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Die von der Bundesregierung geplante Einführung einer Blauen Karte EU, um den Zuzug Hochqualifizierter aus dem Ausland zu erleichtern, wird von den Fraktionen des Bundestages unterschiedlich bewertet. Während der ersten Lesung des dazu vorgelegten Gesetzentwurfs der Bundesregierung(17/8682), mit dem eine EU-Richtlinie umgesetzt werden soll, übten SPD- und Grünen-Fraktion am Donnerstag, 1. März 2012, Kritik an der Umsetzung der Richtlinie. Dies geschehe zum einem zu spät und sei außerdem teilweise nicht europarechtskonform. Redner von Unions- und FDP-Fraktion begrüßten die Vorlage als Beitrag zur Modernisierung des Zuwanderungsrechts und kündigte zugleich Änderungen im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren an. Aus Sicht der Linksfraktion führt das Gesetz zu „neokolonialistischer Ausbeutung“.
„Der Fachkräftemangel stellt eine Gefahr für den Wohlstand in Deutschland dar“, sagte zu Beginn der Debatte Dr. Ole Schröder (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Durch das Gesetz werde der Zuzug von Hochqualifizierten erleichtet, indem unter anderem die Mindestverdienstgrenze von 66.000 Euro auf 44.000 Euro gesenkt werde. Für Angehörigen sogenannter Mangelberufe halbiere sich diese Grenze künftig: Sie müssten mindestens 33.000 Euro verdienen, um in Deutschland leben und arbeiten zu können, sagte Schröder.
Ein weiterer Beitrag zu einer verbesserten Willkommenskultur sei die Arbeitserlaubnis für die Ehepartner der Hochqualifizierten. Über die Umsetzung der EU-Richtlinie hinausgehend sehe man zudem vor, ausländischen Absolventen einer deutschen Hochschule ein Jahr Zeit zu geben, um einen Anstellung zu finden, sagte der Staatssekretär.
Die Bundesregierung habe mit der Senkung der Mindestverdienstgrenze nur ein einziges Rezept, kritisierte Daniela Kolbe (SPD). Insbesondere bei den Mangelberufen liege man deutlich unter dem, was die EU als Grenze vorgebe. Das sei zum einen europarechtswidrig und zum anderen politisch fragwürdig, sagte Kolbe. „Das führt zu einer Gefahr des Lohndumpings in hochqualifizierten Berufen.“
Ihre Fraktion sehe andere Stellschrauben, an denen gedreht werden könne, betonte sie. Dazu gehöre auch die Frage der Zuwanderung nach einem Punktesystem, die „nicht ausdiskutiert ist“. Als einen „richtigen Klopper“ bezeichnete Kolbes Fraktionskollege Swen Schulz die Regelung, dass etwa bei Arbeitslosigkeit die Niederlassungserlaubnis wieder zurückgenommen werden könne. „Das ist das Gegenteil einer Willkommenskultur“, befand Schulz.
Die Bundesregierung beklage auf der einen Seite einen „angeblichen“ Fachkräftemangel, während sie auf der anderen Seite die Fördermittel zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt kürze, kritisierte Ulla Jelpke (Die Linke). „Sie produzieren den Fachkräftemangel, den Sie vorgeblich bekämpfen wollen.“ Ihrer Ansicht wollten die Unternehmen mittels ausländischer Arbeitnehmer „den Druck auf Löhne und Gehälter verschärfen“. Dabei sei klar: „Wer Fachkräfte haben will, muss sie auch ausbilden und angemessen bezahlen.“
Dazu müsse das Bildungssystem in Deutschland jedoch durchlässiger werden für ärmere Menschen, so Jelpke. Die Bundesregierung betreibe jedoch „neokolonialistische Ausbeutung“ und verlagere die Ausbildungskosten ins Ausland.
Es sei nicht so, dass Akademiker Schlange stehen würden, um nach Deutschland zu kommen, sagte Serkan Tören (FDP). Mit der Blauen Karte würden aber Anreize geschaffen, wie etwa eine Arbeitsmöglichkeit für Ehepartner „ohne Vorrangprüfung“. Auch wenn klar sei, dass Deutschland Zuwanderung brauche, müsse auch im Inland etwas getan werden, sagte er. „Wir müssen Arbeitslose weiterqualifizieren und uns um Mütter sowie Ältere kümmern.“ Das dürfe aber nicht gegeneinander ausgespielt werden, warnte Tören.
Angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftebedarfs werde Zuwanderung benötigt. Das müsse man den Menschen auch sagen, forderte er. Es zu leugnen, sei „rechnerisch abenteuerlich“.
Deutschland fehlten 10.000 Akademiker, sagte Memet Kilic (Bündnis 90/Die Grünen). Umso bedauerlicher sei es, dass die Bundesregierung die EU-Richtlinie nur „halbherzig und verspätet“ umgesetzt habe. Zudem bleibe die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf weit hinter den Anforderungen zurück, urteilte Kilic. Die Regelung, wonach „Einwanderer ihr Aufenthaltsrecht wieder verlieren, wenn sie innerhalb der ersten drei Jahre Sozialleistungen beziehen“, werde auch innerhalb der Koalitionsfraktionen als rechtlich unhaltbar eingeschätzt.
Aus Sicht der Grünen-Abgeordneten reicht die Blaue Karte nicht aus. Kilic forderte ein Ende der „restriktiven Visapolitik“, da sonst die ausländischen Studenten an den deutschen Hochschulen ausbleiben würden.
Der Unionsabgeordnete Hans-Peter Uhl machte darauf aufmerksam, dass es sich bei dem Entwurf um eine Regierungsvorlage handle, die man gerade in erster Lesung berate und kündigte an, den Gesetzentwurf im Rahmen der parlamentarischen Beratungen noch zu verändern.
Bei der Frage der Beseitigung des Fachkräftemangels muss aus seiner Sicht zuerst im eigenen Land gesucht werden. Dann könne man in die anderen EU-Länder blicken, etwa nach Spanien, wo es eine Jugendarbeitslosigkeit von 50 Prozent gebe. Schließlich gebe es noch die Möglichkeit, Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten nach Deutschland zu holen. Die Chancen dafür würden durch die Umsetzung der Richtlinie verbessert, sagte Uhl.