Bessere Datengrundlage für die Versorgungsforschung gefordert

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung - 13.06.2012

Berlin: (hib/ROL) In der Versorgungsforschung herrschen in Deutschland große Defizite. Darin waren sich alle Experten einig, die am Mittwochvormittag in das Berliner Paul-Löbe-Haus zum Öffentlichen Fachgespräch „Perspektiven der Versorgungsforschung“ auf Einladung des Bildungs- und Forschungsausschusses gekommen waren. Versorgungsforschung ist die wissenschaftliche Untersuchung der Versorgung der Bevölkerung in der alltäglichen Kranken-und Gesundheitsforschung. Die Versorgungsforschung untersucht, wie Finanzierungssysteme, aber auch soziale und individuelle Faktoren, Organisationsstrukturen etwa von Krankenhäusern die Gesundheit und das Wohl des Patienten beeinflussen.

Die Experten bemängelten vor allem die mangelnde Datenlage zur Versorgungsforschung. Mattias Beckmann vom Universitätsklinikum Erlangen sagte. „Wie will man Volkskrankheiten erforschen, wenn man keine Datengrundlage hat?“ Der Experte für Mamakarzinome machte das an einem Beispiel deutlich: Bei einer Patientin mit Mamakarzinombefund würden in Deutschland in zehn Jahren etwa 476 Mal Daten erhoben, allerdings von zwölf verschiedenen Systemen, die nicht zueinander kompatibel seien. Beckmann sagte: „Die Erhebung von Daten ist derzeit vielfältig, unkoordiniert und ineffektiv. Jede Gruppierung im Gesundheitssystem hat ihre eigene Zielsetzung.“

Holger Pfaff, vom Zentrum der Versorgungsforschung Köln pflichtete dem bei und forderte zudem die Stärkung der Wissenschaftler in den Universitätsfächern wie etwa der Verhaltenstherapie, die diese Daten dann auch brauchbar auswerten können. Er plädierte für die Schaffung von eigenen Versorgungslehrstühlen an den Universitäten, damit das Fach eine „eigene Identität“ entwickeln könnte. Zudem forderte er, ein nationales Zentrum für Versorgungsforschung zu schaffen, das die Aufgabe haben soll, die Versorgungsforschung national zu fördern.

Wichtig war den Experten die Finanzierung, zu der sich auch insbesondere Birgit Babitsch von der Universität Osnabrück äußerte. Sie bemängelte zudem, dass es kaum Forschung zu den Gesundheitsfachberufen gebe.

Michael Ewers von der Berliner Charité ging in diesem Zusammenhang vor allem auf die Pflegeberufe ein, die „zumeist als unspektakuläre und alltagsnahe Dienstleistung und nicht eben selten hinter verschlossenen Türen abläuft“. Daher ließe sich die Bedeutung für das Gesamtergebnis der Gesundheitsforschung derzeit nicht ausreichend verifizieren. Ewers sagte: „Man muss fragen, welche Potentiale haben diese Berufe komplementär zur Medizin?“

Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen machte neben der mangelnden Datenerhebung auf die Politikfolgenforschung aufmerksam. Dabei kritisierte er, dass trotz vieler Reformen im Gesundheitssystem die Veränderungen kaum evaluiert worden seien.

Martin Scherer vom Universitätsklinikum Eppendorf machte auf Probleme in der Allgemeinmedizin aufmerksam, die vor allem im ländlichen Raum entstünden. „Die Auffassungen, mit welchen Maßnahmen die allgemeinmedizinische Versorgung in der Zukunft sicherzustellen sind, sind ausgesprochen heterogen.“ Er forderte daher eine allgemeinmedizinische Versorgungsforschung, die stärker als bisher von der Praxis dominiert ist.

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