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Ob ordnungspolitische Eingriffe wie das Glühbirnenverbot nachhaltiges Wachstumsermöglichen, thematisiert die Enquete-Kommission. © Alfred Schauhuber/Helga Lade
Soll es aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes mehr Produktverbote geben oder nicht? Ist die Verschärfung von Grenzwerten ein geeignetes Mittel, um ein nachhaltiges Wirtschaften durchzusetzen? Anhand des Chemiesektors will die Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" am Montag, 5. November 2012, unter anderem solche Aspekte erörtern, wenn die Frage zur Debatte steht, inwiefern ordnungspolitische Eingriffe denkbar oder auch nötig sind, um das Prinzip eines qualitativen Wachstums in der Wirtschaft zu verankern.
Die Sitzung wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Dieses Thema berührt vor allem die unter Leitung der SPD-Abgeordneten Edelgard Bulmahn arbeitende Projektgruppe 4 des Bundestagsgremiums, die Konzepte für eine "nachhaltig gestaltende Ordnungspolitik" entwerfen soll. Unter dem Vorsitz von Daniela Kolbe (SPD) beginnt das Treffen der Enquete-Kommission am kommenden Montag um 13.15 Uhr im Saal E 700 im Paul-Löbe-Haus in Berlin. Die Sitzung wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Als Referenten für die Anhörung "Nachhaltiges Wirtschaften am Beispiel der Chemiebranche, ordnungspolitische Voraussetzungen und Konsequenzen" sind Prof. Uwe Lahl und Dr. Gerd Romanowski geladen. Lahl ist an der TU Darmstadt Professor im Fachgebiet Abfalltechnik. Romanowski ist beim Verband der Chemischen Industrie als Geschäftsführer für Wissenschaft, Technik und Umwelt zuständig.
Aufgabe der Enquete-Kommission ist es, das rein ökonomisch und quantitativ ausgerichtete Bruttoinlandsprodukt als Messgröße für gesellschaftliches Wohlergehen weiterzuentwickeln und etwa um ökologische, soziale und kulturelle Kriterien zu ergänzen. Letztlich soll die Arbeit der 17 Parlamentarier und 17 Wissenschaftler in die Definition dessen münden, was als nachhaltiges Wirtschaften und qualitatives Wachstum gelten kann und wozu beispielsweise die Entkopplung des Rohstoffverbrauchs von der Steigerung der Wirtschaftsleistung gehört.
Mit welchen Mitteln aber will und kann man solche Ziele erreichen? Die Projektgruppe 4 richtet bei solchen Überlegungen den Blick auf die Ordnungspolitik und will prüfen, wie ein wirkungsvoller "ordnungspolitischer Instrumentenkasten" aussehen könnte oder sollte.
Als Beispiel für solche Eingriffe ins Wirtschaften mit seiner im Prinzip freien Preisgestaltung gilt etwa die angesichts massiv steigender Elektrizitätskosten vielfach diskutierte Idee, privaten Haushalten die ersten 500 Kilowattstunden Strom zu sehr niedrigen Kosten zu liefern, im Gegenzug aber den über dieser Marge liegenden Verbrauch spürbar zu verteuern.
Traditionell heißt Ordnungspolitik, dass der Staat für eine strikt marktwirtschaftliche Ökonomie sorgt. Die Diskussionen in der Enquete-Kommission und deren Projektgruppe 4 weisen jedoch über dieses Modell hinaus: Man könne im Blick auf das Ziel ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit wohl nicht allein auf den Markt setzen.
Soll aber der Staat den Wirtschaftsprozess bis ins Detail steuern? Oder ist eine wirkungsvolle Rahmensetzung angebracht? Grundsätzlich ist in der Enquete-Kommission erkennbar, das Union und FDP ordnungspolitischen Eingriffen in die Wirtschaft eher skeptisch, die drei Oppositionsfraktionen solchen Überlegungen hingegen offener gegenüberstehen.
Zu den konkreten Aufgabenstellungen einer künftigen Politik gehört im Sinne der Diskussionen in der Kommission etwa das Bemühen um bessere Informationsangebote für die Wirtschaft, die Möglichkeiten einer nachhaltigen Produktionsweise offenlegen. Wie lässt sich in der Chemiebranche, die am 5. November als Beispiel dienen soll, die Energie- und Ressourceneffizienz erhöhen?
Dazu zählt unter anderem die Forderung nach besseren Analysen der Stoffkreisläufe, um eine solche Effizienzsteigerung voranzubringen oder eine Anhebung der Wiederverwertungsquote bei bestimmten Stoffen zu erreichen. Muss man im Chemiesektor im Einzelfall auch Produktverbote verhängen? Kommt man um die Verschärfung diverser Grenzwerte etwa beim Kohlendioxidausstoß nicht herum?
Wie erfolgversprechend ist es, das Niveau von technischen Normen und Standards kontinuierlich zu erhöhen, um so eine dynamische Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit mit einer Senkung des Rohstoffverbrauchs und einer Reduzierung der Schadstoffabgabe zu befördern? Bei der nächsten Sitzung der Enquete-Kommission dürfte es auch darum gehen, die Probleme zu erörtern, die in der Chemiebranche einer nachhaltigen Entwicklung entgegenstehen. (kos/29.10.2012)