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"Vergesst nicht, was gewesen ist - und betrachtet es als Warnung!" Der Holocaust-Überlebende und polnische Historiker Prof. Dr. Feliks Tych sagte am Mittwoch, 27. Januar 2010, in einem Gespräch mit Jugendlichen, die Verantwortung der heutigen und kommenden Generationen sei es vor allem, das Wissen über den Holocaust weiterzugeben. Tych hatte zuvor als Gastredner in der Gedenkstunde des Deutschen Bundestages für die Opfer des Nationalsozialismus seine eigenen Erlebnisse in den Kriegsjahren im besetzten Polen geschildert.
Feliks Tych, der 1929 als Kind jüdischer Eltern in Warschau geboren wurde, hatte dabei auch eine europäische Aufarbeitung des Holocausts angemahnt. Im Anschluss hatte der Historiker, der zwölf Jahre das Jüdische Historische Institut in Warschau leitete und sich bis heute für Aufklärung über nationalsozialistischen Völkermord einsetzt, eine Verabredung, die ihm besonders am Herzen lag: Zusammen mit Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert traf er 80 Jugendliche - vorwiegend aus Deutschland und Polen, aber auch aus Frankreich, Russland, den USA und Österreich - zu einem Gespräch über den Holocaust. Moderiert wurde die Diskussionsrunde von Prof. Dr. Gesine Schwan, der ehemaligen Beauftragten der Bundesregierung für die deutsch-polnischen Beziehungen.
Viele Fragen hatten die Jugendlichen mit im Gepäck, als sie im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestages eintrafen. Die 18- bis 24-Jährigen waren erst spät am Abend zuvor als Teilnehmer einer Jugendbegegnung, die der Bundestag bereits zum 14. Mal anlässlich des Holocaust-Gedenktages organisiert hatte, aus Warschau zurückkehrt.
Dort hatten sie sich dem schwierigen Erbe der deutsch-polnischen Geschichte gestellt, hatten verschiedene Archive und Museen besucht, Zeitzeugen gesprochen und auch das Vernichtungslager Treblinka gesehen, wo nordöstlich der polnischen Hauptstadt schätzungsweise mehr als eine Million Menschen, darunter 900.000 polnische Juden wie die Eltern von Feliks Tych, von den Nationalsozialisten ermordet wurden.
So vielfältig die Eindrücke, die die jungen Menschen dort gewonnen hatten, so vielfältig waren auch die Fragen, die sie dem Zeitzeugen Tych und dem Politiker Lammert stellen wollten: Große Fragen etwa nach Mitschuld und Verantwortung kamen zur Sprache - aber auch kleine, konkrete.
So wollte etwa eine der Teilnehmerinnen schüchtern von Tych wissen, was für ihn persönlich heute Treblinka sei - ein Denkmal? Die Antwort des Überlebenden: "Für mich ist es vor allem ein Friedhof."
Wichtig war den Jugendlichen die Frage, welche Verantwortung Deutschland heute für das Gedenken an den Holocaust trägt. Bundestagspräsident Lammert ließ keinen Zweifel daran: "Erinnerungskultur ist ganz klar eine Aufgabe, die der Staat nicht an die Gesellschaft abschieben kann."
Wenn aber die Gesellschaft das Interesse verliere, dann könne auch der Staat dies nicht kompensieren, gab Lammert zu bedenken. "Das eine geht nicht ohne das andere. Erinnerung ist beides - eine staatliche und gesellschaftliche Aufgabe."
Immer wieder meldeten sich die Jugendlichen in den folgenden eineinhalb Stunden zu Wort. Der über 80-jährige Tych zeigte dennoch keinerlei Ermüdungserscheinungen.
Als sich dann der Parlamentspräsident in Richtung Bundestag zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zum Afghanistan-Einsatz verabschiedet hatte und Moderatorin Schwan behutsam das Ende der Diskussion einleiten wollte, wehrte Tych ab: "Nein, nein, lassen Sie nur, mich interessieren die Fragen dieser jungen Leute!"
So wollte dann zum Schluss eine der Jugendlichen wissen, was Tych von der heutigen Generation erwarte: "Was wünschen Sie sich konkret von uns?" Der Angesprochene dachte nicht lange nach: Eigentlich ginge es ihm gar nicht so sehr um die Frage der Verantwortung. Wichtiger sei ihm vor allem eines: "Ihr müsst über den Holocaust wissen."
Was damals geschehen sei, dürfe nicht vergessen werden. "Und betrachtet es als Warnung", fügte Tych hinzu. Antisemitismus, auch dem islamischen Antisemitismus, müsse mit Wachsamkeit begegnet werden. Keineswegs dürfe er geduldet werden: "Zu diesem zivilisatorischen Code müssen sich die Menschen bekennen."