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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 14. Dezember 2009),
- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –
Finanzielle Mittel für den Klimaschutz sollen nach Ansicht der Vorsitzenden des Umweltausschusses Eva Bulling-Schröter (Die Linke) nicht mit Geldern für die Entwicklungshilfe verrechnet werden. „Ich halte das für falsch, denn es sind ja noch nicht einmal die 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts realisiert worden, die als Entwicklungshilfe für diese Staaten bereitgestellt werden sollen“, sagte die Politikern der Linken in einem Interview mit der Zeitung „Das Parlament“ (Erscheinungsdatum 14. Dezember). Sie lehne den Vorschlag des Entwicklungshilfeministers Dirk Niebel (FDP) ab: „Das ist auch eine Frage der Menschlichkeit“, sagte Bulling-Schröter. „Denn bei ernsthaftem Klimaschutz geht es ums Überleben von Menschen, um Flüchtlingsströme und ernsthafte Krankheiten“, erklärte sie. 42 Staaten würden vielleicht schon bald nicht mehr existieren, „wenn wir das Ziel die Erderwärmung um zwei Grad zu beschränken, nicht schaffen“, sagte Bulling-Schröter
Die Vorsitzende des Umweltausschusses warnte gleichzeitig vor einem Scheitern des Gipfels und betonte die Rolle der Industrieländer, „denn gerade wir als Industrieländer haben hier die allergrößte Verantwortung“, erklärte sie. „Klimaschutz ist nicht nur eine umweltpolitische, sondern auch eine soziale Frage. Zu den Erfolgsaussichten des Gipfels sagte sie: „Im Moment sehe ich noch nicht, dass in Kopenhagen ein Abkommen mit einem rechtsverbindlichen Text zustande kommt“. Sie betonte, es müsse aber auf alle Fälle „zu einem bindenden Beschluss kommen, der konkrete Zahlen enthält“.
Zu dem Vorwurf der sogenannten Klimaskeptiker, dass das Klimaproblem übertrieben dargestellt werde, sagte Bulling-Schröter: „Es gibt nur eine Handvoll Pseudo-Forscher und Verschwörungstheoretiker, die das in Frage stellen – weitab seriöser Fachdiskussionen.“
Das Interview im Wortlaut:
Alle Welt schaut nach Kopenhagen. Wie stehen die Chancen, dass dort bis Ende der Woche ein rechtsverbindliches Klima-Abkommen verabschiedet wird?
Im Moment sehe ich noch nicht, dass in Kopenhagen ein Abkommen mit einem rechtsverbindlichen Text zustande kommt. Auf alle Fälle muss es aber zu einem bindenden Beschluss kommen, der konkrete Zahlen enthält. Darin sollten die Staaten die wichtigsten Minderungsverpflichtungen festlegen, damit sich die Erde nicht um mehr als zwei Grad erwärmt. Auch der Umfang des künftigen Technologie- und Finanztransfers in den globalen Süden muss festgeschrieben werden. Ein rechtsverbindliches Abkommen könnte sechs Monate später beschlossen werden.
Wo sehen Sie im Moment noch die größten Hürden?
Zuerst müssen die großen Länder verbindliche Emissions-Reduktionsziele vereinbaren. Auch die Vereinbarungen über die Finanztransfer an die Entwicklungsländer in Höhe von jährlich 110 Milliarden Euro sollten schnell getroffen werden. Wir brauchen verbindliche Beschlüsse, um Vertrauen zu schaffen. Ansonsten wird es nicht zu einem Abkommen kommen.
Könnte der Gipfel noch scheitern?
Er darf nicht scheitern, denn gerade wir als Industrieländer haben hier die allergrößte Verantwortung. Klimaschutz ist nicht nur eine umweltpolitische Aufgabe, sondern eine soziale Frage. In der kommenden Woche findet auf dem Gipfel das sogenannte „High-Level-Element“ statt, an dem mehr als 110 Staatschefs aus aller Welt teilnehmen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wird sich an diesem Donnerstag direkt nach ihrer Regierungserklärung im Bundestag nach Kopenhagen auf den Weg machen. Sie muss sich dort nach allen Kräften für einen Erfolg einsetzen.
Sie selbst fahren als Vorsitzende des Umweltausschusses nach Kopenhagen. Was können Sie denn auf einer Regierungskonferenz als Parlamentarierin überhaupt ausrichten?
Es gibt seit 1989 die Vereinigung Globe. Das ist ein Zusammenschluss von Parlamentariern aus aller Welt, die das Ziel hat, den Klimaschutz und die Energiesicherheit zu unterstützen. Wir haben in Kopenhagen daher die Chance, Gespräche mit anderen Delegationen oder auch Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) zu führen, um unsere Positionen darzulegen, aber auch zu hören, wie sich das Problem für andere Delegationen darstellt. So können wir leichter bestimmte Entscheidungswege nachvollziehen und schauen, wo es noch die Möglichkeit für Kompromisse gibt.
Was können die NGOs dort bewirken?
Mir ist vor allem wichtig, dass sich dabei afrikanische NGOs zu Wort melden. Denn ich habe den Eindruck, dass bei einigen Verantwortlichen der Ernst der Lage noch nicht angekommen ist: Diesen Ländern steht das Wasser wörtlich bis zum Hals.
Die Entwicklungsländer haben den Vorschlag Dänemarks für ein Abschlussdokument heftig kritisiert. Wie kann man diese Länder wirkungsvoll beim Klimaschutz unterstützen?
Es herrscht breiter Konsens, dass ab 2020 jährlich 110 Milliarden Euro für Klimashutz und Anpassungsmaßnahmen fließen müssen. Um diese Summe aufzubringen, gibt es seitens der EU den Vorschlag, dass ein Drittel von der Europäischen Union, ein Drittel von den Entwicklungsländern selbst und ein weiteres Drittel über Kohlenstoffmärkte über sogenannte CDM-Projekte finanziert werden. Das sind Projekte, bei denen Industrieländer in Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländer investieren und dafür handelbare Verschmutzungszertifikate erhalten. Leider gibt es darunter viele faule CDM-Vorhaben, die nicht zusätzlich oder nachhaltig sind. Den Entwicklungsländern ein Drittel selbst und ein weiteres Drittel über windige Projekte aufzubürden halte ich allerdings für fatal. Die 110 Milliarden netto müssen fließen.
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) will die Mittel für den Klimaschutz mit den Geldern für die Entwicklungshilfe verrechnen. Eine gute Idee?
Ich halte das für falsch, denn es sind ja noch nicht einmal die 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts realisiert worden, die als Entwicklungshilfe für diese Staaten bereitgestellt werden sollen. Ich lehne seinen Vorschlag ab – das ist auch eine Frage der Menschlichkeit. Denn bei ernsthaftem Klimaschutz geht es um das Überleben von Menschen, um Flüchtlingsströme und ernsthafte Krankheiten. 42 Staaten werden vielleicht schon bald nicht mehr existieren, wenn wir das Ziel, die Erderwärmung um zwei Grad zu beschränken, nicht schaffen. Und selbst schon die sind problematisch.
Wie bewerten Sie die Entscheidung der US-Umweltbehörde EPA, Treibhausgase in Zukunft als gesundheitsgefährdend einzustufen und damit Klimaschutz auch ohne Zustimmung des US-Kongresses machen zu können. Hat US-Präsident Obama in Sachen Klimaschutz jetzt freie Hand?
Ich sehe das als Segen an, denn Klimaschutz in den USA kann dadurch auch durch Verordnungen am Kongress vorbei geregelt werden. Das erhöht im Senat und im Repräsentantenhaus den Druck auf die Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes. Ich denke, Obama hat verstanden, dass es kein Abkommen geben wird, wenn die USA jetzt nicht handelt.
In Deutschland hat das Wirtschaftsforschungsinstitut RWI kürzlich errechnet, dass Klimaschutz in Deutschland 35,1 Milliarden Euro kosten würde. Können wir uns Klimaschutz noch leisten?
Die Frage ist nicht, ob wir uns das leisten können, sondern ob wir es uns leisten können, keinen Klimaschutz zu betreiben. Natürlich kostet er Geld, doch der britische Ökonom Nicolas Stern hat ja beeindruckend vorgerechnet, dass auf die Länder ohne effektiven Klimaschutz weitaus höhere Kosten zukommen. Für mich ist das auch eine Frage der Generationengerechtigkeit, die wir alle im Munde führen, jetzt etwas zu tun, um auch später auf unserer Erde leben können.
Durch den Skandal um entwendete Mails sehen einige die Glaubwürdigkeit der Klimaforschung beeinträchtigt – Wasser auf die Mühlen von Klimaskeptikern, die Forschern vorwerfen, das Klimaproblem übertrieben darzustellen.
Das halte ich für völlig falsch. Liest man die Berichte des Weltklimarates IPCC, sieht man, dass in den Grundfragen seit langem Konsens zwischen den Wissenschaftlern herrscht. Es gibt nur eine Handvoll Pseudo-Forscher und Verschwörungstheoretiker, die das in Frage stellen – weitab seriöser Fachdiskussionen. Im Umweltausschuss haben wir kürzlich einen Vortrag des Potsdamer Klimaforschungsinstituts (PIK) gehört, der uns noch einmal die neusten, erschreckenden Erkenntnisse aufgezeigt hat.
Sie sind seit dieser Wahlperiode die Vorsitzende des Umweltausschusses. Was sind dort die drängendsten Aufgaben?
Die Frage der Energieeffizienz muss dringend angegangen werden. Die Bundesregierung will bis zum nächsten Jahr ein Energiekonzept vorlegen, über das ich große Auseinandersetzungen erwarte, da die Regierung die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängern möchte. Das lehnt die Opposition ab. Daher wird darüber diskutiert werden müssen, wie der Energiemix der Zukunft aussehen soll. Auch die Frage des Schutzes der Artenvielfalt, über die im kommenden Jahr auf einer UN-Konferenz in Japan verhandelt wird, ist ein sehr wichtiges Thema, um das wir uns kümmern müssen.
Was machen Sie ganz privat für den Schutz der Umwelt und des Klimas?
Ich persönlich kaufe zum Beispiel regenerativen Strom, lasse mein Haus energetisch sanieren und fahre ein Auto, das weniger als 120 Gramm CO2 ausstößt. Das ist schon etwas, aber ich denke, es gibt noch ganz viele andere Möglichkeiten.
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