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Die Diskussion über Eurobonds geht in eine weitere Runde: Wenige Stunden, bevor der französische Präsident Franςois Hollande beim informellen EU-Gipfel am Mittwoch, 23. Mai 2012, in Brüssel gemeinsame europäische Staatsanleihen zum Thema machen will, debattierten die Abgeordneten am Nachmittag im Bundestag in Berlin über das Für und Wider dieses Instruments.
Die Koalitionsfraktionen zogen in einer von ihr verlangten Aktuellen Stunde zum Thema "Keine Vergemeinschaftung europäischer Schulden — Eurobondspläne der SPD: Haftung für deutsche Steuerzahler?" wiederholt eine rote Linie: Solidarität mit Krisenländern ja, aber nur, wenn diese sich mit Strukturreformen auch erkennbar anstrengen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen.
Die Opposition hingegen hält die Einführung von Eurobonds nur für eine Frage der Zeit. Gemeinsame Staatsanleihen könnten die Eurozone vor Wetten auf die Zahlungsunfähigkeit einzelner Mitglieder schützen. Sie seien — mit entsprechenden Auflagen versehen — auch keine Einladung zu hemmungsloser Neuverschuldung.
Norbert Barthle machte als erster Redner der Debatte deutlich, warum die Koalition gemeinsame europäische Staatsanleihen ablehnt: "Eurobonds sind auf den ersten Blick verführerisch, auf den zweiten aber eine gefährliche Droge", sagte der Haushaltsexperte der Unionsfraktion. Sie stünden für nichts anderes als die Fortsetzung der Schuldenpolitik, und wohin diese führe, lasse sich derzeit in Europa betrachten.
Eurobonds seien deshalb für die Krisenländer "nicht dazu angetan, das Vertrauen auf den Finanzmärkten zurückzugewinnen, im Gegenteil", sagte Barthle. Nicht Wachstum "auf Pump", sondern Wachstum "durch Einsparungen, durch Strukturreformen", seien der richtigen Weg.
Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider wies darauf hin, dass es auch Politiker aus den Reihen der Koalitionsparteien — wie etwa EU-Energiekommissar Günther Oettinger — seien, die Eurobonds nicht mehr grundsätzlich ausschließen. Zudem gebe es bereits heute — etwa bei den Griechenlandhilfen — Risiken, für die auch Deutschland mithafte.
Der Koalition warf Schneider vor, in der Euro-Krise zu zögerlich und zu spät agiert zu haben. "Das ist ein deutliches Versäumnis und wahrscheinlich der größte Fehler in der Regierungszeit von Angela Merkel."
Dr. Hermann Otto Solms stellte für die FDP-Fraktion klar, dass der Steuerzahler nicht für Risiken in Anspruch genommen werden könne, die in anderen Staaten entstehen. Hier setze bereits das Grundgesetz klare Schranken. "In Brüssel wird beschlossen, in Berlin wird bezahlt — das lassen wir nicht zu", sagte Solms. Eurobonds seien "Anreize für falsches Verhalten".
Die Vergemeinschaftung von Schulden und die Nivellierung von Zinsen sei vergleichbar mit einer Schulklasse, in der jeder die Durchschnittsnote bekomme, sich Anstrengungen des Einzelnen nicht auszahlten und alle kollektiv bestraft würden, wenn einige über die Stränge schlagen. An die SPD-Fraktion richtete Solms die Forderung, im Bundestag dem Fiskalpakt und den Rettungsschirm ESM "zügig" zuzustimmen.
Richard Pitterle von der Linksfraktion warf der Koalition vor, sich aufzuplustern "und alle anderen Fraktionen als unverantwortliche Schuldenmacher" darzustellen. Dabei hafte der deutsche Steuerzahler bereits heute für die Schulden anderer durch die Staatsanleihen-Käufe der Europäischen Zentralbank (EZB).
Eurobonds könnten dazu beitragen, dass die Eurozone gegen Spekulation geschützt werde. "Und das finden wir gut", sagte Pitterle und fuhr fort: "Die reine Sparpolitik ist gescheitert." Wenn die Investitionen ausbleiben, stottere die Wirtschaft — das zeige der Abschwung "im gesamten Europa".
Auch Manuel Sarrazin machte darauf aufmerksam, dass Deutschland bereits heute im Zweifel für Risiken anderer geradestehen müsse: "Die Haftung Deutschlands ist längst vorhanden", sagte der europapolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und verwies auf die Ankäufe von Staatsanleihen überschuldeter Euro-Länder durch die EZB. "Sie versündigen sich am Erbe von Helmut Kohl und merken es nicht einmal", sagte er in Richtung Koalition.
Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung habe in Maastricht die "politische Union" gewollt, die die heutige Koalition mit ihrer "Blockadehaltung" verhindere. Seine Fraktion rede überdies nicht, wie oft behauptet, dem Griff in die Kasse das Wort, sagte Sarrazin. "Wir wollen mit Eurobonds starke Regeln durchsetzen, wir wollen mit Eurobonds einen glaubwürdigen Schuldenabbauplan vorlegen."
Steffen Kampeter (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, sprach von einer entscheidenden "Weggabelung", vor der Europa jetzt stehe: "Staatsverschuldung ist geronnene politische Mutlosigkeit und eine üble Last für die nachfolgenden Generationen", sagte Kampeter.
Es gehe darum, Solidarität und Solidität in Europa zu verbinden. Solidarität bedinge jedoch eine "Verhaltensänderung" – und dazu gehöre für die Krisenländer, in nationaler Verantwortung die eigene Wettbewerbsfähigkeit durch Strukturreformen zu erhöhen. (ahe)
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