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Der Versuch, eine dreistufige Volksgesetzgebung in das Grundgesetz aufzunehmen, ist gescheitert. In einer Sitzung am Freitag, 12. November2010, lehnten die Abgeordneten in namentlicher Abstimmung einen vor der Links- fraktion eingebrachten Gesetzentwurf (17/1199, 17/3609) ab. Während sich Redner der Unionsfraktion gegen eine Volksgesetzgebung auf Bundes- ebene aussprachen, zeigten sich Vertreter der SPD-, der Grünen- und auch der FDP-Fraktion offen für die Idee, mehr direkte Demokratie im Bund zu ermöglichen. Die dazu gemachten Vorschläge der Fraktion Die Linke wurden jedoch als ungeeignet beurteilt.
Beim dem von der Linksfraktion vorgelegten Gesetzentwurf handle es sich um einen "Etikettenschwindel“, sagte der Unionsabgeordnete Ingo Wellenreuther. Es werde vorgegeben, die Demokratie stärken zu wollen. Tatsächlich gehe es jedoch um "populistische Forderungen, die mehr Risiken als Vorteile bringen“. Die Union, so machte Wellenreuther deutlich, halte an den "bewährten Prinzipien der repräsentativen Demokratie“ fest.
Gleichwohl sei er durchaus ein Befürworter der direkten Demokratie, allerdings "in den Kommunen und auf Landesebene“. Dort könnten Bürgerinitiativen und Bürgerentscheide das repräsentative System gut ergänzen. Auf Bundesebene könne man damit den oft komplexen Fragen unserer Gesellschaft nicht gerecht werden, sagte der CDU-Politiker, der dem vorgelegten Gesetzentwurf zudem Verfassungswidrigkeit attestierte.
Den mündigen Bürger dürfe es nicht nur in Sonntagsreden geben, forderte Gabriele Fograscher (SPD). 60 Jahre nach der Einführung des Grundgesetzes habe sich die Gesellschaft geändert. Dem müsse auch die Union Rechnung tragen, sagte die SPD-Abgeordnete.
Es sei doch festzustellen, dass die Wahlentscheidung des Bürgers bei der Bundestagswahl nicht automatisch als Zustimmung zu einzelnen Entscheidungen gelten würde. Das zeigten die Proteste gegen die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken ebenso wie gegen den Bau von Stuttgart 21. Aus Sicht der SPD solle die direkte Demokratie auf Bundesebene auch nicht als Ersatz, sondern zur Ergänzung der repräsentativen Demokratie eingeführt werden.
Den vorliegenden Gesetzentwurf bezeichnete Fograscher jedoch als "nicht praktikabel“. Das Quorum von lediglich 100.000 Wahlberechtigten für eine Volksinitiative sei viel zu gering und würde "Bagatellinitiativen Tür und Tor öffnen“.
Die Bürger müssten intensiver in die politische Diskussion eingebunden werden, sagte der FDP-Abgeordnete Jimmy Schulz. Daher sei er auch ein Fan von Volksentscheiden auf Länderebene. Zukünftig werde es auch Bürgerentscheide auf europäischer Ebene geben, die mehr Transparenz und eine Möglichkeit der Identifikation schaffen könnten.
"Direkte Demokratie existiert bereits und funktioniert hervorragend“, resümierte Schulz und kündigte an: "Wir wollen weitere Schritte in die Wege leiten und uns nicht hinter funktionierenden Mechanismen auf anderen Ebenen verstecken.“ Um "mehr partizipative Elemente auf Bundesebene“ zu erhalten, habe man auch im Koalitionsvertrag den Ausbau des Petitionswesens als ein Ziel aufgeführt.
Den Vorschlag der Linksfraktion nannte Schulz jedoch einen "unüberlegten Schritt“. Die darin aufgeführten Quoren seien zu niedrig. "Wir wollen mehr Bürgerbeteiligung, aber nicht eine Diktatur der Minderheit“, sagte er.
Bereits bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes im Juli habe es Kritik an den zu geringen Quoren gegeben, sagte Halina Wawzyniak (Die Linke). Ihre Fraktion habe daraufhin angeboten, darüber zu reden. Weder SPD, Grüne oder FDP hätten davon Gebrauch gemacht und auch keine Änderungsanträge vorgelegt, kritisierte Wawzyniak.
Ihr sei zudem auch nach wie vor von der Union nicht die Frage beantwortet worden, warum es direkte Demokratie zwar auf Länder- aber eben nicht auf Bundesebene geben könne. Dabei fehle es derzeit an Transparenz bei den Gesetzgebungsverfahren, sagte die Abgeordnete der Linksfraktion. Gesetze würden im "Hauruck-Verfahren“ beschlossen, dafür relevante Ausschusssitzungen seien nicht öffentlich.
Auch die Frage, welcher Leihbeamte gerade für welches Unternehmen an welchem Gesetzentwurf mitgearbeitet habe, werde nicht beantwortet. "Wir fordern das Verbot von Leihbeamten in Ministerien“, sagte Wawzyniak.
Mehr Respekt der Regierenden gegenüber der Bevölkerung forderte Ingrid Hönlinger (Bündnis 90/Die Grünen) ein. Der Bürgerwille müsse ernst genommen und nicht als Blockadehaltung abgetan werden. "Wer wie in Stuttgart Schüler niederknüppelt und Bürgerargumente mit Pfefferspray absprüht hat ein falsches Demokratieverständnis“, sagte sie.
Hönlinger verwies auf die positiven Erfahrungen, die auf Länderebene mit direkter Demokratie gemacht worden seien. Die Kluft zwischen Staatsmacht und Volk sei so verringert worden. Außerdem seien Bürger eher bereit, die Folgen von Entscheidungen mit zu tragen, wenn sie selbst mitbestimmen können. Auch bei direkter Demokratie bleibe das Parlament der zentrale Ort der Auseinandersetzungen und der Entscheidungen, sagte die Grünen-Politikerin, denn: "Volksabstimmungen behindern die Politik nicht, sie ergänzen sie.“ (hau)