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Der von der Bundesregierung in ihrer Kabinettssitzung beschlossene Hilfsfonds für die Opfer von Misshandlungen in DDR-Heimen stand im Mittelpunkt der Regierungsbefragung am Mittwoch, 13. Juni 2012. Ziel des von Bund und den fünf ostdeutschen Bundesländern gemeinsam einzurichtenden Fonds sei es, "denen zu helfen, die in Heimen der DDR zwischen 1949 und 1990 schweres Leid" erfahren hätten, erklärte Dr. Hermann Kues (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, bei der Vorstellung des Fonds im Plenum des Bundestages. Die Schicksale seien bekannt, dies sei nun eine Antwort darauf.
Mit insgesamt 40 Millionen Euro werde der Hilfsfonds gefüllt werden, berichtete Kues. Bund und Länder trügen jeweils die Hälfte der Kosten.
Ähnlich wie bei dem bereits seit 2011 existierenden Fonds für westdeutsche Heimkinder könnten nun auch ehemalige DDR-Heimkinder Gelder zum Beispiel für therapeutische Behandlungen, Beratungen und auch Rentenersatzleistungen erhalten. Bis zum Juli 2016 sei eine Antragstellung möglich, die Gelder würden bis 2021 ausgezahlt, so der CDU-Politiker.
Die Einrichtung des Fonds sei kein Wiedergutmachungsversuch: "Wir können das unfassbare Leid nicht ungeschehen machen", betonte Kues. Doch mit dem Fonds werde anerkannt, dass in DDR-Heimen Leid und Unrecht geschehen sei.
Um die Opfer nicht zusätzlich zu belasten, hätten Bund und Länder die Absicht, die Hilfszahlungen möglichst "unbürokratisch" zu leisten, unterstrich der Staatssekretär, bevor er sich den Fragen der Abgeordneten stellte.
Katharina Landgraf (CDU/CSU) wollte zunächst wissen, wie die Betroffenen die Hilfsleistungen bekommen könnten: "Wie finden sie Zugang zu den Beratungsstellen? Wie erfahren sie überhaupt von dem Angebot?" Kues erklärte, es werde natürlich eine breite Öffentlichkeitsarbeit geben. Zudem sei ein Leitfaden für die Beratungsstellen in Zusammenarbeit mit Betroffenen und Beratern erarbeitet worden, der Hinweise gebe, wie den Betroffenen in den Beratungsstellen geholfen werden könne.
"Das Gespräch ist der Mittelpunkt, hier wird der individuelle Hilfebedarf ermittelt", sagte der Staatssekretär. So sollten die Beratungsstellen Betroffenen, die nicht die erforderlichen Nachweise für ihren Heimaufenthalt haben, beispielsweise auch bei der Recherche unterstützen.
Heidrun Dittrich (Die Linke) wies darauf hin, dass es am "Runden Tisch Heimerziehung" zugleich ein Wunsch der Betroffenen und eine Empfehlung der Experten gewesen sei, dass frühere Heimkinder in die Arbeit der Beratungsstellen miteinbezogen würden. "Wie wird das geschehen — und werden die Betroffenen ehrenamtlich arbeiten oder ein Gehalt bekommen?", fragte die Abgeordnete.
Kues antwortete, dass dies im Vorfeld lange diskutiert worden sei. Sein Eindruck sei dabei gewesen, dass es den meisten Betroffenen nicht in erster Linie um Materielles ging, sondern um die Aufarbeitung des begangenen Unrechts.
Rolf Schwanitz, Mitglied der SPD-Fraktion, zeigte sich erleichtert, dass der Fonds auf den Weg gebracht werden konnte, kritisierte jedoch, dass die Mittel des Bundes dafür ausschließlich aus dem Etat des Bundesfamilienministeriums stammen werden. "In allen Gesprächen, die ich mit den Betroffenen geführt habe, wurde die Erwartung geäußert, dass der Fonds nicht gegenfinanziert wird durch Kürzungen im Kinder- und Jugendbereich. Wie ist nun zu erklären, dass die 20 Millionen doch durch den Einzelplan 60 des Bundeshaushalts finanziert werden?" Dieser Kritik schloss sich auch Marlene Rupprecht (SPD) an, die forderte, der Fonds solle als "gesamtgesellschaftliche Aufgabe" nicht allein durch den "Familienetat" gestemmt werden.
Kues räumte ein, dass die Fondsmittel in der Tat aus dem Budget des Familienministeriums bezahlt würden. Gleichzeitig wies er jedoch darauf hin, dass dieser Etat in den letzten Jahren im Vergleich zu anderen einen "Aufwuchs" zu verzeichnen gehabt hätte. "Wir kommen also nicht umhin, den Fonds mitzufinanzieren."
Arnold Vaatz (CDU/CSU) betonte, viele der Betroffenen hätten durch die Misshandlungen in den Heimen ein Trauma erlitten und damit manchmal auch ihre "Sprechfähigkeit" verloren. Der Abgeordnete erkundigte sich daher, ob es Ziel der Aufarbeitung sei, diesen Menschen dabei zu helfen, ihre Sprechfähigkeit zu verbessern.
Kues bejahte dies und verwies noch einmal auf die Aufgaben der Berater. Zu denen gehöre auch, die Betroffenen bei der Recherche "in der eigenen Geschichte" zu unterstützen, damit die Betroffenen herausfinden könnten, was eigentlich genau damals passiert sei. Dabei entstehende Reisekosten könnten ebenfalls aus dem Fonds erstattet werden.
Josef Winkler (Bündnis 90/Die Grünen) wollte insbesondere wissen, ob und wie sichergestellt werde, dass die Hilfsgelder aus dem Fonds nicht mit anderen Leistungen verrechnet würden.
Kues unterstrich, eine Verrechnung sei "ausdrücklich nicht geplant". Die Hilfszahlungen seien schließlich kein Einkommen, sondern eine "exklusive Leistung". (sas)