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Die Fraktion Die Linke sieht Deutschland auf dem Weg „zur prekären Republik“. Anlässlich der aktuellen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst hat der Bundestag am Donnerstag, 22. März 2012, in einer von der Linksfraktion beantragten Aktuelle Stunde das Thema „Tarifrunde 2012 – Höhere Löhne durchsetzen, jungen Beschäftigten eine Zukunftsperspektive bieten“ behandelt. Die Linksfraktion fordert ebenso wie die beiden anderen Oppositionsfraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen und SPD eine Einmischung der Politik in Form von Mindestlöhnen. Die Regierungsfraktionen hingegen sehen keine Notwendigkeit dazu.
Die Linke-Abgeordnete Ulla Lötzer nahm eingangs Bezug auf die Streiks im öffentlichen Dienst und die Demonstrationen der Arbeitnehmer in Nordrhein-Westfalen. „Wir sind es wert“, hätten diese am 21. März ihre Forderungen begründet. „Und sie haben recht, denn dank ihnen funktioniert das öffentliche Leben.“ Beispielhaft nannte Lötzer öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten und Krankenhäuser.
„Acht Prozent Reallohnverlust in Nordrhein-Westfalen“ habe es in den letzten zehn Jahren gegeben. Auszubildenden werde „die Übernahmegarantie verweigert“. Deshalb sei in Deutschland die Einführung einer „Übernahmegarantie“ notwendig. „Altenpfleger in Vollzeit müssen mit 1.300, 1.400 Euro brutto nach hause gehen“, deshalb seien „die Forderungen nach 6,5 Prozent Lohnerhöhung richtig“, erklärte Lötzer. „Uns geht diese Tarifrunde etwas an, das ist eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft.“
Beate Müller-Gemmeke, Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen schloss sich dem Grunde nach ihrer Vorrednerin an und nannte die vergangenen Jahre ein „verlorenes Jahrzehnt für viele Beschäftigte“. So habe es auch das Institut für Wirtschaft bezeichnet. Deutschland brauche solidarische Lohnerhöhungen, das sei ein „Gebot der sozialen Gerechtigkeit“. Müller-Gemmeke führte aus, dass der Trend zur Befristung von Arbeitsverhältnissen gehe und sprach von der „Generation Probezeit“. Für die sei deshalb „Lebensplanung“ ein Begriff, „über den sie nur müde lächeln“ könne. Insgesamt sind die aktuellen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt ihrer Ansicht nach „bedenklich“; Deutschland brauche „soziale Leitplanken“.
Abschließend verwies die Grünen-Abgeordnete darauf, dass am 23. März in Deutschland der sogenannte Equal Pay Day begangen wird. Mit dem Aktionstag wird darauf hingewiesen, dass Frauen bis zu diesem Datum, also bis zum 23. März 2012, arbeiten müssen, um die gleichen Löhne zu bekommen, die Männer bereits im Jahr 2011 verdient haben. „Diese Lohnlücke muss im 21. Jahrhundert geschlossen werden“, erklärte Müller-Gemmeke.
„Wir sind gut beraten, wenn wir die aktuellen Forderungen ernstnehmen“ appellierte der Redner der SPD-Fraktion, Ulrich Meßmer, an das Hohe Haus. Er nannte zur Begründung auch den Grund, dass „gerade die Steuern der Arbeitnehmer“ dazu beitragen würden, dass sich Deutschland beispielsweise an der Griechenlandhilfe beteiligen könne. Ein tariflicher Schutz sei generell wirkungslos, wenn er nicht von einer sinnvollen Gesetzgebung flankiert werde.
„Leiharbeit“, sagte Meßmer weiter, „wird zunehmend als Bedrohung für feste Arbeitsverhältnisse gesehen“, denn die Gehälter fielen um bis zu 50 Prozent niedriger als bei Stammbeschäftigten aus. Deshalb sei der Gesetzgeber gefordert, eine Regelung zur Mitbestimmung zu schaffen, um die Regelung über Leiharbeit in die Hände der kompetenten Betriebsräte zu legen. „Gutes Geld für gute Arbeit, das muss für alle gelten.“
Heike Bremer, Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion, warf der Linksfraktion vor „Hoffnungen zu wecken, dass wir die Tarifautonomie außer Kraft setzen“. Das sei aber nicht im Interesse ihrer Fraktion und auch nicht der Beteiligten selbst, wie sie später ausführte. Unter anderem argumentierte Bremer, dass der öffentliche Dienst von der aktuellen Demografie profitiere. Ein „sehr hoher Altersschnitt, gerade im öffentlichen Dienst“, würde in den nächsten Jahren einen „hohen Bedarf an jungen Kräften“ schaffen.
Die Gewerkschaft Verdi schreibe auf ihrer Website zur Tarifautonomie: „Einmischen nicht erlaubt, das gilt auch für den Staat.“ Daran werde sich, so Bremer, die CDU/CSU-Fraktion strikt halten: „Wir wollen keine Mindestlöhne, die sich an Wahlkampfterminen orientieren; wir brauchen auch keine staatliche Lohnkommission wie in der DDR“, sagte sie an die Linksfraktion gerichtet. Für die dritte Runde der aktuellen Tarifverhandlungen am 28. und 29. März in Potsdam wünschte sie „gute Verhandlungen“, fügte aber hinzu, dass nicht alle Forderungen umsetzbar seien.
Pascal Kober (FDP) vertrat im Großen und Ganzen die gleiche Position wie seine Koalitionskollegin Bremer von der CDU/CSU-Fraktion: Es herrsche schließlich die Tarifautonomie, die gleichzeitig eben eine „Tarifhoheit“ sei. Weder seitens der Arbeitgeber noch seitens der Arbeitnehmer sei „eine Einmischung des Gesetzgebers“ gewünscht. Kober argumentierte, dass Deutschland in der Vergangenheit, seit Bestehen der Tarifautonomie, und bis heute „ausgezeichnete Erfahrungen gemacht“ habe, eben weil „die Politik nicht bestimmt“ habe.
Vielmehr müsse der Gesetzgeber die Voraussetzungen für eine gute Wirtschaftspolitik“ schaffen. Das sei Aufgabe der Politik, nicht aber die Einmischung in Tarifverhandlungen beispielsweise durch die Festlegung von Mindestlöhnen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssten sich allein einigen. Allein die Arbeitgeber wüssten, wie die Preise für Dienstleistungen so aufrechtzuerhalten sind, „dass sie weiter nachgefragt werden.“ (ver)