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Vor dem für Ende April terminierten Beginn der Zeugenvernehmungen zu den Kernthemen des Gremiums wollten sich die elf Abgeordneten über die Entwicklungen des Rechtsextremismus informieren, um den NSU und die dieser Gruppe zugerechneten zehn Morde sowie die Pannen und Fehlgriffe der Sicherheitsbehörden bei den Ermittlungen adäquat einordnen zu können.
Laut Stöss ist die Zahl der Aktiven in rechtsextremen Parteien, in der freien Szene wie etwa den Kameradschaften oder in der Subkultur seit 1993 um 60.000 „dramatisch zurückgegangen“. Diese Entwicklung sei in erster Linie zu Lasten von Parteien wie der DVU oder der Republikaner gegangen, die sich als Opposition innerhalb des Systems verstünden. Hingegen hätten die parteiunabhängige Szene und die Subkultur, wo eine zunehmende Gewaltbereitschaft zu beobachten sei, einen stärkeren Zulauf zu verzeichnen, so der emeritierte Professor von der FU Berlin. Gerade in den neuen Ländern sei bei diesen Gruppen die Militanz mittlerweile besonders stark ausgeprägt. Die NPD sei von 1996/97 an auf einen fundamentaloppositionellen Kurs umgeschwenkt. Angesichts ihres neuerdings schwindenden Einflusses im Zuge rückläufiger Mitgliederzahlen und schlechterer Wahlergebnisse sei diese Partei immer weniger in der Lage, das militante Potenzial zu integrieren, erläuterte der Politologe.
Stöss wie auch der an der FU Berlin tätige Politikprofessor Schroeder gaben sich überzeugt, dass in erster Linie eine bestimmte individuelle Verfassung junge Leute den Weg zum Rechtsextremismus finden lasse. Oft sei die Persönlichkeit autoritär und dogmatisch ausgerichtet, und erst auf dieser Basis könnten sich sozioökonomische Faktoren wie ein sozialer Abstieg verstärkend auswirken, so Stöss. Laut Schroeder ist bei solchen Personen häufig schon frühzeitig eine Neigung zur Gewaltbereitschaft festzustellen. Meist sei es Zufall, in welche Milieus sie „reinrutschen“. Im rechtsextremen Umfeld werde das dann „politisch aufgeladen“. Mit steigendem Bildungsgrad seien solche Einstellungen seltener anzutreffen. Schroeder: „Das rechtsextreme Potenzial kommt nicht aus der Mitte der Gesellschaft.“
Der Politologe wandte sich gegen die These, Rechtsextremismus wurzele in sozioökonomischen Faktoren: Den Gegenbeweis liefere die DDR, wo trotz der Abschaffung des Kapitalismus solche Tendenzen nicht verschwunden seien. Nach der Wende hätten im Osten viele Jugendliche infolge der sozialen Turbulenzen die persönliche Orientierung verloren und seien von rechtsextremen Gruppen aufgefangen worden: „Dies wirkt sich bis heute aus.“
Röpke, die einen historischen Überblick über die Entwicklungen militanter Gruppen gab, verwies auf die in Thüringen stark ausgeprägte Gewaltbereitschaft in der Neonazi-Szene. Dies treffe etwa auf den „Heimatschutz“ zu. In diesem vernetzten Umfeld seien auch die drei NSU-Mitglieder sozialisiert worden, führte die Journalistin aus. Zeitweise hätten sie dem „Heimatschutz“ angehört. Die NSU-Gruppe habe mit einer vertrauten Unterstützerszene in mehreren Bundesländern rechnen können. Zu Edathys Anmerkung, der NSU habe sich auch innerhalb der rechtsextremen Szene abgeschottet, sagte Röpke, es sei in diesen Kreisen bekannt gewesen, „dass es bewaffnete Strukturen gibt“.
Auch Stöss erklärte, das NSU-Trio sei über die Subkultur und den „Heimatschutz“ immer militanter geworden. Die Mordserie habe sich gegen Ausländer, aber auch gegen den Staat gerichtet. Man habe sich stark genug gefühlt, den Staat herausfordern zu können. Der Politologe: „Eine maßlose Selbstüberschätzung.“
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