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II. Die Revolution von 1848/49
2. Der Weg in die Paulskirche
Um das in den Straßenkämpfen und Volksversammlungen Erreichte zu verteidigen und auszubauen, wollen die Liberalen ihre politischen Vorstellungen durch ein nationales Parlament verwirklicht sehen, das eine gesamtdeutsche Verfassung erarbeiten und eine regierungsfähige Zentralgewalt bestimmen soll. Zu diesem Zweck beruft zunächst ein quasi revolutionärer Ausschuss in Heidelberg eine "Versammlung von Männern des Vertrauens aller deutschen Volksstämme" nach Frankfurt am Main ein. Das aus juristisch und politisch erfahrenen Persönlichkeiten bestehende und in der Paulskirche tagende Vorparlament erklärt sich entgegen eines Antrags linker Abgeordneter nicht zum revolutionären Vollzugsorgan, sondern legt zunächst den allgemeinen Rahmen für Wahlen zu einer deutschen Nationalversammlung fest. Am 18. Mai 1848 treten in der Paulskirche die ersten frei gewählten Abgeordneten zusammen, um als Erstes über die provisorische Zentralgewalt zu entscheiden. Nach wenigen Wochen einigt sich die Mehrheit in der Paulskirche auf den als volkstümlich und bürgernah geltenden Erzherzog Johann von Österreich, der ganz im Sinne der gemäßigten Liberalen eine Zusammenarbeit mit den Fürsten anbahnen soll. Staatsrechtlich bleibt der nun mit den Kompetenzen der Bundesversammlung ausgestattete "Reichsverweser" vom Parlament völlig unabhängig und übernimmt quasi die Rolle eines konstitutionellen Monarchen. Er und sein Ministerium bleiben jedoch bei der Durchführung ihrer Beschlüsse nach wie vor auf die Unterstützung des bürokratischen und militärischen Apparats der Einzelstaaten angewiesen.
Nicht zuletzt wegen der Erfahrungen vieler Abgeordneter mit dem Repressions- und Unterdrückungsapparat des Vormärz beschließt die Nationalversammlung, mit der "Feststellung der allgemeinen Rechte, welche die Gesamtverfassung dem deutschen Volke gewähren sollte", den Anfang zu machen. Dem Geist der amerikanischen und französischen Verfassung verpflichtet, liegt der Schwerpunkt der Debatten auf der Sicherung persönlicher und politischer Freiheiten, die nach Aufhebung der Privilegien von Adel und Klerus durch ein einheitliches Reichsbürgerrecht und das Recht auf Glaubens- und Meinungsfreiheit garantiert werden sollen. Herrscht bezüglich dieser Aspekte ein relativ breiter Konsens, so gehen in der Frage nach dem sozialen Gehalt der Grundrechte die Meinungen zwischen den gemäßigten Liberalen und den sozialrevolutionären Abgeordneten weit auseinander. Ein Antrag des Demokraten Nauwerck, das Recht auf Arbeit in die Verfassung aufzunehmen, wird von der liberalen Mehrheit ebenso abgelehnt wie Forderungen nach einer sozialen Verpflichtung des Eigentums.