Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2010 > Ãœbernahmerecht
Der Vorschlag der SPD-Fraktion für eine Novellierung des Übernahme- rechts ist während der Debatte am Donnerstag, 11. November2010, überwiegend auf Widerspruch gestoßen. Neben den Koalitions- fraktionen lehnten auch die Grünen den vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (17/3481) ab. Lediglich von der Linksfraktion gab es während der ersten Lesung der Vorlage Unterstützung für den Entwurf, der laut SPD-Fraktion auch dazu beitragen solle, eine feindliche Übernahme des deutschen Baukonzerns Hochtief durch den spanischen Konkurrenten ACS zu verhindern.
Die Neuregelung sei nötig, um das deutsche Übernahmerecht an den "faktischen europäischen Standard“ anzupassen, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion Joachim Poß. Ziel sei es, feindliche Übernahmen möglichst zu verhindern. Es gehe bei dem Gesetz um faire Wettbewerbsbedingungen in ganz Europa und nicht um eine Sonderreglung im speziellen Fall Hochtief, machte er deutlich.
"Gesunde und erfolgreiche Unternehmen in Deutschland dürfen nicht in das Visier von windigen Finanzinvestoren geraten, nur weil sie derzeit an der Börse unterbewertet sind“, forderte Poß. Man wolle es erschweren, das ein hervorragendes Unternehmen wie beispielsweise Hochtief von einem hoch verschuldeten Konkurrenten viel zu günstig und mit dem möglichen Ziel der Zerschlagung und den damit verbundenen negativen Konsequenzen für Kleinaktionäre und Beschäftigte übernommen wird. Der „Raubtierkapitalismus“ müsse endlich gezähmt werden, sagte der SPD-Abgeordnete.
Poß habe mit seiner Rede den Titel des "Märchenonkel des Jahres“ verdient, entgegnete der UnionsabgeordneteDr. Mathias Middelberg. Das aufgezeichnete "Horrorgemälde“ habe mit der Wirklichkeit nichts zu tun, sagte er. Es gebe bei Übernahmen deutscher Unternehmen viel mehr positive als negative Beispiele.
Das Szenario einer Zerschlagung sei zudem ziemlich unwahrscheinlich, da der Wert von Hochtief gerade in der "komplexen weltweiten Aufstellung“ liege. Das spanische Unternehmen ACS habe sich außerdem bereit erklärt, eine Investorenvereinbarung abzuschließen, in dem unter anderem der Unternehmenssitz Essen festgeschrieben werde ebenso wie die Börsennotierung in Deutschland.
Sehe man sich außerdem die Übernahmen deutscher Unternehmen an, so habe "Kamps nicht unter der Übernahme durch Barilla gelitten, Varta nicht unter der durch Johnson Controls und auch Mannesmann ist nach der Übernahme durch Vodafone derzeit Marktführer mit mehr Beschäftigten als je zuvor und dem Unternehmenssitz in Düsseldorf“, sagte Middelberg.
"Sie opfern den Sachverstand dem billigen Populismus“, warf der FDP-Finanzexperte Dr. Volker Wissing der SPD vor. Auf der einen Seite forderten die Sozialdemokraten, dass die Politik den Unternehmen endlich ihre Grenzen aufzeigen solle. Wenn aber ein Unternehmen in Deutschland Probleme im Wettbewerb habe, biete die SPD staatliche Hilfe an.
"Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, dann hätten sie General Motors Milliarden an deutschen Steuergeldern gegeben“, sagte Wissing. Es sei aber nicht Aufgabe der Politik, in den Wettbewerb einzugreifen. Statt einer Verschärfung des Übernahmerechts werde mehr Transparenz auf den Kapitalmärkten benötigt, sagte der FDP-Abgeordnete. Die Koalition werde daher mit dem Anlegerschutzgesetz eine "von SPD-Finanzministern hinterlassene Regelungslücken schließen“, kündigte er an.
„Unternehmen dürfen keine Schnäppchen auf dem Basar für Heuschrecken und Aktionäre sein“, forderte die Abgeordnete der Linksfraktion Ulla Lötzer. Vielmehr seien sie eine "gesellschaftliche Veranstaltung mit einer sozialen und beschäftigungspolitischen Verantwortung“. Aufgabe der Politik müsse es daher sein, die Beschäftigten wirksam zu schützen. Ihre Arbeitsplätze dürften nicht der Gier von Zockern zum Opfer fallen.
Die in dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vorgesehen Maßnahmen seien daher "richtig, aber nicht ausreichend“. Die Linksfraktion habe deshalb einen Antrag (17/3540) vorgelegt, der unter anderem auch ein Vetorecht für Betriebsräte gegen Übernahmen fordert.
Die Existenzängste der Menschen müssten ernst genommen werden, verlangte Kerstin Andreae (Bündnis 90/Die Grünen). "Die Menschen dürfen nicht zum Spielball der Investoren werden“, sagte sie. Gerade nach der Krise dürfe man nicht zulassen, dass sich erneut Unsicherheit breit mache. Die SPD jedoch schüre Erwartungen bei den Beschäftigten von Hochtief, die sie nicht erfüllen könne, kritisierte sie. Ihr Gesetz schütze lediglich die Eigentümer und die Anleger, nicht aber die Arbeitsplätze.
Statt "populistischer Schnellschüsse“ werde eine solide Gesetzgebung, eingebettet in den europäischen Rahmen, benötigt, sagte Andreae. Die EU-Kommission wolle Anfang des kommenden Jahres die Übernahmeregelungen überprüfen. Das sei der richtige Zeitpunkt, um auch über nationale Regelungen zu sprechen.
Im Anschluss an die Debatte überwies der Bundestag den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion ebenso wie den Antrag der Linksfraktion zur weiteren Beratung in die Ausschüsse. (hau)