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Bei den Finanzierungsmöglichkeiten für Start-up-Unternehmen gibt es in Deutschland Nachholbedarf. Zu dieser Einschätzung gelangten mehrere Experten während einer öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ unter Vorsitz von Axel E. Fischer (CDU/CSU) zum Thema „Veränderungsprozesse in der digitalen Wirtschafts- und Arbeitswelt“ am Montag, 12. Dezember 2011. Für eine „nachhaltige Förderung von risikokapitalfinanzierten Finanzierungsmodellen“ sprach sich Heiko Hebig von der SPIEGELnet GmbH aus. Mit den in Deutschland zumeist üblichen Bankkrediten sei Start-up-Unternehmern oftmals nicht geholfen, da deren Geschäftsmodelle für derartige Kredite nicht geeignet seien, betonte Tom Kirschbaum, Mitgründer der Penelope Ventures GmbH. Durch Venture-Capital-Gesellschaften vergebenes Risikokapital dürfe man daher „nicht verteufeln“.
In Frankreich habe man positive Erfahrungen mit Steuererleichterungen für Wohlhabende gemacht, die in Wagniskapitalmodelle investieren, sagte Frederic Hanika von der Software AG. Dadurch hätten sich mehr Wagniskapitalfonds gegründet, wodurch die Finanzierung von Start-up-Unternehmen einfacher geworden sei.
Schwieriger als ein Start-up-Unternehmen zu gründen, so Hanika weiter, sei jedoch der Schritt zu einem „großen Unternehmen“. Dafür bedürfe es eines hohen Vermarktungsaufwandes, betonte er. Dies sei oft teurer als die eigentliche Entwicklung.
Ein weiteres Problem für junge Unternehmensgründer, so Heiko Hebig, sei der hohe bürokratische Aufwand. Hier wäre es aus seiner Sicht sinnvoll, wenn zumindest im Anfangsstadium Erleichterungen ermöglicht würden. Die Bewertung von Chancen und Risiken müsse sich ändern, forderte Tom Kirschbaum. „In Deutschland wird nicht die Vision gesehen, sondern die Bedenken“, befand er. Facebook etwa werde in den Medien zumeist im Zusammenhang mit eventuellen Verstößen gegen den Datenschutz genannt.
„Ich würde mir wünschen, dass wir stärker über die Chancen reden“, sagte der Unternehmensgründer. Eine dieser Chancen liege in der neuen Arbeitskultur, welche den Mitarbeiter zum „Teil des Projekts“ mache, sagte er. Die neuen Arbeitszeitmodelle, die keine festen Anfangs- oder Endzeiten und auch keine festen Arbeitsorte kennen würden, böten Vorteile und seien „spannend für die Familienplanung“, sagte auch Heiko Hebig.
Prof. Dr. Ruth Stock-Homburg von der Technischen Universität Darmstadt warnte jedoch vor der völligen Vermischung von Beruf und Familie. Dies sei schlecht für die Gesundheit aber auch für die Leistung. Dagegenwirken könne man mit einer hohen Medienkompetenz, sagte sie. So könne man Arbeit zuhause „nur an bestimmten Orten stattfinden lassen, um nicht das gesamte soziale Umfeld damit zu beglücken“.
Eine solche Medienkompetenz sollte ihrer Ansicht nach in einem Technologieunterricht vermittelt werden. Es sei jedoch zu beobachten, dass Unterrichtsangebote, die schon in den Grundschulen beginnen, vom Tisch sind, "sobald der Rotstift angesetzt wird".
Auf Probleme bei der Ausbildung ging auch der Publizist Prof. Dr. Gunter Dueck ein. „Kreativität wird in der Schule als Krankheit betrachtet“, urteilte er. Zudem sei die Vermittlung sozialer Kompetenz „kein Bestandteil des Bildungssystems“.
Zwar werde auf das Zuhören Wert gelegt. Das Austeilen von Befehlen werde aber in der Schule aberzogen, kritisierte er. Das sei falsch, da man als Unternehmer auch mal „klare Ansagen“ machen müsse.
Dem Vorteil von Unabhängigkeit durch die neue Arbeitskultur stünden soziale Isolation, mangelnder Arbeitsrhythmus, fehlende Infrastruktur und fehlende Professionalität entgegen, sagte Holger Eggerichs, mitverantwortlich für „Cloudsters“ – einem gemeinnützigen Projekt zur „Zukunft der Arbeit“ des Lübecker Vereins Lubeca.
Mit dem Projekt habe man ein gemeinnütziges, städtisches „Co-Working-Konzept“ geschaffen, das allen Bürgern Zugriff auf eine virtuelle Arbeitsplattform gibt und ihnen erlaubt, unternehmensübergreifend zu kommunizieren und zu kooperieren.
Handlungsempfehlungen zum Thema Datenschutz und Persönlichkeitsrechte beschloss die Kommission im Anschluss. Bei vielen strittigen Themen gab es jedoch weder für den Textvorschlag der Koalitionsfraktionen noch für den der Opposition eine Mehrheit. So etwa bei der Frage des Kopplungsverbots, dem Beschäftigtendatenschutz oder den Schadensansprüchen im Datenschutzrecht. Damit gehen die beiden Textvarianten als Sondervotum in den Bericht ein.
Eine Mehrheit fand hingegen der von der Koalition vorgelegte Textentwurf zum Datenschutz bei Kindern und Jugendlichen, zur Veröffentlichung von Daten im Internet und zum Thema Profilbildung. In weiteren Bereichen hatte sich die Projektgruppe auf gemeinsame Textpassagen geeinigt. Von den Oppositionsfraktionen vorgelegte Ergänzungstexte blieben jeweils ohne Mehrheit.
Beim Thema Verbandsklagerecht blieb der Text der Koalition, die sich gegen ein umfassendes Verbandsklagerecht aussprach ebenso ohne Mehrheit wie der Vorschlag der Opposition, ein „fremdnütziges" Klagebefugnis, ähnlich dem Instrument des Verbandsklagerechts, zu schaffen.
Heftig umstritten war das Thema "Soziale Netzwerke". Die von der SPD-Fraktion benannte Expertin Cornelia Tausch sagte, ein Antrag auf Löschung der Daten beim Betreiber der Plattform müsse auch zu einer Löschung führen. Daher fordere die Opposition, einen gesetzlichen Anspruch auf Löschung des Accounts inklusive aller gespeicherter Nutzerdaten zu schaffen.
Damit, so entgegnete der von der FDP-Fraktion benannte Sachverständige Wolf Osthaus, schaffe man das Problem Facebook auch nicht aus der Welt. Eine Ausweitung des Kopplungsverbotes, wie von der Opposition gefordert, lehnte er ebenfalls ab, da somit der Wettbewerb verhindert werde.
Der Grünen-Abgeordnete Dr. Konstantin von Notz sprach sich für gesetzliche Regelungen aus. Was bei Facebook geschehe, sei grundgesetzwidrig. Der Gesetzgeber müsse da reagieren, unabhängig davon, ob das Unternehmen seinen Sitz im Ausland hat.
Der ebenfalls von der FDP-Fraktion benannte Sachverständige Prof. Dr. Hubertus Gersdorf forderte Zurückhaltung in dieser Frage. Es müsse verhindert werden, dass der Datenschutz zu einem Kommunikationshindernis werde, sagte er.
In der Frage der Veröffentlichung von Daten setze die Koalition auf Selbstverpflichtungen, kritisierte Cornelia Tausch. Das reiche jedoch nicht aus, weshalb die Opposition gesetzliche Regelungen vorschlage. Durch ausgeweitete Widerspruchsrechte, antwortete Hubertus Gersdorf, würde jedoch das Kommunikationsinteresse eingeschränkt.
„Tiefgreifender Handlungsbedarf" ist aus Sicht des von der SPD-Fraktion benannten Sachverständigen Lothar Schröder im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes zu erkennen. Die Koalition widme dem Thema jedoch nur zwei kurze Absätze in den Handlungsempfehlungen, kritisierte er. Aus Sicht von Constanze Kurz macht die Koalition damit deutlich, dass sie gar keinen Handlungsbedarf sieht.
Es gehe hier nicht um die Quantität, entgegnete Manuel Höferlin (FDP), Vorsitzender der Projektgruppe Datenschutz und Persönlichkeitsrechte. Im Koalitionstext würden die Grundlagen für ein künftiges Gesetz aufgezeigt. Beide Textvorschläge zu dem Thema blieben ohne Mehrheit.
Die Forderung der von der Linksfraktion benannten Sachverständigen Constanze Kurz, ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu schaffen, fand ebenfalls keine Mehrheit.
Der Unionsabgeordnete Thomas Jarzombek lehnte dies ab und verwies darauf, dass die informationelle Selbstbestimmung „durch die Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts" schon Grundrecht sei.