Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > November 2011 > Experten nicht generell gegen Einsatz von Pfefferspray durch Polizei
Der Veranstaltung lagen zwei Anträge der Fraktion Die Linke zugrunde, die die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Angehörige der Bundespolizei (17/4682) sowie eine massive Einschränkung der Anwendung von Pfefferspray durch Polizeibeamte (17/5055) fordern. Zur Begründung heißt es in der zweiten Vorlage, die Anwendung von Pfefferspray durch Polizeibeamte sei mit „gravierenden und zugleich schwer abschätzbaren gesundheitlichen Risiken für die betroffenen Personen verbunden“.
Professor Rafael Behr von der Hochschule der Polizei Hamburg argumentierte, es sei viel schwerer, einen eindeutig identifizierbaren Polizisten fälschlicherweise einer Straftat zu bezichtigen als eine unbekannte Gruppe. Er warb zugleich dafür, neben einer generellen Kennzeichnungspflicht mit Kennziffern auch eine „straflose Selbstanzeige nach Beobachtungen von kollegialem Fehlverhalten“ sowie eine „unabhängige Monitoring-Stelle“ wie etwa eine Kontrollkommission oder einen Ombudsmann für das Handeln der Polizei einzuführen.
Der frühere Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch sagte, Hauptgrund für die Einführung einer individuellen Kennzeichnung bei der Berliner Polizei sei die Überzeugung, dass dies eine „selbstverständliche Geste der Service- und Kundenorientierung“ sei und dass polizeiliches Handeln im Rechtsstaat „transparent und nachvollziehbar“ sein müsse. Wer von polizeilichen Maßnahmen betroffen sei, habe ein Anspruch, „grundsätzlich zu wissen, wer in seine Rechte eingreift“.
Joachim Rahmann von der deutschen Sektion der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) sah in der Kennzeichnungspflicht eine Vorbedingung für effektive Ermittlungen bei Vorwürfen unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch Polizisten Dabei habe ai nie gefordert, dass die Kennzeichnungspflicht namentlich erfolgen müsse. Wichtig sei, „dass sie „individuell, klar erkennbar und einprägbar“ ist.
Für die DPolG-Bundespolizeigewerkschaft sagte Rüdiger Reedwisch, er sehe keine Notwendigkeit für eine solche Kennzeichnungspflicht. Zudem könnten auch einprägsame Nummernkombinationen missbräuchlich verwendet werden.
Der Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder, Jürgen Schubert, verwies darauf, dass es für die Bundespolizei derzeit keine Kennzeichnungspflicht gebe. Er plädierte dafür, es beim freiwilligen Tragen einer Kennzeichnung zu belassen.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, betonte, seine Organisation sei „auf dem Weg zu sagen“, sie habe kein Problem damit, wenn Kollegen auf freiwilliger Basis ein Namensschild tragen. Zu einer Kennzeichnungspflicht sage sie dagegen ein „klares Nein“.
Zum Einsatz von Pfefferspray sagte Witthaut, damit könne der Einsatz von Schusswaffen vermieden werden. Pfefferspray sei auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit „ein unerlässliches Mittel“. Auch Schubert verwies darauf, dass man „zwischen Schusswaffe und Schlagstock“ kein anders Mittel als Pfefferspray habe. Reedwisch argumentierte ebenfalls, Pfefferspray werde von Polizisten verwendet, um den Einsatz schärferer Mittel zu verhindern. Wer sich ordnungsgemäß verhalte, „der kriegt auch kein Pfefferspray ab“.
Rahmann verwies darauf, dass Pfefferspray ein international zugelassenes Einsatzmittel für Polizeibeamte sei. Seine Verwendung sei allerdings durch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit beschränkt. Er riet zu „extremer Zurückhaltung“ beim Pfefferspray-Einsatz gegenüber Menschengruppen. Glietsch sagte, dass es bei Pfefferspray Gesundheitsgefahren für bestimmte Risikogruppen gebe und man daher besonders zurückhaltend mit seinem Einsatz sein müsse, wenn es Anhaltspunkte gebe, „dass man es mit Personen aus solchen Risikogruppen zu tun hat“. Ohne Pfefferspray könne sich aber gerade in Situationen, in denen etwa viele Gewalttäter aus einer Menschenmenge heraus gegen Polizisten vorgehen, das Risiko nicht nur für die Beamten, sondern auch für Unbeteiligte erhöhen. Professor Behr nannte Pfefferspray ein wirkungsvolles Distanzmittel. Es sei „das beste der schlechten Mittel“, weshalb er keinen Veränderungsbedarf sehe.
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