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Die lange Nacht der Opern und Theater war wie für ihn gemacht. "Eine super Sache", lobt Keijo Kalmiste das "Eventhopping" zwischen den Berliner Bühnen Ende April. Einziges Manko: "Es ist leider nur ein Abend und es sind 58 Spielstätten im Angebot", sagt der 25-Jährige aus Estland, der bis vor kurzem als Marketingassistent an der dortigen Nationaloper in Tallinn gearbeitet hat. Den Job hat er aufgegeben, um nach Berlin zu kommen.
Nicht jedoch, um sich vom hiesigen Kulturangebot beeindrucken zu lassen. Der studierte Kulturmanager will etwas über Kulturpolitik lernen. Während seines Praktikums im Rahmen des fünfmonatigen Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) bei dem FDP-Abgeordneten Sebastian Blumenthal hat er dazu noch bis Ende Juli ausreichend Gelegenheit.
Dass Keijo Kalmiste im Büro des FDP-Kultur- und Medienpolitikers landen könnte, hatte sich schon während des IPS-Auswahlgespräches in der deutschen Botschaft in Tallinn, bei dem auch Blumenthal dabei war, angedeutet. Mit einem Kulturmanagement-Studium im Hintergrund und dem Wunsch, für einen Abgeordneten der FDP-Fraktion zu arbeiten, war er prädestiniert für das Büro Blumenthal.
Warum die FDP? "Das ist meine politische Richtung", sagt Keijo Kalmiste: "Ich sehe mich als Liberaler." Der Este ist mit dem bisherigen Verlauf des Praktikums sehr zufrieden, auch wenn die Themenschwerpunkte Blumenthals, der nicht nur in den Ausschüssen für Arbeit und Soziales sowie Kultur und Medien arbeitet, sondern auch Mitglied der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" ist und dem Unterausschuss "Neue Medien" vorsitzt, teilweise Neuland für ihn sind.
Decken sich die Erfahrungen, die er nun im Bundestag macht, mit den Erwartungen im Vorfeld? Im Grunde schon, sagt er. "Es war mir klar, dass die Arbeit nicht allein im Plenum stattfindet, sondern eher in kleineren Gruppen wie Ausschüssen und Arbeitsgruppen", sagt er. Überrascht war Kalmiste, dass die Bundestagssitzungen teils bis in die späten Abendstunden andauern.
Und noch etwas hat den 25-Jährigen beeindruckt. Als er seinen "Chef" Sebastian Blumenthal in dessen Wahlkreis Kiel besucht hat, herrschte gerade Landtagswahlkampf und Blumenthal war mittendrin. "Er ist zwar Mitglied des Bundestages, aber arbeitet mit den Leuten auf der Straße. Das ist cool", sagt er anerkennend.
Den Berufswunsch Politiker hatte er gleichwohl vorher nicht und wird er auch in der Zukunft nicht haben. "Nein, solche Ambitionen hege ich nicht", sagt Keijo Kalmiste und fügt hinzu: "Ich bleibe lieber im Hintergrund." In einem regionalen Kulturreferat zu arbeiten, könnte er sich vorstellen, aber auch als Ministeriumsmitarbeiter.
Das Organisieren von Veranstaltungen war schon während der Schulzeit sein Ding. "Als 16-Jähriger habe ich an unserem Gymnasium Modenschauen und Partys organisiert", erzählt er. Später waren es dann größere Veranstaltungen, wie das SunDanceMusicFestival, der Modewettbewerb Supernoova oder das estnische Sänger- und Tanzfest, bei denen er organisatorisch mit tätig war.
Im Jahr 2010 war der Este das erste Mal länger in Deutschland. In München genauer gesagt, wo er im Rahmen des Europäischen Freiwilligendienstes — kein Wunder — wieder mit der Organisation von Musikwettbewerben beschäftigt war. Zwei Jahre hatte er gewartet, um diesen Platz zu bekommen, aber: "Es hat sich gelohnt", sagt er. Die Arbeit bei der EMCY — einem europäischen Dachverband für über 50 nationale und internationale Musikwettbewerbe für junge Menschen — war eine "Superarbeit mit einem Superteam", schwärmt er noch heute.
Zugleich hatte er in München die Gelegenheit seine Deutschkenntnisse aufzubessern, denn: "Wenn man den ganzen Tag Deutsch spricht, bleibt auch viel hängen." Gelernt hat er die Sprache seit der vierten Klasse. "Damals haben alle Englisch als erste Fremdsprache gewählt. Ich wollte aber ein bisschen anders sein", erinnert er sich.
Wie es nach seiner Berliner IPS-Zeit weitergeht, weiß Keijo Kalmiste noch nicht. "Vielleicht gehe ich nach Estland zurück, vielleicht bleibe ich aber auch noch eine Weile hier", zeigt er sich derzeit noch unentschlossen. Soll heißen: "Alles ist offen." Auch die Möglichkeit, zurück an die Nationaloper Estland zu gehen, kommt in Betracht. "Wir haben uns dort im Guten getrennt", sagt er.
Da von seinem Heimatland auch in den Zeiten der Wirtschaftskrise kaum Negativschlagzeilen bekannt geworden sind, stellt sich für den Außenstehenden die Frage, ob das als ein gutes Zeichen gewertet werden darf. "Ja, ich denke schon", sagt Keijo Kalmiste. Für Skandale sei das Land nicht bekannt, und die politischen Intrigen, die es immer gebe, seien eher landesintern interessant, aber nicht für Europa.
"Wir sind eben ein kleines Land, in dem nicht so viel los ist", sagt er. Ganz gegen den Trend haben die Esten sogar Anfang 2011 — mitten in der Währungskrise — den Euro als Zahlungsmittel eingeführt. Aus seiner Sicht eine gute Entscheidung: "Es gibt mehr positive als negative Folgen", schätzt Keijo Kalmiste ein.
Ob es ihn schließlich zurück nach Hause führt oder nicht — an seiner Heimatliebe ändert das nichts. "Ich muss nicht in Estland leben, um das Land zu lieben", stellt er klar. Und außerdem sieht er sich zwar als Este, "aber auch als Europäer". (hau)