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Für Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) ist es ein "wirksamer Beitrag zur Bekämpfung der illegalen Migration aus dem Nahen Osten". So zumindest lautete die Einschätzung des ehemaligen Bundesinnenministers, nachdem er und sein syrischer Amtskollege Bassam Abdel Madschid am 14. Juli 2008 ein bilaterales Rücknahmeabkommen zwischen Deutschland und Syrien unterschrieben hatten. Auf Grundlage dieses Abkommens, so Schäuble, werde es möglich sein, nicht nur ausreisepflichtige syrische Staatsangehörige, sondern auch Drittstaatsangehörige und Staatenlose, wenn diese über einen Aufenthaltstitel oder ein Visum der syrischen Seite verfügen oder unmittelbar aus dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei rechtswidrig eingereist sind, dorthin zurückzuführen.
Viele Menschenrechtsorganisationen sehen hingegen die Gefahr von Haft und Folter auf diejenigen zukommen, die nach Syrien abgeschoben werden. Auch die Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag teilen derartige Bedenken und fordern daher die Aufkündigung des vereinbarten Abkommens. Über dahin gehende Anträge von Linken (17/237) und Grünen (17/68) entscheiden die Abgeordneten am Donnerstag, 28. Januar 2010, abschließend, während ein Antrag der SPD-Fraktion (17/525) in erster Lesung beraten wird. Die Debatte beginnt um 19.45 Uhr und dauert eine halbe Stunde. Der Innenausschuss hat eine Beschlussempfehlung vorgelegt (17/570).
Die Arabische Republik Syrien sei ein Ort massiver Menschenrechtsverletzungen, die sich sowohl gegen die politische Opposition als auch gegen ethnische und religiöse Minderheiten richteten, schreibt die Linksfraktion in ihrem Antrag. Ihrer Ansicht nach drohen Angehörigen dieser Gruppen bei einer Abschiebung nach Syrien rechtliche und soziale Diskriminierung, im schlimmsten Falle Folter, Verschleppung und Tod.
Daher, so die Fraktion, müsse das Abkommen aufgekündigt werden. Gleichzeitig wird gefordert, zukünftig auf den Abschluss von Rückübernahmeabkommen mit solchen Staaten zu verzichten, die "wesentliche menschen- oder flüchtlingsrechtliche Übereinkommen nicht unterzeichnet haben".
Gegenüber den Bundesländern solle die Bundesregierung, laut Antrag der Linken, anregen, dass hier lebenden syrischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen aus Syrien, denen dort "Diskriminierung oder willkürliche Inhaftierung, Folter und Verschleppung drohen, ein humanitäres Bleiberecht gewährt wird".
Bündnis 90/Die Grünen dringen auf eine "unverzügliche Aussetzung" des Rückübernahmeabkommens und fordert zudem einen Abschiebestopp. Die Bundesregierung müsse zudem das Schicksal der bislang nach Syrien Abgeschobenen und dort inhaftierten Menschen unverzüglich aufklären und den Bundestag davon unterrichten.
Auf das Problem der durch das Abkommen ermöglichten Rückführung Staatenloser verwies Ulla Jelpke (Die Linke) während der ersten Lesung der Anträge vor dem Bundestag am 16. Dezember des vergangenen Jahres. Es sei ein "Novum", dass man 3.000 staatenlose Menschen in ein Land zurückschicke, obwohl sie dort "absolut rechtlos" seien.
Der Menschenrechtsexperte der Grünen, Volker Beck, beschuldigte die Bundesregierung, sie mache sich mit einem derartigen Abkommen zum "Helfershelfer der Schergen in den syrischen Gefängnissen", in denen gefoltert werde.
Anders wird die Situation von den Regierungsfraktionen beurteilt. Die Unterzeichnung eines Rückführungsabkommens bedeute "keinen Freiflugschein für alle Flüchtlinge in ihre Heimatländer, ohne Rücksicht auf die Umstände, unter denen die jeweilige Person zurückgeschickt werde", betonte Serkan Tören, integrationspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion.
Tören sagte, die Menschrechtslage in Syrien sei bekannt. "Ich möchte auch dafür keine beschönigenden Worte finden." Dennoch sei ein genereller Abschiebestopp der falsche Weg. Es gehe um "individuelle Prüfungen", die möglich seien und auch durchgeführt würden, wie es die asylrechtlichen Regelungen verlangten.
Auch die menschenrechtspolitische Sprecherin der Unionfraktion Erika Steinbach wies darauf hin, dass die Abschiebung von Menschen in Deutschland "nicht in rechtsfreiem Raum" stattfinde. Hierfür gebe es Rechtsgrundlagen, die auch vom Parlament beschlossen worden seien. "Wir leben in einem Rechtsstaat, nicht in einem Unrechtsstaat", betonte Steinbach.