs, kritisierte die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg. Der erwerbstätige Pflegende trage Last und Risiko. Zu beiden Anträgen lag eine Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses vor (17/7391). (tyh)