Eine geheimnisumwitterte Befragung

NSU_MAD

Die Rolle des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) in der Affäre um den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) beschäftigt den Untersuchungsausschuss, der Pannen und Fehlgriffe bei den Ermittlungen zur Mordserie an neun türkisch- oder griechischstämmigen Kleinunternehmern und einer Polizistin zwischen 2000 und 2007 erhellen soll, bei seiner Sitzung am Donnerstag, 8. November 2012, unter Vorsitz von Sebastian Edathy (SPD) ab 10 Uhr im Paul-Löbe-Haus.

Der MAD-Anwerbeversuch von Uwe Mundlos

Ein zentrales Thema der Vernehmung von vier Zeugen: Was hat es mit dem von Mitgliedern des Ausschusses als Anwerbeversuch kritisierten Unterfangen des MAD auf sich, 1995 den Bundeswehrsoldaten Uwe Mundlos, der später beim NSU aktiv wurde, für eine Informantentätigkeit gegenüber den Sicherheitsbehörden zu gewinnen?

Befassen will sich das Bundestagsgremium auch mit dem Wirrwarr über den Umlauf des MAD-Protokolls über diese Befragung von Mundlos, über dessen Existenz die Parlamentarier erst im Spätsommer dieses Jahres unterrichtet wurden – was bei den Abgeordneten auf scharfe Kritik stieß.

Vier vorgeladene Zeugen 

Bereits nach der spät erfolgten Zustellung des Dokuments über den MAD-Kontakt mit Mundlos 1995 hatten die empörten Gremiumsmitglieder bei einer Sitzung im September Ulrich Birkenheier, den seit Juli 2012 amtierenden Präsidenten des Bundeswehr-Geheimdiensts, spontan zu einer Befragung hinter verschlossenen Türen einbestellt. Am 8. November soll der gesamte Themenkomplex nun gründlich erörtert werden.

Als Zeuge benannt ist Oberst a.D. Dieter H., früher Chef der Abteilung Rechtsextremismus beim MAD. Angehört werden soll auch Kapitän zur See Olaf Ch., im MAD seit 2010 für die Abwehr von Extremismus und Terrorismus verantwortlich. Als Zeuge geladen ist zudem Karl-Heinz Brüsselbach, der von 2010 bis 2012 an der Chef dieses Nachrichtendiensts stand. Auskunft geben soll schließlich Christof Gramm, von 2008 bis 2012 Leiter der beim Verteidigungsministerium für den Bundeswehr-Geheimdienst zuständigen Abteilung.

Wie nahe waren die Behörden dem Trio?

Hinter der Durchleuchtung der Mundlos-Anhörung durch den MAD steht die Frage, wie nahe Polizei, Verfassungsschutz und Bundeswehr-Geheimdienst an der aus Jena stammenden und im November 2011 als NSU aufgeflogenen Zelle waren und ob die Sicherheitsbehörden frühzeitig Informationen über das Trio hätten erhalten können - oder vielleicht bekommen hatten.

Dazu gehört auch der Blick auf die Rolle des MAD bei der im Ausschuss immer mal wieder diskutierten "Operation Rennsteig": Zwischen 1997 und 2003 haben das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Erfurter Inlandsgeheimdienst versucht, beim "Thüringer Heimatschutz" (THS) und in dessen Umfeld Spitzel zu gewinnen.

Vor ihrem Untertauchen 1998 hatte das 2011 als NSU enttarnte Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe beim THS mitgemischt. Hat der MAD bei der "Operation Rennsteig" mitgemacht? Oder hat man im Bemühen um Erkenntnisse zu Kontakten von Rechtsextremisten in die Armee hinein zu jener Zeit unabhängig von der "Operation Rennsteig" den THS mit Hilfe eines eigenen V-Mannes ausgeforscht und die Informationen dem Verfassungsschutz mitgeteilt? Was hat der MAD erfahren? Eventuell auch etwas über das Jenaer Trio?

Mundlos während seiner Bundeswehrzeit 

Besonders brisant ist natürlich die Befragung von Mundlos während seiner Bundeswehrzeit, nachdem der damals 21-jährige zusammen mit einigen anderen Soldaten wegen eines als rechtsextremistisch eingestuften Verhaltens aufgefallen war, so sollen die Betreffenden Skinheadmusik gehört haben.

Nach bisherigen Stellungnahmen von Ausschussmitgliedern und nach den Erklärungen, die Birkenheier nach seiner Befragung im September abgab, hat der MAD bei der Anhörung von 1995 versucht, Mundlos als geheimdienstlichen Informanten zu gewinnen. Der Bundeswehr-Nachrichtendienst und das Verteidigungsministerium betonen indes, man habe Mundlos, der im Übrigen kurz nach seiner Befragung aus dem Militär ausschied, nicht als Quelle für den MAD anwerben wollen.

Vielmehr war es nach dem, was bislang öffentlich bekannt ist, wohl so, dass man den Verfassungsschutz über eine entsprechende Bereitschaft von Mundlos unterrichtet hätte – wobei der Soldat zu einer Spitzeltätigkeit aber gar nicht bereit war.

Das Hin und Her des Protokolls

Der Ausschuss will auch Licht ins Dunkel des undurchsichtigen Hin und Her des Protokolls über die Anhörung von Mundlos bringen, das der MAD 1995 erstellt und nach den Vorschriften des Datenschutzes fünf Jahre später vernichtet hat. Zuvor waren jedoch Kopien dieses Dokuments den Verfassungsschutzbehörden in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt sowie auf Bundesebene überstellt worden, wo sie bis zum Frühjahr 2012 verschollen blieben.

Im März stieß man in Sachsen auf einen Teil des Doppels der Mundlos-Akte, woraufhin der dortige Geheimdienst beim Verteidigungsministerium und beim MAD Alarm schlug. Später tauchten die Unterlagen zur Mundlos-Befragung im Bundesamt für Verfassungsschutz und in Sachsen-Anhalt auf. Der Chef des Verfassungsschutzes dieses Bundeslands, Volker Limburg, erklärte im September seinen Rücktritt, nachdem die Kopie des MAD-Protokolls, deren Vorhandensein noch im August bestritten worden war, dann doch  in seiner Behörde gefunden wurde. 

Nicht über den Inhalt des MAD-Dokuments, aber über dessen Existenz war der Bundestagsausschuss im April von Sachsen in einem Vermerk unterrichtet worden, der jedoch in Aktenbergen mangels eines Hinweises auf die Brisanz unentdeckt blieb. (kos/01.11.2012)

Der Ausschuss entscheidet vor der Vernehmung über die Möglichkeit von Auftaktbildern und bittet um Verständnis, dass bei Platzmangel pro Redaktion nur ein Platz besetzt werden kann. Zu beachten gilt, dass für die gesamte Sitzung das Untersuchungsausschuss-Gesetz gilt, das heißt dass elektronische Aufnahmen während der Sitzung verboten sind.

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Liste der geladenen Zeugen