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Verbraucher sollen künftig unbürokratischer informiert werden. © picture alliance / dpa Themendienst
Nach der Dioxin- und EHEC-Krise: Der Bundestag entscheidet über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation (17/7374). Nach Evaluation des im Mai 2008 in Kraft getretenen Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) soll die Novellierung zu mehr Verbraucherfreundlichkeit beitragen. Ob der Entwurf die Erwartungen erfüllt, debattiert das Plenum am Freitag, 2. Dezember 2011, voraussichtlich ab 12.40 Uhr 45 Minuten lang. Bündnis 90/Die Grünen haben drei Änderungsanträge zum Gesetzentwurf vorgelegt (17/8019, 17/8020, 17/8021), über die ebenso abgestimmt wird wie über Entschließungsanträge der SPD (17/8022), der Linksfraktion (17/8023) und der Grünen (17/8024), über die ebenfalls abgestimmt wird.
Ziel soll sein, dass Auskünfte unbürokratischer erteilt und die Bürger schneller durch die Behörden informiert werden. Dabei soll der Entwurf in „angemessener Weise“ die „schutzwürdigen Interessen Dritter berücksichtigen“. Das VIG soll darüber hinaus an die Vorschriften anderer Informationsgesetze angepasst werden, um die „Kohärenz“ des Informationszugangsrechts zu erhöhen.
Die Verbraucher profitieren von der geplanten Novellierung, hieß es nach Ansicht der Mehrheit eingeladener Sachverständiger auf einer aufgrund der Novellierung einberufenen öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 9. November 2011. So begrüßte Gerd Billen von der Verbraucherzentrale Bundesverband die von der Bundesregierung vorgelegte VIG-Novelle. „Der Verbraucher hat nach Artikel zwei des Grundgesetzes das Recht auf körperliche Unversehrtheit“, sagte er. Der Entwurf würde in diesem Sinne Verbrauchern einen leichteren Zugang zu Informationen gewähren.
Christoph Hahn vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) drang darauf, dass das Auskunftsrecht gegenüber allen Produkten und Dienstleistungen gelten müsse. Er trat für mehr Transparenz in der Finanzbranche ein, die sowohl im Interesse der Verbraucher als auch der Beschäftigten der Finanzinstitute sei. Der Druck auf die Angestellten sei in dieser Branche besonders hoch.
Peter Knitsch vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen bezeichnete die Novellierung als „dringend überfällig“. Er forderte, dass der Informationsanspruch gegenüber Unternehmen unter ethischen Gesichtspunkten und in Fragen der Nachhaltigkeit erweitert werden soll. „Einer Kaufentscheidung müssen entsprechende Informationen zugrunde liegen können“, sagte er.
Nach Ansicht von Anne Markwardt von Foodwatch wird die VIG-Novelle in Zukunft jedoch ihr Ziel nicht erreichen. „Verbraucher werden nicht ausreichend informiert, weil Händler und Firmen, die zum Beispiel Gammelfleisch in Umlauf bringen, nicht zeitnah genannt werden“, kritisierte sie. Es gebe zu viele Schlupflöcher, um die Informationenfreigabe zu behindern und aufzuhalten.
Dr. Marcus Girnau vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde warnte vor dem Zwang zu früher Informationsoffenlegung. „Das VIG dient nicht der Abwehr der akuten Gesundheitsgefährdung“, sagte er. „In diesem Gesetz geht es um Auskunftsansprüche ohne Verfahrensdruck.“ Alles andere darf nach Girnau nicht Maßstab sein. Er befürchtet die einseitige Benachteiligung der Wirtschaft durch die Novelle.
Rechtsanwalt Dr. Walter Scheuerl kritisierte den Gesetzentwurf als Medienversorgungsgesetz. „Die bisherige Regelung hat ausgereicht“, sagte er. Durch den vorgelegten Entwurf würden die Behörden bei Verdacht die gesetzliche Ermächtigung erhalten, ohne Anhörung und ohne Rechtsschutz der betroffenen Unternehmen Informationen zu veröffentlichen. „Die Unternehmen werden dadurch rechtlos gestellt, weil der Amtshaftungsanspruch durch das Gesetz nicht mehr gültig ist.“
Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger von der Universität Augsburg erachtete das Gesetz dagegen als verfassungskonform. Der bessere Informationszugang sei Grundlage für die den Verbrauchern zugesicherte Vertragsfreiheit. Er sah auch nicht, dass eine Mitteilung an Behörden über einen Rechtsverstoß eines Unternehmens dem Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gleichkomme.
Gerhard Zellner vom Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz stimmte zu, dass der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gewahrt bleibe. Er kritisierte die starke Dramatisierung der Diskussion um das VIG. „Sachlichkeit ist notwendig“, sagte er.
In Deutschland müsse sich erst noch eine Kultur der Transparenz ausbilden. Das novellierte VIG könne ein Element dieser Kultur werden. (eis)