Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > März 2011 > Trotz prinzipieller Zustimmung viel Kritik von Experten am Gesetzentwurf zur Aussetzung der Wehrpflicht
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, machte keinen Hehl daraus, dass sein Verband bis zuletzt an der Wehrpflicht festhalten wollte. Zugleich stellte er jedoch klar, dass die geplante Aussetzung der Wehrpflicht jetzt nicht mehr rückgängig zu machen sei. Durch die Ankündigung des Bundesverteidigungsministeriums, bereits ab März keine Wehrpflichtigen mehr einzuberufen, habe man sich selbst unter Zeitdruck gesetzt. Nun müsse es darum gehen, den geplanten freiwilligen Wehrdienst für Frauen und Männer von sechs bis 23 Monaten zügig zu verankern, argumentiert Kirsch. Bislang könnten die Kreiswehrersatzämter potenzielle Bewerber nicht angemessen über die Modalitäten des freiwilligen Wehrdienstes beraten. Zudem müsste dieser ausreichend attraktiv gestaltet werden, wenn genügend Freiwillige für die geplanten 15.000 Dienstposten rekrutiert werden sollen.
Gerd Höfer, Präsident des Reservistenverbandes, äußerte die schärfste Kritik an dem Gesetzentwurf, den er als ”schlampig“ bezeichnete. Bislang sei noch kein Reservistenkonzept ausgearbeitet worden. Dies werde allerdings benötigt, um einen personellen Aufwuchs der Streitkräfte im Spannungs- und Verteidigungsfall zu gewährleisten, wie dies der Gesetzentwurf vorsehe. Hofer plädierte dafür, weiterhin alle wehrdienstpflichtigen Männer zu mustern. Da die Wehrpflicht ja nicht aus der Verfassung gestrichen werde, sondern lediglich auf die Einberufung verzichtet werden soll, sei dies auch rechtlich möglich. Ansonsten würden lediglich die Personaldaten jener Männer und Frauen vorliegen, die den freiwilligen Wehrdienst geleistet haben.
Durchgängig bemängelt wurde von den Experten, dass derzeit keine nachvollziehbare sicherheitspolitische Begründung für die angestrebte Reform der Bundeswehr existiere. Dies sei jedoch notwendig, wenn man Personalumfang und Finanzierung der Bundeswehr in der Öffentlichkeit und gegenüber den Soldaten begründen wolle, argumentierten übereinstimmend Reiner Pommerin, Sprecher des Beirats für Fragen der Inneren Führung, Hilmar Linnenkamp von der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik und die Hochschulprofessoren Jürgen Schnell von der Bundeswehr-Universität München und Jörn Ipsen von der Universität Osnabrück. Alle drei Experten begrüßten jedoch prinzipiell die angestrebte Aussetzung der Wehrpflicht.
Zustimmung für die geplante Aussetzung der Wehrpflicht kommt auch von der Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung. Deren Geschäftsführer Ralf Siemens machte jedoch zugleich klar, dass die Schaffung eines freiwilligen Wehrdienstes für Frauen und Männer nicht durch eine Änderung des Wehrpflichtgesetzes erreicht werden könne. Das Wehrpflichtgesetz leite sich schließlich aus Artikel 12 a des Grundgesetzes über die allgemeine Wehrpflicht ab. Dies sei jedoch verfassungsrechtlich nicht vorgesehen. Siemens plädierte deshalb, den freiwilligen Wehrdienst durch eine entsprechende Änderung des Soldatengesetzes zu verankern. Dafür sprach sich auch der Hochschulprofessor Ulli Arnold von der Universität Stuttgart aus. Dies sei schon deshalb geboten, um freiwillige Wehrdienstleistende rechtlich nicht anders zu stellen wie Zeit- und Berufssoldaten.
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