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Soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz, Ablehnung der Atomkraft – Gründe, um politisch aktiv zu werden, gibt es für Frank Schwabe genug. Alternativen zu der Partei, der er im Alter von 20 Jahren beitritt, nicht: Schon der Großvater des heute 41-jährigen Politikers aus Castrop-Rauxel ist Sozialdemokrat, der Vater arbeitet 35 Jahre lang im Steinkohlebergbau unter Tage. Der Sohn ist nun seit 2005 Abgeordneter des Bundestages. Als Mitglied des Umweltausschusses und als klimapolitischer Sprecher der SPD setzt Schwabe auf eine nachhaltige Energieversorgung und gesetzlich fixierte Klimaschutzziele.
Wo seine politischen Wurzeln liegen? Franke Schwabe muss lächeln: „Mein Opa war in der SPD, da wusste ich wenigstens, wie ich an ein Aufnahmeformular kommen konnte.“ Der 41-Jährige stammt aus Ickern, einer kleinen Gemeinde nördlich der westfälischen Stadt Castrop-Rauxel. 1970 wird er in Waltrop geboren, im Ruhrgebiet, mitten im alten Kernland der SPD. Die Eltern seien „hart arbeitende, einfache Leute“, erzählt Schwabe.
Der Vater macht Doppelschichten „auf'm Pütt“. 35 Jahre arbeitet er in verschiedenen Zechen, verliert dabei eines Tages einen Finger. Mit 50 geht er in Frührente. Sein Sohn soll etwas anderes machen: „Mein Vater hat mir schon sehr früh von einer Ausbildung im Bergbau abgeraten, was für viele meines Alters in Ickern noch interessant war. Er wusste, dass es mit der Steinkohle im Ruhrgebiet irgendwann zu Ende geht.“ So ist Frank Schwabe der erste in der Familie, der das Gymnasium besucht – und einer der wenigen seines Jahrgangs vor Ort.
Was ihn aber wirklich politisch aufgeweckt habe, erzählt Schwabe, sei die Frage gewesen, wie es denn in einer so reichen Gesellschaft Menschen ohne Obdach geben könne. „Immer morgens auf dem Weg zur Schule saß da ein Obdachloser, der war für mich ein Symbol für Ungerechtigkeit.“ Auch Umweltschutz ist ihm schon früh wichtig: Er ist etwa zehn Jahre alt, als er versucht, den Vater zu überzeugen, im Garten keine Pflanzengifte gegen Läuse einzusetzen. Käfer und Ohrenkneifer sollen so geschont werden.
Schwabe arbeitet zum Erstaunen der Nachbarskinder gern im Garten, baut Obst und Gemüse an. „Die dachten, ich hätte was ausgefressen, aber ich habe das freiwillig gemacht und meinen Eltern immer größere Stücke des Gartens abgetrotzt.“ Eine Entwicklung, die seit seinem Auszug von Zuhause allerdings stark rückläufig sei, setzt Schwabe trocken hinzu.
1991, seinen Wehrdienst hat er gerade abgeleistet, tritt er in die SPD ein. Er will sich einmischen, selbst gestalten, etwas voranbringen. Die SPD ist für ihn genau der richtige Ort: „Sie ist die Partei, die progressiv ist, Veränderung will – und es schafft, auch die kleinen Leute mitzunehmen“, sagt Schwabe. Sie habe eine wichtige Brückenfunktion.
ls 20-Jähriger will Schwabe vor allem etwas für Umweltschutz und den „solaren Umbau“ tun. Er wird auch Mitglied beim BUND für Umwelt und Naturschutz, engagiert sich aber vor allem bei den Jusos, wo er unter anderem Proteste gegen die Castor-Transporte ins Atommüll-Zwischenlager Ahaus organisiert. Nebenbei beginnt er ein Studium der Volkswirtschaftslehre in Osnabrück, das er aber bald zugunsten einer Fächerkombination aus Politik, Geschichte, Soziologie und Landespflege an der Uni Essen wieder beendet.
Sein politisches Engagement nimmt immer mehr Raum ein: 1992 wird er Mitglied im Stadtvorstand der SPD und 1994 sachkundiger Bürger in verschiedenen Ausschüssen des Stadtrates von Castrop-Rauxel. Später arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Wahlkreisbüro unter anderem für die Europa-Abgeordnete Jutta Haug (SPD) und den Bundestagsabgeordneten Jochen Welt (SPD).
Dass er einmal dessen Nachfolger werden könnte, habe er allerdings zu dem Zeitpunkt nicht angestrebt und auch nicht für möglich gehalten, beteuert Schwabe. „Das habe ich mir gar nicht zugetraut damals.“
Beruflich kann er sich anderes vorstellen: „Der Bereich Stadt- und Regionalentwicklung hätte mich sehr gereizt. Mitzuhelfen, im Ruhrgebiet etwas Neues zu schaffen, hätte ich spannend gefunden.“ Nicht etwa „ein Silicon Valley“, beeilt sich Schwabe hinzuzusetzen, sondern etwas, „das die Identität der Region bewahrt und Bezug zur Vergangenheit hat“.
Inzwischen sei es aber gelungen, aus dem früheren verrußten „Pott“ eine Kulturregion zu machen. Die Hochöfen, Fördertürme und Gasometer nicht einfach zu abzureißen, sondern kulturell zu nutzen, findet er richtig, arbeitete er selbst doch lange als Gästeführer an solch industriekulturellen Orten wie dem Gasometer in Dortmund. Nur eins dürfe man „bei aller Schönheit der Kulturdenkmäler“ nicht vergessen, mahnt der Sohn eines Bergmanns: „Wie hart dort die Arbeit war.“
Wenn Schwabe von seiner Heimat erzählt, ist seine Verbundenheit mit dem Ruhrgebiet kaum zu überhören. Er hat eine Stehplatz-Dauerkarte auf Schalke, lebt noch immer in Castrop-Rauxel: „Ich mag die Leute einfach, die sind offen, ehrlich, gerade heraus.“
Zu Hause in Ickern auf dem Markt würde er schon mal ganz direkt angesprochen: ‚Hörma, was haste denn da für’n Mist gemacht?’ Aber stolz, dass einer aus ihrem kleinen Ort heute in Berlin im Bundestag sitze, das seien sie doch, meint Schwabe.
Dieser Verwurzelung wegen hat er auch bis heute nicht seinen Sitz im Stadtrat von Castrop-Rauxel, in den er 2004 gewählt wurde, aufgegeben. Das Mandat für den Kreistag, in den er ebenfalls 2004 eingezogen war, hat er allerdings abgegeben, als klar war, dass er Abgeordneter für den Wahlkreis Recklinghausen, Castrop-Rauxel, Waltrop im Bundestag werden würde.
Sehr überraschend war für ihn die Chance zur Kandidatur für das Parlament in Berlin gekommen: „Müntefering und Schröder haben nicht mit mir abgesprochen, was sie planten“, scherzt Schwabe und spielt auf die Situation nach der von der SPD verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2005 an. SPD-Parteichef Franz Müntefering und Bundeskanzler Gerhard Schröder hatten angesichts des verheerenden Ergebnisses bekannt gegeben, Neuwahlen auf Bundesebene anzustreben. „Ich musste noch am Wahlabend entscheiden, ob ich kandidieren will“, erinnert sich Schwabe.
Seit seinem Einzug in den Bundestag ist Schwabe ist als Mitglied des Umweltausschusses zuständiger Berichterstatter für die nationale und internationale Klimapolitik und insbesondere den europäischen Emissionshandel. Große Themen für einen „Neuling, der noch nicht so profiliert war“, sagt Schwabe offen. Doch er arbeitet sich ein, ist international viel unterwegs, reist etwa zu den UN-Klimakonferenzen in Posen, Kopenhagen und Cancún.
Für Schwabe, der als Juso einst gegen die Atomtransporte demonstrierte, ist es eine Genugtuung, dass der Atomausstieg nun beschlossen und vor allem auch von der unionsgeführten Regierung getragen wird – doch in der Klimaschutzpolitik kann er der Koalition kein gutes Zeugnis ausstellen. Insbesondere dass sie in dieser Legislaturperiode kein Klimaschutzgesetz mehr vorlegen wolle, kritisiert er. „Alles, was wir haben, sind Absichtserklärungen, den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren. Aber entscheidend ist, dass wir unsere Ziele gesetzlich definieren, festlegen, bis wann sie erreicht sein sollen – und auch die Überprüfungsmechanismen fixieren.“
Doch das ist nicht alles: Schwabe setzt sich für eine Erhöhung der europäischen Zielvorgaben der Kohlendioxideinsparung von 20 auf 30 Prozent ein und fordert, den Entwicklungsländern beim Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung finanziell endlich unter die Arme zu greifen: „Es wurde in Cancún beschlossen, dass die Industrieländer den Entwicklungsländern in Zukunft 100 Milliarden US-Dollar zahlen, aber die Bundesregierung ist bis heute nicht ihren finanziellen Verpflichtungen nachgekommen.“
Das sei „verheerend“, moniert Schwabe, weil es „Vertrauen zerstöre“: „Im Ausland unterscheiden die Leute oft nicht, ob da ein Regierungsmitglied oder ein Oppositionspolitiker vor ihnen steht, da bekomme ich schon viel Ärger zu spüren.“ Im November sei er in Lateinamerika unterwegs, und schon jetzt wisse er, was er dort zu hören bekommen werde: „Wo bleibt das Geld?“ (sas)