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Bei der Debatte um die Fachkräftesicherung hat die Opposition der Koalition vorgeworfen, die Dimension des Problems zu unterschätzen. CDU/CSU und FDP sahen sich dagegen auf einem guten Weg. Grundlage für die Diskussion am Donnerstag, 24. Mai 2012, war ein Antrag der SPD-Fraktion (17/9725) mit dem Titel "Chancen eröffnen und Fachkräfte sichern" (17/9725). Darin fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der unter anderem die berufliche Weiterbildung stärken, allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen Schul- und Berufsabschlüsse sowie die Erwerbsbeteiligung von Älteren, Frauen, Eltern und Familien, Migranten und Langzeitarbeitslosen ermöglichen soll.
Zudem sprechen sich die Abgeordneten für eine Fachkräfteoffensive aus. Diese soll helfen, den bestehenden Fachkräftebedarf im Bereich der Erziehungs-, Gesundheits- und Pflege- sowie bei den MINT-Berufen zu decken. Der Antrag wurde an die zuständigen Ausschüsse überwiesen.
"Der Fachkräftebedarf wird zur zentralen Frage des kommenden Jahrzehnts", betonte Hubertus Heil, verantwortlich für den Bereich Arbeit in der SPD-Bundestagsfraktion. Jedoch unterschätze die Bundesregierung die Bedeutung des Themas. Es gebe keine gemeinsamen Kraftanstrengungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, bemängelte Heil.
Besonders deutliche Kritik gab es für die Maßnahmen der Bundesregierung im Bereich Frauen: Hier gebe es ein großes Potenzial, doch statt Ein- und Aufstieg im Beruf sowie Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern, werde das Betreuungsgeld eingeführt.
"Verplempern Sie das Geld nicht für das Betreuungsgeld", forderte auch der SPD-Abgeordnete und Parteivorsitzende Sigmar Gabriel. Stattdessen müsse die Bundesregierung etwas für die Leute machen, die arbeiten wollen. So müsste es beispielsweise im Bereich Pflege bessere Bezahlung, bessere Ausbildung und bessere Arbeitsbedingungen geben.
"Das Betreuungsgeld hält nicht davon ab, einen Beruf auszuüben", konterte Ulrich Lange (CDU/CSU). Die bislang von der Regierung im Bereich Fachkräftesicherung unternommenen Schritte seien richtig und wichtig, betonte er. Jedoch müsse es auch einen "Wandel im Bewusstsein der Gesellschaft" geben. Als Beispiele nannte er lebenslanges Lernen, eine Willkommens- und Akzeptanzkultur sowie die Wertschätzung jeder Arbeit.
Die Probleme ließen sich nicht von oben herab lösen, betonte Karl Schiewerling, Sprecher für Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Fraktion. Für die unterschiedlichen Regionen und unterschiedlichen Branchen müssten differenzierte Lösungen gefunden werden. "Die Bundesregierung hat sich des Problems Fachkräftemangel schon lange angenommen", sagte er und wies auf das Fachkräftekonzept aus dem vergangenen Jahr hin. Dies fördere die Zusammenarbeit auf allen Ebenen.
Auch die FDP-Fraktion wies auf die Verdienste der Koalition hin. Die Arbeitslosigkeit sei die niedrigste seit 20 Jahren, Deutschland habe außerdem die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa und halte den Rekord bei der Schaffung neuer Stellen, sagte ihr arbeitsmarktpolitischer Sprecher Johannes Vogel. "Zu behaupten, die Koalition würde nichts tun, ist einfach abstrus", sagte er.
Trotz Haushaltskonsolidierung werde beispielsweise 50 Prozent mehr für Qualifizierung ausgegeben als 2005. Die Koalition habe hier einen "Systemwechsel" eingeleitet und die Möglichkeiten zur Qualifizierung von Menschen gefördert, die bereits einen Arbeitsplatz haben. "Wir sind gut aufgestellt in Deutschland", ergänzte der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Dr. Heinrich L. Kolb.
Jutta Krellmann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, ging vor allem auf das Problem der Geringverdiener ein. Über 900.000 arbeiteten mehr als 50 Stunden die Woche. Das sei Ausbeutung, mache krank und führe zu psychischen Belastungen, führte sie aus. "Wer über Fachkräftemangel redet, kann das Thema ,Gute Arbeit′ nicht außen vor lassen", sagte sie. Perspektivlosigkeit zerstöre die Demokratie.
Jeder siebte Erwerbstätige habe in Deutschland keinen Berufsabschluss, kritisierte Agnes Alpers, verantwortlich für berufliche Aus- und Weiterbildung bei der Linksfraktion. Davor verschließe die Bundesregierung die Augen. Zudem bildeten nur 23 Prozent der Betriebe aus. "Die Selbstverpflichtung der Betriebe hat versagt", konstatierte Alpers. Die Bundesregierung müsse nun endlich die Ausbildungsumlage einführen.
"Sie sind nicht Teil der Lösung, sie sind Teil des Problems", warf Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Koalition vor. Die Dimension des Problems sei bei ihr nicht angekommen. Als besonderes problematisch nannte sie die Situation der Frauen, die die Koalition, statt ihr Potenzial zu heben, mit dem Betreuungsgeld "in die vier Wände verbannen" wolle. Dabei gehe es nicht um Mütter und Kinder, sondern allein um die Macht des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), kritisierte Pothmer. Statt Betreuungsgeld müssten die Kita-Plätze ausgebaut werden.
Weiter kritisierte sie die Zuwanderungspolitik der Bundesregierung. Zwar stimme es, dass die Zuwanderung zugelegt habe — jedoch im Wesentlichen aus Griechenland und Spanien. Und dies habe nichts mit der Zuwanderungspolitik der Regierung zu tun. Im Gegenteil: "Sie verhindern Zuwanderung", sagte Pothmer. (tyh)