Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > November 2011 > Entwurf zum Verbraucherinformationsgesetz stößt auf geteilte Meinungen
Gerd Billen von der Verbraucherzentrale Bundesverband begrüßte die von der Bundesregierung vorgelegte VIG-Novelle. „Der Verbraucher hat nach Artikel 2 des Grundgesetzes das Recht auf körperliche Unversehrtheit“, sagte er. Der Entwurf würde in diesem Sinne Verbrauchern einen leichteren Zugang zu Informationen gewähren. Billen forderte jedoch, dass das VIG auch dem in Artikel 14 des Grundgesetzes festgeschriebenen Schutz des Eigentums gerecht werden müsse. „Der Geltungsbereich sollte auf Dienstleistungen ausgedehnt werden, die das Eigentum berühren.“ Der Informationsanspruch könnte dann auch gegenüber Finanzdienstleistern und Unternehmern, die mit Strom sowie Versicherungen handeln, gelten.
Gut sei, dass nach dem Entwurf Verbraucher in Zukunft mit einer einfachen E-Mail-Anfrage Informationen einholen könnten. Ein Erfolg für die Verbraucher sei auch die Einschränkung der Möglichkeiten, die Weitergabe von Informationen zu blockieren. Einen Nachteil sah Billen jedoch darin, dass sich das VIG den Menschen nicht erschließe. „Es ist zu kompliziert verfasst“, sagte er.
Christoph Hahn vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) schloss sich seinem Vorredner an und drang darauf, dass das Auskunftsrecht gegenüber allen Produkten und Dienstleistungen gelten müsse. Er trat für mehr Transparenz in der Finanzbranche ein, die sowohl im Interesse der Verbraucher, als auch der Beschäftigten der Finanzinstitute sei. Der Druck auf die Angestellten sei im Finanzsektor besonders hoch.
Hahn plädierte ebenfalls für die Ausweitung des ab 2012 geplante Restaurant-Barometers in der Gastronomie auf soziale Standards. „Die Verbraucher haben einen Anspruch darauf zu wissen, ob diese Standards eingehalten werden.“
Peter Knitsch vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen bezeichnete die Novellierung als „dringend überfällig“. Er schlug die Erweiterung des Informationsanspruches gegenüber Unternehmen unter ethischen Gesichtspunkten und in Fragen der Nachhaltigkeit vor. „Einer Kaufentscheidung müssen entsprechende Informationen zugrunde liegen können“, sagte er.
Er sprach sich gegen die im Entwurf vorgesehene Erhebung von Gebühren bei einem Aufwand von mehr als 1.000 Euro aus. „Informationen über Verstöße sollten immer kostenlos zur Verfügung gestellt werden“, sagt er. Sonst würde die Freigabe von Informationen durch das Gesetz gehemmt und nicht gefördert.
Nach Ansicht von Anne Markwardt von Foodwatch wird die VIG-Novelle in Zukunft ihr Ziel nicht erreichen. „Verbraucher werden nicht ausreichend informiert, weil Händler und Firmen, die zum Beispiel Gammelfleisch in Umlauf bringen, nicht zeitnah genannt werden“, kritisierte sie. Es gebe zu viele Schlupflöcher, um die Informationenfreigabe zu behindern und aufzuhalten.
„Es wurde immer wieder versprochen, dass Ross und Reiter genannt werden.“ Doch hätten die Gammelfleisch-Skandale gezeigt, dass verdorbenes Fleisch bereits verzehrt worden war, bevor es nach der Anhörung der Verursacher zu einer angemessenen Warnung der Verbraucher kam. „Das bisherige System hat nur die schwarzen Schafe geschützt“, sagte sie.
Marcus Girnau vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde warnte indes vor dem Zwang zu früher Informationsoffenlegung. „Das VIG dient nicht der Abwehr der akuten Gesundheitsgefährdung“, sagte er. „In diesem Gesetz geht es um Auskunftsansprüche ohne Verfahrensdruck.“ Alles andere darf laut Girnau nicht Maßstab sein. Er befürchtete die einseitige Benachteiligung der Wirtschaft durch die Novelle.
„Die Behörden brauchen eine umfassende Informationsgrundlage, um ihre Meinung bilden zu können.“ Doch das VIG werde die Schutzrechte der Wirtschaft unangemessen einschränken. Vor der Schnelligkeit müsse das Recht des Unternehmers gewahrt werden, Stellung zu Vorwürfen nehmen zu können. Fehler, die unter Zeitdruck gemacht werden, würden für die Betroffenen unübersehbare Konsequenzen haben und existenzgefährdend sein.
Walter Scheuerl, Rechtsanwalt, kritisierte den Gesetzentwurf als Medienversorgungsgesetz. „Die bisherige Regelung hat ausgereicht“, sagte er. Durch den vorgelegten Entwurf würden die Behörden bei Verdacht die gesetzliche Ermächtigung erhalten, ohne Anhörung und ohne Rechtsschutz der betroffenen Unternehmen Informationen veröffentlichen zu dürfen. „Die Unternehmen werden dadurch rechtlos gestellt, weil der Amtshaftungsanspruch durch das Gesetz nicht mehr gültig ist.“
Der Unternehmer, der durch falsche veröffentlichte Informationen Schaden erleide, müsse nicht mehr entschädigt werden. „Dieser Gesetzentwurf ist extrem wirtschaftsfeindlich und nimmt den Behörden nur das Risiko, die Konsequenzen zu tragen, wenn falsche Informationen veröffentlicht werden.“
Ferdinand Wollenschläger von der Universität Augsburg stellte fest, dass das Gesetz verfassungskonform sei. Der bessere Informationszugang sei Grundlage für die den Verbrauchern zugesicherte Vertragsfreiheit. Er sah auch nicht, dass die Mitteilung eines Rechtsverstoßes eines Unternehmens durch die Behörden dem Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gleichkomme. Jedoch sah er es nicht als gerechtfertigt an, dass bei bloßem Verdacht jede beliebige Information weitergegeben werden dürfe.
„Bei weniger dringlichen Veröffentlichungen sollte den Unternehmen die Stellungnahme ermöglicht werden.“
Gerhard Zellner vom Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz meinte, dass das VIG den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bewahre. Er mahnte die Dramatisierung der Diskussion um das Gesetz an. „In Deutschland muss sich erst noch eine Kultur der Transparenz ausbilden“, sagte er. Insofern könne das novellierte VIG ein Element dieser Kultur werden.
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