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Einen heftigen Schlagabtausch habens sich Koalition und Opposition am Donnerstag, 27. Oktober 2011, bei der Vorstellung des Abschlussberichts zum Kundus-Untersuchungsausschuss (17/7400) geliefert, der das Bombardement in der afghanischen Kundus-Region vom 4. September 2009 mit zahlreichen zivilen Todesopfern aufklären sollte. Der Berichterstatter der Unionsfraktion, Michael Brand, warf SPD, Linksfraktion und Grünen vor, angesichts der schwierigen Lage am Hindukusch ein „billiges“ und „unwürdiges“ Spiel mit dem Bundeswehreinsatz zu betreiben.
Die Opposition wolle dieses Engagement „skandalisieren und diffamieren“, monierte für die FDP Joachim Spatz. SPD-Sprecher Rainer Arnold hielt der Koalition vor, im Ausschuss nicht an wirklicher Aufklärung interessiert gewesen zu sein. Die Berichterstatterin der Linken, Inge Höger, verurteilte den Angriff als „gravierenden Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht“. Der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour kritisierte die Kooperation mit Union und FDP im Ausschuss als „Katastrophe“.
Die Ausschussvorsitzende Dr. Susanne Kastner (SPD) bezeichnete den Luftschlag als „einen der schwerwiegendsten Vorfälle in der Geschichte der Bundeswehr“, der auch im Bundestag zu einer neuen Bewertung des Afghanistaneinsatzes geführt habe. In der Nacht zum 4. September 2009 ließ Oberst Georg Klein zwei von Taliban gekidnappte Tanklaster durch US-Piloten bombardieren. Wie viele Tote und Verletzte es genau gab, ist bis heute unbekannt, Schätzungen schwanken zwischen 90 und 140, auch Kinder kamen ums Leben.
Anfangs hatte das Verteidigungsressort unter Minister Dr. Franz-Josef Jung (CDU) die Existenz ziviler Opfer bestritten und dann heruntergespielt. Wegen dieser Informationspolitik trat Jung, nach der Bundestagswahl an die Spitze des Arbeitsressorts gewechselt, zurück. Karl-Theodor zu Guttenberg, Nachfolger Jungs im Bendlerblock, stufte den Angriff zunächst als „militärisch angemessen“ und zwangsläufig, später als „militärisch unangemessen“ ein.
Für sein anfängliches Fehlurteil machte der CSU-Politiker Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Dr. Peter Wichert verantwortlich, die ihm wesentliche Erkenntnisse vorenthalten hätten. Guttenberg entließ die beiden Spitzenbeamten.
Brand nannte Klein eine „integre Persönlichkeit“. Dem Oberst sei wegen des Bombardements kein Vorwurf zu machen, er habe auf der Basis der seinerzeit vorhandenen Informationen „nach bestem Wissen und Gewissen zum Schutz der Soldaten gehandelt“.
Aus Sicht des CDU-Abgeordneten ist die Opposition mit dem Versuch gescheitert, mit Guttenberg einen der damals populärsten Politiker für ein Problem haftbar zu machen, das vor dessen Zeit als Verteidigungsminister lag. Die einstigen Fehler in der Kommunikationsstrategie des Ministeriums seien inzwischen behoben worden. Brand betonte, die Union stehe "zweifelsfrei hinter dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan“. Das Engagement der Soldaten dürfe „nicht kriminalisiert werden“.
Aus Sicht von Spatz hat sich das Bombardement im Nachhinein zwar als „nicht angemessen“ herausgestellt, doch habe Klein aufgrund der seinerzeitigen Informationen entschieden, weswegen sein Handeln unter den gegebenen Bedingungen „nachvollziehbar“ sei.
Der FDP-Sprecher wies die These zurück, Guttenberg habe mit Schneiderhan und Wichert „Bauernopfer“ gesucht. Spatz warf der Opposition vor, den Untersuchungsausschuss als „Bühne parteipolitischer Inszenierungen zu missbrauchen“.
Arnold kritisierte, bei dem Luftschlag sei es nicht um den Schutz des gar nicht gefährdeten Bundeswehrlagers, sondern um ein „offensives Vorgehen“ gegen Talibanführer gegangen. Der Angriff sei falsch gelaufen, es habe eine „Verkettung von Fehlern“ gegeben, so der SPD-Berichterstatter. Beispielsweise seien die Personen bei den Lastwagen nicht eindeutig als „legitime Ziele identifiziert worden“.
Dabei gehe es der SPD nicht darum, Klein persönlich zu verurteilen. Man wolle der Bundeswehr nicht in den Rücken fallen, konterte Arnold in Richtung Union. Guttenberg dürfe nicht nachträglich mit einem „Heiligenschein“ versehen werden. Der CSU-Politiker habe mit Schneiderhan und Wichert „zwei Sündenböcke“ für widersprüchlichen Beurteilungen des Bombardements gesucht, deren Zustandekommen er nicht habe erklären können. Arnold warb dafür, das militärische Nachrichtenwesen der Bundeswehr parlamentarisch besser zu überwachen und das Handeln der Soldaten bei Auslandseinsätzen rechtlich klarer zu regeln.
Für Die Linke beklagte Höger, der Ausschuss habe „wenig Licht in die Vertuschungsmanöver rund um den Luftangriff gebracht“. Eine wirksame parlamentarische Kontrolle von Auslandseinsätzen sei nicht gewährleistet. 2009 sei versucht worden, das Bombardement aus dem Bundestagswahlkampf herauszuhalten.
Höger sagte, die Realität des Bundeswehrengagements in Afghanistan sei geprägt von „offensiven kriegerischen Aktionen“ und nicht vorrangig von Entwicklungshilfe. Man wolle Klein nicht zum Sündenbock machen, doch seien seinerzeit viele Einsatzregeln der Nato verletzt worden.
Er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, meinte Nouripour, dass afghanische Behörden durch die Übermittlung bestimmter Nachrichten an Klein den Luftschlag herbeiführen wollten. Der einstige Minister Jung habe „tagelang falsche Informationen gestreut, weil Wahlkampf war“.
Bei dem Angriff, so der Grünen-Abgeordnete, seien unabsichtlich viele Fehler gemacht worden. Künftig müssten Einsatzregeln an die Soldaten besser vermittelt und Mängel bei der Bundeswehrausrüstung am Hindukusch beseitigt werden.
Brand, Spatz und Arnold wiesen die Kritik der Linken zurück, das Bombardement sei völkerrechtswidrig gewesen, Nouripour hingegen stimmte dieser Einschätzung zu.
Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert würdigte bei der Übergabe des Abschlussberichts durch die Ausschussvorsitzende Kastner die Arbeit des Untersuchungsausschusses als Beleg dafür, wie eng die Armee an das Parlament angebunden sei. Nirgendwo sonst sei das Verhältnis zwischen Armee und Parlament so eng wie in Deutschland. (kos)