Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2012 > Fragestunde Sabine Zimmermann
Rückblick auf die Rio+20-Konferenz, de Maizières Ankündigung der "humanitären Nothilfe" für Syrien, Schlussfolgerungen aus dem Nationalen Bildungsbericht 2012 — nur drei von insgesamt 101 Themen, zu denen Abgeordnete des Bundestages Fragen für die Fragestunde (17/10051) am Mittwoch, 27. Juni 2012, eingereicht haben. Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, will sich dann nach den Auswirkungen des Fiskalpakts auf die Binnennachfrage in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erkundigen. Über den Fiskalpakt, mit dem sich die meisten europäischen Staaten zu mehr Haushaltsdisziplin verpflichten wollen, stimmen Bundestag und Bundesrat am Freitag ab. Nach der Einigung zwischen Bundesregierung, Opposition und Ländern gilt die nötige Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern als sicher. Dass der Fiskalpakt aber tatsächlich wie geplant schon am 1. Juli 2012 in Kraft treten kann, bezweifelt Zimmermann. Warum, erklärt die Abgeordnete im Interview:
Frau Zimmermann, Sie wollen den Fiskalpakt in der Fragstunde thematisieren und sich erkundigen, welche Folgen er für die Binnennachfrage und die Kaufkraft der Menschen in der EU hat. Weshalb?
Das Ziel des Fiskalpakts, eine Art Schuldenbremse auf europäischer Ebene zu installieren, um so die steigenden Staatsverschuldung in den Ländern zu begrenzen, hört sich zunächst positiv an. Doch die Folgen für die Menschen werden dramatisch sein. Deshalb möchte ich nachfragen, wie sich die Binnennachfrage entwickeln wird.
Was befürchten Sie?
Wir konnten bereits in den letzten Jahren feststellen, dass die Binnennachfrage gesunken ist. Die Sparmaßnahmen infolge der Eurorettungsschirme EFSF und ESM haben zusätzlich zu dramatischen Einschnitten bei den Staatsausgaben geführt: Tarifverträge sind ausgesetzt worden, Renten gekürzt, viele Menschen im öffentlichen Dienst sind entlassen worden. Die Arbeitslosigkeit steigt. Sprich: Die rigorosen Kürzungsprogramme haben dramatische Auswirkungen auf die Bevölkerung — das muss man einfach deutlich machen! Wir Linke fordern stattdessen eine Art europäische Millionärssteuer, denn es wird zu sehr auf die Ausgabenseite geschaut. Die Einnahmenseite sollte auch in den Blick genommen werden.
Mehrere Mitglieder der Linken haben den Fiskalpakt zuletzt scharf kritisiert. Ihre Fraktion wird also die einzige sein, die ihn bei der Abstimmung im Bundestag ablehnen wird?
Natürlich werden wir Nein zum Fiskalpakt sagen, aber es wird auch einige Abgeordnete aus der SPD und vom Bündnis 90/Die Grünen geben, die ihn ablehnen.
Was ist denn so falsch daran, für mehr Haushaltsdisziplin in Europa zu sorgen? Die hohe Staatsverschuldung gilt ja als Hauptgrund für die Krise.
Es ist einfach die Frage, wo man sich das Geld holt. Mit dem Fiskalpakt holt man es sich bei den Schwächsten der Gesellschaft — und das ist der falsche Weg. Es wäre zu begrüßen, wenn die Staatsverschuldung in Europa etwa durch höhere Steuereinnahmen für Unternehmen ausgeglichen würde. Aber bei den sozialen Ausgaben in einer Größenordnung zu sparen, dass die Menschen in Armut leben, kann nicht unsere Vorstellung von Europa sein! Der Fiskalpakt darf nicht in Kraft treten, sonst droht eine Verschärfung der Krise.
Ihre Fraktion hat bereits angekündigt, das Inkrafttreten per Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht zu stoppen. Was erhoffen Sie sich?
Bundespräsident Gauck hat glücklicherweise angekündigt, das Gesetz so noch nicht zu unterschreiben. Das finde ich positiv. Ich erhoffe mir, dass man noch einmal gründlich über den Fiskalpakt und seine Folgen nachdenkt.
Wird der Fiskalpakt wie geplant am 1.Juli in Kraft treten?
Wir müssen erst einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten. Es liegt schließlich unsere Klage vor und eine weitere von Frau Däubler-Gmelin. Dann werden wir sehen — aber am 1. Juli wird er in gar keinem Fall in Kraft treten.
(sas)
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