Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Juni 2012 > Zulassungsverfahren für Medizinprodukte im Fokus
Der Rechtsanwalt Jörg F. Heynemann befürwortete strengere Maßstäbe bei der Zulassung und ein staatliches Verfahren. Zugleich müsse Deutschland darauf dringen, dass auch der europäische Gesetzgeber strengere Zulasungsregeln auf den Weg bringe. Dagegen betonte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed), Joachim M. Schmitt, eine Zulassung von Medizinprodukten durch staatliche Stellen bringe keinen Sicherheitsgewinn und verlangsame den Patientenzugang zu Medizinprodukten. Der Arzt und Rechtsanwalt Adem Koyuncu sagte, auch ein staatliches Zulassungssystem hätte den Brustimplantate-Skandal des französischen Unternehmens Poly Implant Prothèse (PIP) nicht verhindert. Bernd Metzinger von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) sagte, es gebe kein Defizit bei den Regelungen, sondern im Vollzug, etwa bei der Überwachung der Hersteller.
Die Firma PIP hatte für die Brustimplantate statt medizinischen Silikons billiges Industriesilikon verwendet, das erhebliche gesundheitliche Gefahren birgt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) empfiehlt Frauen, sich PIP-Implantate entfernen zu lassen. In diesem Zusammenhang befürwortete das geschäftsführende Präsidiumsmitglied des TÜV-Verbandes, Klaus Brüggemann, die von der SPD vorgeschlagene verpflichtende Haftpflichtversicherung für Hersteller bestimmter Medizinprodukte. Heynemann ergänzte, so könne sichergestellt werden, dass im Schadensfall alle betroffenen Patienten „in vollem Umfang entschädigt werden“. Sabine Pareras vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft wandte ein, dass die meisten Unternehmen der Branche bereits über eine Haftpflichtversicherung verfügten. Eine Verpflichtung würde aus ihrer Sicht die Kosten für kleine und mittlere Unternehmen erheblich steigern. Diese Mittel seien besser in der Risikoprävention investiert, sagte Pareras.
Auf viel Zustimmung bei den Experten traf die Forderung, ein verpflichtendes Register von implantierbaren Medizinprodukten einzurichten. Ein solches Register sei insbesondere zur Langzeitüberwachung zwingend erforderlich, sagte der Vorsitzende des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung und Inhaber des Lehrstuhls für Chirurgische Forschung an der Universität Witten/Herdecke, Edmund Neugebauer. Wie internationale Beispiele zeigten, habe dies einen direkten Einfluss auf die Qualität der Medizinprodukte, fügte der Professor hinzu.
Die SPD-Fraktion schlägt in ihrem Antrag vor, für bestimmte Medizinprodukte wie Implantate und Herzschrittmacher europaweit ein einheitliches amtliches Zulassungsverfahren einzuführen. „Ziel muss es sein, dass nur solche Medizinprodukte zugelassen werden, für die der Patientennutzen im Verhältnis zu den Risiken nachgewiesen und vertretbar ist“, heißt es zur Begründung. Die Grünen fordern, für implantierbare Medizinprodukte, zu denen auch Brustimplantate gehören, ein „der Arzneimittelzulassung vergleichbares staatliches Verfahren zur Marktzulassung und Marktüberwachung“ einzuführen. Für das Inverkehrbringen solcher Medizinprodukte solle künftig eine Produktzulassung durch das BfArM oder die Europäische Arzneimittelagentur (EMEA) Voraussetzung sein. Die Fraktion führt aus, das bestehende „durch sogenannte Benannte Stellen durchgeführte Zertifizierungsverfahren für implantierbare Medizinprodukte“ müsse ersetzt werden. Die vorhandene CE-Kennzeichnung von Medizinprodukten habe lediglich den Ausschluss von Infektionsrisiken, die Gewährleistung der physikalischen Sicherheit sowie die Einhaltung der zugesagten Produkteigenschaften zum Ziel. „Die therapeutische Wirksamkeit oder gar der gesundheitliche Nutzen werden damit keineswegs bestätigt“, betonen die Grünen.
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