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Neun Fachleute habe am Mittwoch, 27. Juni 2012, in einer Anhörung des Rechtsausschuss unter Vorsitz von Siegfried Kauder (CDU/CSU) kontrovers die geplanten Änderungen bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung von Straftätern erörtert. Ihnen lagen ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/9874) sowie jeweils ein Antrag der SPD-Fraktion (17/8760) und der Linksfraktion (17/7843) vor. Konrad Beß, Richter am Oberlandesgericht München, befürwortete die Sicherungsverwahrung. Er argumentierte, dass oftmals die "Störung der Sexualpräferenz" erst in der Haft deutlich werde, nachdem das Strafmaß ja bereits festgelegt worden sei. Ähnlich argumentierte auch Regierungsdirektor Thomas König, stellvertretender Leiter der Justizvollzugsanstalt Werl. Prof. Dr. Henning Radtke, Direktor des Kriminalwissenschaftlichen Instituts der Leibniz Universität Hannover, vertrat die Ansicht, dass eine Abschaffung der Sicherungsverwahrung nicht richtig wäre.
Diplom-Psychologe Dr. Johann Endres befürwortete den Gesetzentwurf der Bundesregierung aus der Perspektive seiner praktischen Arbeit heraus. In dessen Zentrum steht das sogenannte Abstandsgebot. Danach müssen die Unterbringungsbedingungen in der Sicherungsverwahrung gegenüber den Haftkonditionen deutlich verbessert werden.
Diplom-Pädagoge Peter Asprion dagegen erklärte, dass er in seiner 16-jährigen Arbeit als Bewährungshelfer immer wieder auf Diskriminierung von Sicherungsverwahrten in der Bevölkerung gestoßen sei. Ihnen sei es auch nicht möglich, eine Wohnung anzumieten. Prof. Dr. Jörg Kinzig, Direktor des Instituts für Kriminologie und Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie, Straf- und Sanktionsrecht in Tübingen, führte an, dass die Sicherungsverwahrung eine "Haft für noch nicht begangene Straftaten" sei. Der Gesetzentwurf berge ein hohes Risiko, in beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg abgewiesen zu werden. Der Präsident des Landgerichts Aachen, Dr Stefan Weismann, betonte, dass aber "auch die Sanktionsmöglichkeit der nachträglichen Therapieunterbringung" nötig sei.
Im Mai 2011 hatte das Bundesverfassungsgericht einer Beschwerde von vier Sicherungsverwahrten stattgegeben und alle geltenden Vorschriften für verfassungswidrig erklärt. Bis Juni 2013 muss der Gesetzgeber nun eine neue Regelung suchen, heißt es in dem Karlsruher Urteil. Für sogenannte Altfälle gelten derzeit Übergangsregelungen.
Die Karlsruher Richter sahen in dem bestehenden Gesetz unter anderem eine Verletzung des Freiheitsgrundrechts und des Vertrauensschutzgebots und forderten eine völkerrechtsfreundlichere Auslegung des Grundgesetzes. Die SPD-Fraktion will die Sicherungsverwahrung auf schwerste Gewalt- und Sexualtaten beschränken und zudem eine nachträgliche Therapieunterbringung ermöglichen. Die Linksfraktion fordert die Einsetzung einer Expertenkommission. (ver)